Einen Tag verkhrsfrei - so würden Grüne und SPD die Schloßstraße gern sehen. Archiv-Foto: Axel Mauruszat

Sollte man die Schloßstraße für den Verkehr sperren? Seit den 1970er Jahren wird regelmäßig darüber diskutiert. Neuen Schwung brachte jetzt die Grünen-Fraktion mit einem Antrag in die Frage. Sie will, unterstützt von der SPD-Fraktion, die Einkaufsmeile an einem verkaufsoffenen Sonntag für den Verkehr sperren lassen. Beim Wirtschaftsstammtisch diskutierten Vertreter der in der BVV vertretenen Parteien mit Anwohnern, Gewerbetreibenden und Kunden über dieses Ansinnen. Und sehr schnell wurde klar: So richtig zufrieden mit der Situation an der Schloßstraße ist keiner – und das obwohl sie erst für teures Geld umgestaltet wurde.

Fünf große Einkaufscenter, 200.000 Quadratmeter Einzelhandelsfläche – die Schloßstraße ist die drittumsatzstärkste Einkaufsmeile Berlins. Aber sie ist als Teil der Bundesstraße 1 auch eine wichtige Verkehrsader. Deshalb ist auch nicht der Bezirk für sie zuständig, sondern die Verkehrslenkung Berlin. Und die genehmige nur anlassbezogene Sperrungen, erklärte Gernot Mann, Leiter der Zentralen Anlauf- und Koordinierungsstelle für Investoren und Unternehmen.

Die Kosten für eine komplette Sperrung der Straße sind hoch. Vor zwei Jahren habe der Bezirk das anlässlich der Entente Florale ein Konzept erstellen lassen, so Mann. Nicht nur Autos, auch Busse und Fahrradfahrer müssten umgeleitet werden, hinzu waren Kosten für eine Neuschaltung der Ampeln sowie für eine Beschilderung gekommen. Alles in allem 130.000 Euro – die niemand bereit gewesen war zu tragen.

Lucas Uhde (Grüne) erklärte, dass mit dem Antrag zwei Ziele verfolgt werden. Zum einen soll die Attraktivität der Straße erhöht, zum anderen der verkaufsoffene Sonntag aufgewertet werden – wovon auch die Gewerbetreibenden dort profitieren würden.

Konzepte gefordert

In seltener Einigkeit zeigten sich CDU und Piraten an diesem Abend in der Ablehnung des Antrages. Es fehle an einem Konzept, bemängelten David Eckel (CDU) und Alf Jarosch (Piraten). „Wir wollen keine Sperrung um der Sperrung willen“, sagte Eckel, der Ideen und Konzepte erwartet. Und die Sperrung müsste zu einer Belebung führen. „Wenn wir für Chaos sorgen und potenzielle Kunden abschrecken, dann hat das negative Folgen“, warnte Eckel.

„Es macht keinen Sinn, ohne Konzept einfach mal zu testen“, fand Jarosch. „Der Dauerstau ist vorprogrammiert.“ Warum sollte man die Schloßstraße anders behandeln, als den Ku’damm, wollte er wissen. Auch der ist nicht gesperrt, trotzdem sei die Aufenthaltsqualität deutlich höher. In Steglitz hingegen mangele es an allem: Die Fußwege sind zu schmal, es fehle an Bänken, Grünflächen, Kunstobjekten. Darum solle sich der Bezirk lieber kümmern. Der Antrag der Grünen und SPD hingegen sei Aktionismus.

Auch Carsten Bombis, Geschäftsführer der Globetrotter-Filiale und einziger Gewerbetreibender auf dem Podium, sah eine – wenn auch nur temporäre – Sperrung der Schloßstraße als problematisch an. Man brauche ein gutes Konzept, das nachhaltig wirke, von dem die Straße auch profitiere. Er glaube zwar, dass es Konzepte gebe, „die allen Spaß machen“, doch als Gewerbetreibender müsse er auch darauf achten, dass sein Geschäft dadurch nicht eingeschränkt werde.

Gehwege statt Sperrung

Im Publikum herrschte ebenfalls Skepsis bis hin zur komplette Ablehnung des Antrags. Ein Einzelhändler, der etwas weiter nördlich der Schloßstraße seinen Laden betreibt, berichtete wie sehr er jedes Jahr von den Sperrungen anlässlich des Rheinstraßenfestes betroffen ist. Kunden würden ihm ganz klar sagen, dass sie nicht vorbeikommen, wenn sie nicht mit dem Auto anreisen können. Doch auch die Ausführungen Jaroschs wies er zurück: „Ich will mich auf einer Straße nicht aufhalten“, sagte er und plädierte eher für einen zweispurigen Ausbau der Straße, um schneller durchzukommen.

„Was wollen wir damit erreichen?“, fragte Volker Düring von der FDP. Er bemängelte, dass es dem Antrag an einer Fragestellung, einem Ziel fehle.

Ein Anwohner vom Fichteberg fand, dass an der Schloßstraße alles getan werde, den Fußgänger von der Straße fernzuhalten. Die Einkaufszentren seien teilweise unterirdisch miteinander verbunden, um so die Kunden im Inneren zu halten. „Wir brauchen Gehwege und keine Sperrung“, fand der Anwohner.

„Es bewegt sich überhaupt nichts“

Luft machen musste sich Alexander Stolle, Direktor Marketing und Sales des Best Western Plus Hotel Steglitz International. Da die Diskussion sich von der temporären Sperrung hin zu einer grundsätzlichen Diskussion über die Gestaltung der Schloßstraße gedreht hatte, erinnerte er daran, dass es bereits vor zehn Jahren Workshops zu diesem Thema gegeben habe. Er selbst habe sich eingebracht, viel Zeit investiert. „Wir haben so viele Arbeitsgruppen gegründet. Dafür interessierte sich keiner.“ Fast nichts von dem, was diskutiert wurde, sei umgesetzt worden. Der Markt auf dem Hermann-Ehlers-Platz sei eine Schande und dieses zentralen Platzes nicht würdig. „Es bewegt sich überhaupt nichts“, war er verärgert. „Wir müssen erst die Grundsuppe klären“, fand Stolle.

Geradezu lächerlich fand Michael Schawenke von Karstadt die Diskussion, lediglich Jan Wengeler, Centermanager des Boulevard Berlin, stand der Idee der temporären Sperrung positiv gegenüber. Er habe selbst schon angefragt, ob die möglich sei, berichtete er. Er dachte an eine große Veranstaltung, um die Schloßstraße und sein Einkaufszentrum bekannter zu machen. Er wisse um den Aufwand, die Genehmigungen und Sperrungen – habe damit aber schon Erfahrung aus anderen Städten. In der Finanzierung sah er kein Problem, wenn man darlegen könne, dass die Einnahmen an diesem Tag die Kosten übersteige. Das Ganze müsste nur professionell durchgeführt werden, dann sei er auch bereit, seinen Anteil an der Finanzierung zu übernehmen.

Die Ergebnisse des Abends: Die Grünen waren bereit, ihren Antrag zu überarbeiten und ein Konzept zu entwickeln. „Viel geredet, wenig erzeugt“, war das Urteil von Bombis.

 

(go)