ZDF-Moderator Nils Kaben ließ Bernd Dehmel und Willy Kuhweide (von links) in Erinnerungen an die Olympischen Spiele von 1964 kramen. Foto: VSaW / Sven Jürgensen

Ein dramatisches Stück Sportgeschichte: Am Freitagabend feierte der Verein Seglerhaus am Wannsee e.V. (VSaW) 50 Jahre Olympiagold ihres Mitglieds Willy Kuhweide – zu Gast auch sein damaliger DDR-Konkurrent Bernd Dehmel.

Beide Sportker sprachen zum ersten Mal  nach 50 Jahren  gemeinsam über den Sport-Krimi
der innerdeutschen Ausscheidung für die Olympischen Spielen in Tokio, bei denen Kuhweide schließlich Gold in der Bootsklasse Finn Dinghy holte. „In den vergangenen Wochen habe ich viel über die Geschehnisse nachgedacht und trotz der langen Zeit, die vergangen ist, ist mir jede Minute von damals wieder präsent“, sagte Kuhweide, der  gemeinsam mit ZDF-Moderator Nils Kaben auf einer kleinen Bühne direkt am Hafen des Vereins stand. 400 Gäste lauschten aufmerksam, was er und Dehmel zu berichten hatten.

1964 – drei Jahre nach dem Bau der Mauer – gab es für DDR und BRD eine gemeinsame Olympiamannschaft. Wer zu den Spielen reisen darf, musste in Ausscheidungsregatten festgelegt werden. Es waren zwei angesetzt: Die erste in Warnemünde, die zweite in Travemünde. Beide Teams konnten sechs Segler in der Klasse Finn Dinghy stellen. „Das DDR-Team hatte sechs Topsegler auf Weltspitze-Niveau, inklusive mir, die BRD hatte eigentlich nur Kuhweide“, erzählte Dehmel. „Wir entschieden uns also, sehr taktisch zu segeln und Kuhweide auszubremsen, denn die Nation, die besser war, durfte einen Segler für die Spiele nominieren“. „Sie haben sich sehr ‚liebevoll‘ um mich gekümmert. Einmal konnte ich eine Wettfahrt dieser Ausscheidungsregatta gewinnen, danach wurde ich wieder konsequent abgeschirmt. Das hat mir nicht gefallen, und ich habe wegen Teamsegelns protestiert“, erzählte Kuhweide.

Der Protest ging bis zur höchstens Instanz nach London zum Weltseglerverband. Die Bearbeitung dauerte – in der Zeit fand schon die zweite Ausscheidungsregatta in Travemünde statt: „Nach drei Rennen habe ich entschieden die Serie abzubrechen. Ich war wütend, denn das Spiel ging schon wieder los“.

„Ich habe mich danach sehr gefreut, denn ich war felsenfest sicher, dass ich bei den Olympischen Spielen segeln werde“, sagte Dehmel. Kuhweide ergänzte – dabei klang er immer noch ein wenig niedergeschlagen: „Ich habe meinen Finn
gepackt und ihn ins Winterlager gebracht – für mich war die Saison gelaufen“. Doch dann bekam er den Anruf von seinem BRD-Verbandsboss, er solle bei der Europameisterschaft in Kopenhagen an den Start gehen. „Da waren nur zwei
Boote pro Nation zugelassen, ein Teamsegeln fiel also aus – daher bin ich an den Start gegangen“. Vermisst bei dieser Regatta hat er aber Bernd Dehmel: „Offiziell haben wir von unseren Behörden kein Visum bekommen, mittlerweile weiß ich, dass die Politik-Ebene nicht wollte, dass ich starte. Ich hätte mich und damit die DDR blamieren können“. Kuhweide siegt in Kopenhagen – wird Europameister.

Inzwischen hatte der Weltsegler-Verband entschieden: Beide Segler fahren zu den Spielen. Dort angekommen erklärte, das IOC, beide Segler sollen an den Start gehen. Der Protest der 19 anderen Nationen war daraufhin immens. Ein Stechen vor Enoshima bei Tokio zwischen Kuhweide und Dehmel – soll die Lösung sein. „Ich habe dann eine Stunde auf dem Wasser auf Bernd gewartet, doch der kam nicht“ – „Ich war bei der Eröffnungsfeier in Tokio und bin dort mit den anderen Sportlern der deutschen Mannschaft eingelaufen, von einem Stechen hatte man mir nie etwas erzählt“.

30 Minuten vor dem Auslaufen zum ersten Start bekommt Kuhweide Bescheid – er segelte, Dehmel war raus. Die EM in Kopenhagen und das Stechen sind maßgeblich für die Qualifikation. „Da ist für mich eine Welt zusammengebrochen“, sagte Dehmel – die Stimme leicht brüchig. „Aber du hast mich gut vertreten“.

Groll oder Ärger ist bei beiden nicht zurückgeblieben: „Im Gegenteil, mir hat Bernd sehr leid getan – wir waren ein Spielball der Politik“, beschrieb Kuhweide die Situation.

Kuhweide segelte weiter – gewann ’72 Bronze im Starboot mit Karsten Meyer. Dehmel wurde Trainer und entdeckt das Talent von Jochen Schümann – dem späteren dreimaligen Olympiasieger.

(sn)