Noch genießen Matthias Clausen (Dieter Hallervorden) und Unken Peters (Katharina Schlothauer) ihr Glück. Foto: DERDEHMEL/Urbschat

Noch genießen Matthias Clausen (Dieter Hallervorden) und Inken Peters (Katharina Schlothauer) ihr Glück. Foto: DERDEHMEL/Urbschat

Dass Dieter Hallervorden ein Charakterdarsteller ist, hat er in der Vergangenheit mehrfach bewiesen, zuletzt mit den Kinoproduktionen „Sein letztes Rennen“ und „Honig im Kopf“. Auf der Bühne seines „Schlosspark Theaters“ zieht Hallervorden nach und spielt die Rolle des Matthias Clausen in Gerhard Hauptmanns „Vor Sonnenuntergang“.

Dass er einmal „Didi“ war, kann der 80-Jährige nicht ganz verleugnen. Manchmal blitzt der noch hinter der Fassade des erfolgreichen Unternehmers Clausen hervor. Warum aber auch nicht, denn Clausen hat allen Grund fröhlich und verschmitzt zu sein. Sein Verlag ist erfolgreich, er feiert seinen 80. Geburtstag – und ist damit zehn Jahre älter als in der Vorlage aber genauso alt wie Hallervorden selbst –, den Tod seiner Frau hat er endlich verwunden, und er ist frisch verliebt. In die fast 60 Jahre jüngere Kindergärtnerin Inken Peters. Während sein alter Jugendfreund Dr. Geiger (Achim Wolff) ihm gratuliert und von der jungen Frau ganz angetan ist, fürchten die Kinder um den Ruf ihres Vaters und vor allem um ihr Erbe.

Mit Bestechung und Drohbriefen versuchen sie, die junge Frau zu vertreiben. Clausen weiß von alledem nichts. Als er Inken zum Familienfrühstück einlädt, um sie seinen Kindern vorzustellen, kommt es zum Eklat. Clausen bricht mit seinen Kindern. Er will sich von allem lösen, sein Leben in neue Bahnen bringen. Dazu gehören auch der Verkauf der Firma und der Wegzug in die Schweiz.

Doch Clausen hat nicht mit seinen Kindern gerechnet. Angeführt vom Schwiegersohn Klamroth (Oliver Nitzsche), der die Leitung des Verlages übernehmen will, und unterstütz von Anwalt Hanefeldt (Mario Ramos) treiben sie die Entmündigung des Seniors voran. Von den Intrigen körperlich und geistig geschwächt, sieht Clausen für sich nur noch einen Ausweg …

1932 uraufgeführt hat das Drama nichts an Aktualität verloren. Eine Liebe zwischen Menschen mit großem Altersunterschied trifft auch heute eher auf Ablehnung als auf Verständnis. Gern unterstellt man, so wie auch die Familie Clausen im Stück, jungen Frauen, es auf das Geld des Seniors abgesehen zu haben. Man mischt sich ein, weil man es „gut mein“. Unter dem Deckmäntelchen, es gut zu meinen, agiert auch die Familie Clausen: Bettina Clausen (Irene Christ) etwa wird von der Angst getrieben wird, ihre Rolle als Stütze des Vaters zu verlieren, Schwiegersohn Klamroth fürchtet, die Leitung des Familienunternehmens aufgeben zu müssen, die anderen Familienmitglieder um Ansehen und Geld.

Um sich geschart hat Hallervorden eine hochkarätige Schauspielerriege, der man jederzeit die gespielte Rolle abnimmt: Anne Rathsfeld als Schwiegertochter Paula, die verlorenem Ruhm und Ansehen ihrer Familie nachtrauert, glaubt man das intrigante Biest, das gegen die neue Liebe des Schwiegervaters hetzt; als kühler und berechnender Schwiegersohn Erich Klamroth überzeugt Oliver Nitzsch, ebenso wie Harald Effenberg als Sohn Wolfgang, der immer ein wenig hilflos wirkt, in geschäftlichen Dingen stets hinter Klamroth zurücksteht und nun mit Inken Peters ein Opfer hat, an dem er seinen Frust auslassen kann. Inken Peters schwankend zwischen Naivität und Resolutheit wird von Katharina Schlothauer verkörpert. Ja, ihr nimmt man ab, dass sie, den 80-Jährigen verehrt, fasziniert ist von seinem Auftreten. Auch dass sich Clausen in diese junge Frau verliebt und sich ein neues Leben mit ihr verspricht, glaubt man gern. Franziska Troegner als besorgte Mutter Peters und Achim Wolff als treuer Freund als Professor Geiger dürfen mit ihrer großartigen schauspielerischen Leistung nicht ungenannt bleiben. Mittelpunkt des Treibens ist jedoch der Hausherr, der die ganze Bandbreite der Gefühle – von verschmitzt, verliebt säuselnd, tobend bis wahnsinnig – auf der Bühne ausbreitet.

Regisseur Thomas Schlendel hat Hauptmanns Stücke verschlankt, Personen gestrichen wie Clausens Sohn Egmont, der als einziger die Intrige der Kinder nicht unterstützt, auch das Bühnenbild ist sparsam, hier ein paar Stühle und Tische im 70er Jahre-Schick, dort eine Wäscheleine und Apfelkisten, um das Landleben zu skizzieren. Nichts lenkt ab, von dem Drama, das sich auf der Bühne entfaltet und das das Premierenpublikum zu lautem Applaus und Bravo-Rufen veranlasste.

Zu sehen ist „Vor Sonnenuntergang“ im Schlosspark Theater wieder ab 2. Februar.

(go)