Probe für das Sommerkonzert an der Freien Schule Anne-Sophie in Zehlendorf: Nelson H. ist einer der jungen Dirigenten, die am Dienstag vor der Jungen Philharmonie Berlin stehen werden. Foto: Baumann

Wenn Nelson vor dem Orchester steht, ist er höchstkonzentriert. Das muss er auch sein, denn schließlich hat er in diesem Moment „das Sagen“. Aufmerksam schauen Musiker „ihrem“ Dirigenten zu und setzen jede seiner Bewegungen in Töne um. Am Ende des Stücks scheint der 15-Jährige mit seiner Leistung zufrieden. Er kann das beurteilen, denn das ist nicht das erste Mal, dass er ein großes Orchester dirigiert.

Seit zwei Jahren besucht Nelson die Dirigierklasse an der Freien Schule Anne-Sophie in Zehlendorf. Sein ehemaliger Musiklehrer, Alexander Saier, hat sie 2015 ins Leben gerufen, um „Kinder musikalisch auf das Leben vorbereiten zu können“, wie der Musikwissenschaftler erklärt. „Beim Dirigieren geht es nicht nur um Musik“, sagt Saier, „es geht um die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder: um Selbstvertrauen, Führungsstärke und Charisma“. Beim Dirigieren seien Kinder „der Chef“. „Sie übernehmen die Führung und geben den Takt vor, dabei wird ihr Selbstwertgefühl gestärkt.“

Das kann auch Nelson bestätigen: „Seit ich dirigiere, fällt es mir leichter, vor Publikum zu sprechen.“ Das würde sich beispielsweise beim Halten von Referaten bemerkbar machen, so der 15-Jährige. Das Konzert an seiner Schule, das am Dienstag, den 3. Juli stattfindet, sei bereits sein Viertes. Natürlich sei er vor jedem Auftritt nervös, doch „vorne zu stehen und ‚der Boss’ zu sein“, mache auch „unglaublich viel“ Spaß, sagt der Achtklässler.

Es geht darum, dass Kinder ihre Wirkung als Person erfahren

Genau darum geht es seinem „Ausbilder“, Alexander Saier: „Es geht nicht darum, dass Kinder perfekt Noten beherrschen müssen, das kann das Orchester selbst. Es geht darum, dass sie ihre Wirkung als Person erfahren und begreifen. Dass sie ihre Körpersprache einzuschätzen und anzunehmen lernen. Dass sie lernen, ihre Aufregung zu bekämpfen.“ Außerdem könne das Dirigieren als Anreiz für Kinder dienen, sich intensiver mit der Musiktheorie zu beschäftigen, erklärt er. „Als Musiklehrer habe ich die Erfahrung gemacht, dass Kinder grundsätzlich keine Lust haben, Noten zu lernen. Wenn das Kind jedoch die Verantwortung für ein Stück übernimmt, ist es auch bereit, das dafür Notwendige [die Theorie], zu lernen“.

Wie überzeugt Saier von seinem Projekt „Jugend Dirigiert“ ist, zeigt sein unermüdliches Engagement. Obwohl er bereits seit einiger Zeit nicht mehr als Musiklehrer an der Freien Schule Anne-Sophie tätig ist, leitet er die von ihm gegründete Dirigierklasse weiter. Dafür kommt er zweimal die Woche und jeden zweiten Samstag nach Zehlendorf. Und das neben seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Kreismusikschule Märkisch-Oderland. Auf die Frage, warum er es trotz beruflicher Veränderung weiterhin tut, antwortet Saier mit einem Lächeln und einem Schulterzucken: „Die Musiker sind alle verrückt.“ Nur so sei zum Beispiel zu erklären, warum auch das Orchester der Jungen Philharmonie Berlin (JPB) bei seinem Projekt mitmacht. Das seien „alles erfahrene Musiker“, erzählt er. Manche würden noch studieren, andere seien bereits Profis – „doch sie alle kommen in der Kantine der Schule [dort finden die Proben statt] zusammen, um mit den Kindern zu üben.“

2015 sei er auf das 2013 gegründete Orchester aufmerksam geworden. Für sein Projekt „Jugend dirigiert“ habe er es als Künstlerischer Direktor reorganisiert und auf neue Füße gestellt. Seitdem lassen die jungen Profi-Musiker sich regelmäßig von Kindern und Jugendlichen dirigieren.

Wer das Orchester und die jungen Dirigenten selbst erleben möchte, hat dazu am Dienstag, den 3. Juli die Gelegenheit. Das Konzert an der Freien Schule Anne-Sophie Berlin, in der Clayallee 328-334, 14169 Berlin-Zehlendorf, beginnt um 18 Uhr und ist öffentlich. Die Karten gibt es für zwölf Euro, ermäßigt acht Euro an der Abendkasse. Es werden mehrere Stücke aus „Karneval der Tiere“ von Camille Saint-Saëns zu hören sein, darunter das von Nelson dirigierte „Aquarium“.

(eb)