Kirche Schönow, Andreezeile 21-23, Berlin-Zehlendorf

Im Jahr 1949 löste sich die Kirchengemeinde Schönow von Teltow.  Zehn Jahre später realisierte sie am Rande der Telefunken-Wohnsiedlung, in der Andréezeile in Zehlendorf, einen eigenen Sakralbau mit Gemeindehaus. Den kühnen Entwurf lieferte der in der Nachbarschaft zusammen mit Ewald Bubner sein erstes Büro betreibende Frei Otto. Inmitten der Nachkriegssiedlung setzte er mit dem Bau eine Landmarke.

Der Entwurf brilliert durch Leichtigkeit und Transparenz. „…mit der delikaten Dachkonstruktion und dem Campanile, der einer Zellstruktur im Mikroskop gleicht…“, so beschreibt es Falk Jäger  am 12. März 2015 im Berliner Tagesspiegel.Der Raum greift die archaische Typologie des Zeltes auf. Die geneigten Dachflächen reichen fast bis zum Boden, die Stirnseiten sind komplett verglast. Die Konstruktion aus Zuggliedern ist sichtbar wie die mit Heringen in der Erde verankerten Seile eines Zeltes.

Kirche Schönow

Gestaltung und Konstruktion des Turms sind eins, wie der Natur abgeschaut. Zwölf übereinander gestellte offene Stahlwürfel erreichen eine Höhe von 24 Metern. Den obersten schmückt das beleuchtete Kreuz, die drei unteren je eine Glocke: „Hoffnung – Teltow – Schönow“. Es hieß, der Turm habe zum Vorbild das Skelett einer Kieselalge.

Der Blick auf den Altar und das schwebende Kreuz führt direkt in die freie Natur. Die Walcker-Orgel wurde 2009 verkauft und durch eine Orgel der Firma Klop Orgelbouw ersetzt, die sich durch ihre Holzpfeifen auszeichnet. Auch eine Besonderheit ist die 3,30 Meter hohe Madonna aus Afrika mit Kind. Taufstein, Kanzel und Altar stehen als Monolithe im Kontrast zu der transparenten und filigranen Bauweise. Das Logo der Kirchengemeinde fasst dieses grafisch zusammen.

Kirche Schönow, Altar

Und so spiegeln sich die Ideen des Architekten der Schönower Kirche auch heute noch im Gemeindeleben wieder: „Unsere Kirche […] erzählt auf ihre Weise vom Wesen unserer Gemeinde: Viel Glas und Licht prägen ihr Erscheinungsbild, das sowohl an ein Schiff als auch an ein Zelt erinnert. So wollen auch wir eine Gemeinde sein, die offen ist für die Welt und die Menschen um sich herum …“

Frei Otto (1925 – 2015) war leidenschaftlicher Segelflieger. Daher stammen seine Kenntnisse in Leichtbaukonstruktionen. An der TU Berlin schrieb er seine Dissertation über „Das hängende Dach“. Er eröffnete die Entwicklungsstätte für Leichtbauweise und leitete das Studienprojekt Biologie und Bauen. 2015 erhielt Otto posthum, neben Gottfried Böhm, als einziger deutscher Architekt den Pritzker-Preis – die weltweit wichtigste Architekten-Auszeichnung.

Zu seinen Werken zählen neben der Schöner Kirche der deutsche Pavillon auf der EXPO 1967 in Montreal und die berühmten Seildächer des Münchener Olympiageländes. Er entwarf mit Vorliebe temporäre Dachkonstruktionen zum Beispiel 1977 für Pink Floyd. „Für mich zählte immer nur der Augenblick …“, wie das Schutzzelt, das drei Stunden den Berliner Philharmonikern zur Einweihung der Interbau 1957 vor Schloss Bellevue diente.

Text: Michaele Brunk
Redaktion: Dr. Jörg Rüter
Fotos: Kirchengemeinde Schönow, Denkmalschutzbehörde