Kerstin Bolik und Sebastian Fitzek, Foto: Michael F. Schaffhauser

 

Am 19. Juni 2019 hat sich die Bezirksverordnetenversammlung einstimmig zur Bildung eines Alpha-Bündnisses in Steglitz-Zehlendorf ausgesprochen. Diesbezüglich fand die Gründungsveranstaltung am 21. September 2022 im Gutshaus Steglitz statt. Kerstin Bolik vom Mehrgenerationshaus Phoenix führte durch das Event. Bezirksstadträtin Cerstin Richter-Kotowski, Simone Will, stellvertretende Geschäftsführerin vom Mittelhof e.V. und der Schriftsteller Sebastian Fitzek, welcher als Schirmherr der Alfa-Selbsthilfe fungiert, waren vor Ort.

Mit Steglitz-Zehlendorf ist das Bündnis nun komplett berlinweit vertreten und so wurde die Veranstaltung verstärkt dazu genutzt, für alle Alpha-Bündnisse zu werben, um über das Thema Analphabetismus aufzuklären. Im Gespräch mit Kerstin Bolik erklärt Sebastian Fitzek seine Funktion als Schirmherr: „Alles, was ich machen kann, ist es, meine Popularität dazu zu nutzen, um zu sensibilisieren, dass beispielsweise Analphabetismus nicht gleich zurückgeblieben bedeutet, sondern dass es verschiedene Ursachen haben kann und dass man sich mit der Thematik auseinandersetzt.“

Zur Aufklärung gehört auch die Festlegung der Begrifflichkeit an sich: „So wurde früher von Analphabetismus gesprochen und es kommt vereinzelt im Sprachgebrauch auch vor, aber man spricht inzwischen von geringer Literalität oder gering literalisierter Menschen“ beschreibt Kerstin Bolik. Laut der LEO, Level One Studie, der Universität Hamburg im Jahre 2019 kann jeder achte Erwachsene nicht richtig schreiben und lesen. – Das sind circa 320.000 Menschen in Berlin. Hauptbedingung der Studie war es, dass die Teilnehmer in Deutschland eine deutsche Schulbildung erhalten haben und schon eine lange Zeit in Deutschland leben. Fitzek erklärt: „Ich kann nicht gut Kopfrechnen, ich kann nicht gut kochen, das ist alles sozial adäquat, obwohl das eigentlich ein Defizit ist. Und jeder von uns hat irgendein Defizit, und da gibt es Millionen von Menschen, die halt das Defizit haben, nicht richtig lesen und schreiben zu können.“ Die Öffentlichkeit über das Thema „Alphabetisierung und Grundbildung“ zu informieren, ist das Credo der Alpha-Bündnisse.

Darüber hinaus ist es das erklärte Ziel, die Beratungsstrukturen für Menschen mit Lese- und Schreibschwierigkeiten auszubauen. Aus diesem Grund kooperieren die Bündnisse gemeinsam mit unterschiedlichsten Institutionen, Unternehmen und Einrichtungen, um eine adäquate Beratungsstruktur zu schaffen. Partner der Bündnisse sind z.B. Beratungseinrichtungen, Volkshochschulen, Bibliotheken, Einrichtungen der Erwachsenenbildung, Jobcenter, Quartiersmanagements, Stadtteil-und Familienzentren, Sportvereine und Unternehmen.

Man möchte Betroffene schneller und direkter erreichen, um ihnen helfen zu können. Zurzeit geschieht dies laut Kerstin Bolik meistens nur durch Familie, Freunde, Arbeitskollegen und Bekannte, da das Thema mit viel Scham behaftet ist. Die Angst vor Scham und sozialen Sanktionen bestätigt auch Fitzek: „Mir haben ehemalige Analphabeten gesagt, dass es die größte Hölle ist, durch ein Outing stigmatisiert und gemobbt zu werden. Häufig kann dann zum Glück diese Angst genommen werden.“

In Berlin gibt es 11 Bündnisse, die in der Aufbauphase von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie mit einer Anschubfinanzierung gefördert werden.

Mittelhof e.V.
Schreibwerkstatt und Alphabündnis
Mehrgenerationenhaus Phoenix
Teltower Damm 228, 14167 Berlin
Tel: 0177 / 892 1289
Fax: 030 / 84 59 16 60
alphabetisierung[at]mittelhof.org
www.mittelhof.org

 

 

Michael Filip Schaffhauser