Die Wasgenstraße wurde nach den Vogesen benannt. Foto: Gogol

Wasgen – ist eine alte deutsche Bezeichnung für die Vogesen, das Mittelgebirge im Nordosten Frankreichs. Sie gaben 1920 der „Wasgenstraße“ in Nikolassee ihren Namen.

740 Meter lang ist die Wasgenstraße und verbindet die Potsdamer Chausseee und die Matterhornstraße, wobei die Straße in Höhe der Tewsstraße einen Knick macht und westwärts verläuft. An der Ecke Schopenhauerstraße/Spanische Allee endet die Wasgenstraße scheinbar, doch sie wird auf der anderen Seite der Spanischen Allee weitergeführt.

Vor 1920 trug die Straße noch einen anderen Namen: Nordsternstraße. Benannt wurde sie nach der 1866 gegründeten Nordstern Allgemeine Versicherungs AG, einem Kooperationspartner der Heimstätten AG (HAG). Die HAG kaufte ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Siedlungsflächen in Nikolassee und Schlachtensee, erschloss und vermarktete sie. Ein Mitbegründer und Aufsichtsratsvorsitzender der HAG, Franz Gerkrath, war zugleich auch Generaldirektor der Nordstern.

Auf Grund der steigenden Einwohnerzahlen, die der Bau der neuen Siedlungen und Häuser Anfang der 20. Jahrhunderts nach sich zogen,stieg auch die Zahl der Kinder. Und so wurde 1926/27 auf dem Eckgrundstück Wasgenstraße/ Beskidenstraße die 3. Volksschule Schlachtensee – zeitweise auch Westschule genannt – errichtet. Die mehrflüglige Anlage sollte Raum für 18 Klassen schaffen. Vor der Schule entstand eine Art Stadtplatz. 1964 zog das Werner-von-Siemens-Gymnasium in einen Teil der Schule, der andere wurde von der Volksschule, seit 1970 Johannes-Tews-Grundschule, genutzt. Ab den 1970er Jahren entstanden auf dem Schulareal weitere Bauten. Der Bau aus den 20er Jahren steht unter Denkmalschutz.

Besonders auffällig unter den Häusern an der Wasgenstraße ist das mit der Nummer 7 mit seiner Treppengiebelarchitektur. Die Villa ließ sich der damalige Direktor der Märkischen Elektrizitätswerke AG, Hermann Henney, 1928/29 errichten. Die Plänen dafür hatte seine eigene Bauabteilung ausgearbeitet. Das unter Denkmalschutz stehende Haus ist eines der wenigen erhaltenen Direktorenhäuser der Weimarer Republik.

An der Wasgenstraße steht die Kirche der katholischen „Zu den Heiligen Zwölf Aposteln“-Kirchengemeinde. Das märkischen Dorfkirchen nachempfundene Gotteshaus wurde 1953/54 nach Plänen von Julius Schmidt errichtet. Der Grundriss des Hauses ist kreuzförmig mit einem Turm über dem Altarraum. Die Seitenschiffe sind im Inneren durch wuchtige Querbalken abgetrennt. Auf ihnen stehen Figuren der zwölf Apostel. Bereits 1936 hatte die stark angewachsene Gemeinde das Grundstück an der Wagenstraße gekauft. 1939 wurde ihr jedoch die staatliche Genehmigung zum Bau der Kirche verweigert und das Grundstück eingezogen. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs erhielt die Gemeinde das Gelände zurück. Am 25. Oktober 1953 wurde dort der Grundstein für das Gotteshaus gelegt, am 29. Juni 1954 folgte die Konsekration (Weihung).

Einer der bekanntesten „Anlieger“ an der Wasgenstraße ist das Studentendorf Schlachtensee, das seit 2006 den Rang eines Nationalen Kulturdenkmals hat. Zwischen 1959 und 1964 wurde es als Teil der Freien Universität errichtet und von der Regierung der USA finanziert.

Auf dem Areal des Hönowschen Bauerngutes entwarfen die Architekten Hermann Fehling, Daniel Gogel und Peter Pfankuch 27 Wohnhäuser, die sich um einen „Dorfplatz“ gruppierte. Es entstanden 600 Wohnplätze, die „Bürgermeisterei“, Läden, Mensa und Theatersaal. Eingebettet wurden die Häuser in eine Grünanlage. Doch auf dem Gelände sollte nicht nur kostengünstig gewohnt und studiert werden, sondern Demokratie erlernt und praktiziert werden – so lauteten die Bedingungen des Geldgebers. 1977 kamen weitere Bauten dazu, so dass rund 1.000 Studenten in dem Dorf wohnen konnten.

In den 1980er Jahren begann der Niedergang des Dorfes: Ein schlechter baulicher Zustand, fehlende Investitionen und Leerstand ließen das Studentenwerk 1982/83 sowohl Sanierung, Erweiterung aber auch den Abriss der Anlage prüfen. 1985 schienen die Tage des ersten Studentendorfes der Berliner Nachkriegszeit gezählt: Das Abgeordnetenhaus beschloss den Abriss. Allerdings hatten sie nicht mit dem Landeskonservator gerechnet, der die Denkmalwürdigkeit der Bauten prüfen ließ. Zudem gab es Proteste von Studenten, Freier Universität und Öffentlichkeit.

1991 wurde das Studentendorf als Bau- und Gartendenkmal eingetragen und schien gerettet. Doch hohe Investitionskosten ließen die Diskussion um den Abriss erneut aufflammen, ebenso wie die Proteste dagegen. Im beliebten Club A18 wurde der Freundeskreis gegründet, aus dem dann 2002 die Genossenschaft Studentendorf Schlachtensee eG. hervor ging. Sie kaufte 2003 das Studentendorf und setzt seitdem mit Hilfe von Förderern und Unterstützern Haus für Haus bei laufenden Betrieb denkmalgerecht instand. 2023/24 sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. Rund 900 Studenten werden dann wieder im Studentendorf wohnen können.

(sn)