Die Gemeinde Klietz bedankte sich bei Michael Mathews (links). Foto: Oliver Scheele, THW Steglitz

„Schlimmer als die Jahrhundertflut“ 2012 sei die Flut in diesem Jahr an Elbe und Havel gewesen, erzählt Michael Mathews. Das Wasser stand viel höher, die Deiche wurden teilweise überspült, brachen. Es waren Ortschaften betroffen, die nie mit einer Überflutung gerechnet hatten, weil sie zehn Kilometer von der Elbe entfernt lagen. Mathews war als Mitglied vom Technischen Hilfswerk Steglitz vor Ort und half, wo er helfen konnte.

Seit knapp zwei Wochen ist er wieder zurück.

In Dennewitz bei Grimma war der 46-Jährige vom THW eine Woche lang Anfang Juni, dann vom 20 Juni bis 5. Juli noch einmal in Klietz und Umgebung. Eigentlich ist er Gruppenführer der zweiten Bergungsmannschaft, ist im Einsatz bei Erdbeben und Explosionen, rettet Verschüttete. Doch schon seit Jahren ist er auch in der Pumpengruppe bei Hochwassereinsätzen dabei. Weil der Führer der Wasserschaden-Pumpen-Gruppe beruflich nicht abkömmlich war, übernahm Mathews dieses Mal dessen Aufgabe.

Zehn Mann stark war seine Gruppe, mit der er ins Katastrophengebiet aufbrach: Fünf übernahmen die Tagesschicht von 8 bis 20 Uhr, fünf die Nachtschicht von 20 bis 8 Uhr.

Was ihn genau erwarten würde, wusste Mathews nicht, als er Berlin verließ. „Wir unterstellen uns der Feuerwehr oder der Bundeswehr. Die kennen die Problem vor Ort am Besten“, erzählt er.

„Die B 107 war ein fließender Bach“

Eines der größten Probleme sei es gewesen, überhaupt zum Einsatzort zu kommen. In Klietz – zwischen Havelberg und Tangermünde gelegen – waren sie stationiert, in einem Jugendferienlager in Einzelzimmern untergebracht – ein echter Luxus. Doch von Havelberg nach Klietz, das keine 20 Kilometer entfernt liegt, brauchte die Truppe fast sieben Stunden, erzählt der 46-Jährige. Die Bundesstraße 107 war teilweise zerstört und nicht passierbar, die Brücke unterspült. „Die B 107 war ein fließender Bach“, erinnert er sich. So mussten die Berliner einen großen Umweg fahren – und das mit einem 38 Tonnen schweren Zug. Denn die Gruppe hatte mehrere Pumpen bei sich. Zwei große Motorpumpen, die 5.000 Liter pro Minute umsetzen können und mehrere kleinere elektrische Pumpen.

Felder und Gärten haben sie abgepumpt, berichtet Mathews, eine große Schweinemastanlage gerettet. „Wir haben Freitag angefangen, das Wasser zu pumpen, das Futter für die Tiere reichte nur noch bis Dienstag – aber wir haben es geschafft.“ Doch nicht immer gelang es, so wie bei einer Schafzucht. 100 Tiere kamen in dem Wasser um. Der Hof steht nun am Rande seiner Existenz. In Scharlibbe standen die Männer auf den Feldern der Agrargenossenschaft, um den Weizen zu retten. Doch bis heute könnten die Erntemaschinen nicht auf die Felder, weil sie immer noch zu nass sind, weiß Mathews, der erst am vergangenen Wochenende wieder im Katastrophengebiet war. Die Gemeinden hatten zum Danke sagen eingeladen.

Teil der Dorfgemeinschaft

Die Menschen vor Ort seien sehr unterschiedlich mit der Katastrophe umgegangen, berichtet Mathews. „Es gab einige, die waren vollkommen verzweifelt, haben ihre Koffer gepackt und sind weggefahren. Andere waren sehr engagiert, vor allem die Bürgermeister und die Feuerwehr“. Mathews stand im Kontakt mit allen, mancher Kollege scherzte, ob er schon Teil der Dorfgemeinschaft sei. Doch Reden mit den Menschen, ihnen erläutern, warum man an der einen Stelle pumpe und an der anderen nicht, das sei wichtig gewesen. So erzählt Mathews von einer Familie, deren Garage bis zum Dach unter Wasser stand. Ihnen musste man erklären, dass es sogar gefährlich sein kann, die Garage auszupumpen. Durch den aufgeweichten Boden könnte das Haus aus dem Boden schießen. „Das Wasser gab dem Haus Gewicht“.

Nach den Zwölf-Stunden-Schichten zur Ruhe zu kommen, sei schwer gewesen. Obwohl seine Schicht um 20 Uhr endete, gab es für den Gruppenführer danach viel zu arrangieren. So musste er die Standortwechsel koordinieren, Leute austauschen, Essen vorbeibringen, Sprit besorgen. Fast 5.000 Kilometer sei er in den 14 Tagen gefahren, weil die Einsatzorte oft weit auseinander lagen. Vor 23 Uhr gab es kaum Nachtruhe. „Irgendwann fällt man um wie ein Stein.“

Sein Arbeitgeber habe sehr viel Verständnis für sein Freiwilliges Engagement, so der Diplom-Ingenieur für Nachrichtentechnik. Privat lebt er getrennt, hat drei Kinder. Wenn er dann 14 Tage weg ist, bleibt alles an der Mutter der Kinder hängen – das sei schwierig.

Seit 1986 ist der Buckower Mitglied im THW Steglitz, hat schon viele Hochwassereinsätze mitgemacht, wie viele kann er gar nicht sagen. Bundesweit war er unterwegs, auch zweimal in Polen.

Aufräumen, sauber machen, reparieren

Insgesamt 80 Aktive vom THW Steglitz waren während der Flut im Einsatz, halfen beim Sichern mit Sandsäcken, waren an der Deichsprengung bei Fischbeck beteiligt, sorgten für Strom, unter anderem im Krankenhaus Burg. Doch auch die, die in Steglitz blieben, halfen mit. Sie organisierten Ersatzteile, erstellten Schichtpläne und mobilisierten Leute.

Auch wenn der Einsatz nun schon ein paar Wochen zurückliegt, „wir lecken noch unsere Wunden“, erzählt Mathews. Die vergangenen drei Wochenenden waren die THW-ler damit beschäftigt, die Schläuche zu desinfizieren, die Autos zu reinigen, Ersatzteile zu besorgen. Wo es ihn als nächstes hin verschlägt, kann Mathews noch nicht sagen. Zunächst aber hat er Urlaub und kann sich von den körperlichen und mentalen Anstrengungen des Einsatzes erholen.

(go)