Die baroke Orgel steht dort, wo einst die erste Orgel stand. Fotos: Gogol

Zwei Orgeln in einer Kirche – das mag es in großen Kathedralen geben. Aber auch in Zehlendorf. Die Paulusgemeinde und ihr Orgelbau-Verein leisten sich zwei Unikate: eine barocke und eine französisch-symphonische Orgel.

Von außen sieht man den roten Backsteingebäude von 1905 nicht an, dass im Inneren etwas ganz Besonderes passiert. Seit Januar arbeiten zwei Orgelbaufirmen daran, zwei komplett neue Instrumente aufzubauen – eine auf der Haupt- und eine auf der Seitenempore. Immer mit dabei ist Cornelius Häußermann, der Kantor und Organist der Gemeinde. Er erfüllt sich damit den Traum wohl jedes Kantors.

Die erste Orgel der Pauluskirche, eine Sauer-Orgel, stand auf der Seitenempore, berichtet Häußermann. Doch nach dem ersten Weltkrieg verschwand diese. In den 1960er Jahren wurde dann eine Wacker-Orgel auf der Hauptempore errichtet, die die große Rosette über dem Haupteingang verdeckte. Richtig zugemauert habe man die. Erst 2011 wurde sie wieder freigelegt.

Zu sanieren war die alte Orgel zwar, aber es eigentlich nicht wert, dafür die geschätzten 50.000 bis 80.000 Euro auszugeben, so der Kantor. „Es wurden damals keine guten Materialien verwendet“, erklärt Häußermann. Nicht nur in der Pauluskirche sei das so gewesen. In den 1960er Jahren hätten Orgelbauer gern auf „moderne“ Materialien wie Plastik und Aluminiumdraht zurückgegriffen, weil man dachte, dass diese sich länger halten und widerstandsfähiger sei. „Zum Glück ist man davon wieder abgekommen.“ In der Paulusgemeinde kommt nur bestes Holz zum Einsatz.

Die Orgel auf der Hauptempore ließ Platz für die Rosette.

2006 gründete sich der Orgelbauverein, der sich überlegen sollte, was welche Art von Orgel man bauen wollte. Unterstützung gab es dabei vom Orgelfachbeirat, dem die Professoren Leo van Doeselaar und Paolo Crivellaro von der Universität der Künste Berlin, der Orgelsachverständige der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz, Michael Bernecker sowie Häußermann angehören. Da eine Bedingung für die neue Orgel war, dass die Rosette wieder freigelegt werden muss, fiel eine Universal-Orgel aus.

„Wir haben überlegt, welchen Typus es in Berlin nicht gibt.“ Eine französisch-symphonische Orgel etwa. Die nächsten stehen in Hamburg und Chemnitz. Damit habe man in Berlin ein Alleinstellungsmerkmal, so der Leiter der Bach-Gesellschaft. Den Zuschlag für den Bau erhielt die Firma Karl Schuke.

Die zweite Orgel auf der Seitenempore, wo einst die erste Orgel stand , wird eine Bach-Orgel werden, gebaut von der Werkstatt Rowan West. „Sie ist klein, aber ein schönes Schmuckstück“, so Häußermann, der sich schon sehr darauf freut, die Orgeln am 20. Oktober endlich einzuweihen. Was er dann spielen will, weiß der Kantor zwar schon, macht aber noch ein Geheimnis daraus. Er freue sich auf beide Orgeln gleichermaßen, so Häußermann. „Es ist ein komplett anderes Spielgefühl“, schwärmt er.

Begonnen haben die Arbeiten in der Kirche im Januar 2013. „In einem 100 Jahre alten Gebäude gibt es immer Überraschungen“, sagt Häußermann über die Bauarbeiten. So mussten die Trägerkonstruktionen für die Orgeln komplett erneuert werden. Auf der Seitenempore etwa wurden die alten Stahlträger aus dem Gewölbe gelöst , um die neuen einsetzen zu können. Zudem mussten die beiden Emporen statisch ertüchtigt werden, damit sie die Orgeln tragen können. Die Rosette wurde saniert und mit einem Wärmeschutzglas versehen, ebenso die zwei Kirchenfenster an der Seitenempore. Zudem wurden Einzelheiten im Innenraum angepasst, so wurden die Brüstungspfeiler angeglichen, und die Eisenzugstange unter der Hauptempore ist verschwunden. 1,5 Millionen Euro musste die Gemeinde und ihr Orgelbauverein dafür in die Hand nehmen. Geld gab es unter anderem von der Stiftung Deutsche Klassenlotterie und die Beck’sche Stiftung. Den Rest musste der Orgelbauverein selbst aufbringen – durch Benefizkonzerte, Spenden und Patenschaften für die Orgelpfeifen. Knapp 4.000 sind noch zu vergeben. Derzeit fehlen dem Verein noch 180.000 Euro.

Zwei Orgeln – die nur zu Gottesdiensten zu verwenden, ist schon fast Verschwendung. Deshalb wird es in der Kirche Konzerte geben, aber auch Studenten der Universität der Künste werden regelmäßig auf den beiden Instrumenten üben und Prüfungen ablegen.

 (go)