Seit zehn Jahren haben Kinder und Jugendliche im KiJuNa viel Spaß. Foto: Gogol

„Hier ist immer multikulti. Wir sind immer offen für Menschen, die was suchen, die was brauchen, die sich bilden wollen, die beraten werden wollen, aber auch für Menschen, die was geben wollen“, beschreibt Veronika Mampel ihr Kinder-, Jugend- und Familienzentrum (KiJuNa) an der Scheelestraße. Vor zehn Jahren übernahm das Stadtteilzentrum Steglitz die Jugendfreizeiteinrichtung vom Bezirk, das Konzept der halboffenen Jugendarbeit plus Kita überzeugte. Mampel, heute Arbeitsbereichsleiterin für Nachbarschafts- und generationsübergreifende Arbeit, war von Anfang an dabei. Und der war nicht ganz sorgenfrei.

Zum einem war das Haus in einem schlechten Zustand, es musste saniert werden: Dach, Fassade, Fenster – rund 500.000 Euro aus dem Umweltentlastungsprogramm flossen in das Haus. „Wir haben containerweise Müll entsorgt“, erinnert sich Mampel. Vier frühere Mitarbeiter blieben im Haus, neue kamen dazu. Gemeinsam wurde das neue Konzept umgesetzt. Und das sah vor allem eine Öffnung für alle Kinder, Jugendliche und Erwachsene aus der Umgebung vor.

Bis dahin wurde das Haus ausschließlich von einer Clique männlicher Jugendlicher besucht, die das Haus mehr oder weniger als ihres betrachteten, erzählt Thomas Mampel, Geschäftsführer des Stadtteilzentrums. Es gab Gewalt und Drogen. Gegen die Änderungen setzten sich die Jugendlichen zur Wehr – mit Einbrüchen, Schmierereien an Wänden und Beleidigungen, sogar der Garten wurde besetzt. „Sie haben sich entmachtet gefühlt“, sagt die Bereichsleiterin über die Jugendlichen. Doch das ist Geschichte. „Heute steht das Haus allen Kindern und Jugendlichen offen, keiner muss Angst haben“, so Thomas Mampel.

Neues Konzept, mehr Angebote

Zum neuen Konzept des Hauses gehörte es auch, Angebote zu machen ohne Zugangssperren. Es gibt Tanzkurse – allein drei polnische Volkstanzgruppen treffen sich regelmäßig in dem Haus, berichtet der Geschäftsführer lachend, Fußball-AGs, Gitarrenunterricht und Hilfe bei den Hausaufgaben, Bands können proben und Schulabgänger sich beraten lassen. Es gibt Themenwochen und Ferienangebote. An das erste Feriencamp kann sich Thomas Mampel noch gut erinnern. Das KiJuNa war in der Hand kleiner Indianer. Ehrenamtliche aus der Nachbarschaft engagierten sich, bauten zusammen mit den Kindern Tipis und Marterpfähle.

Waren es vor zehn Jahren ausschließlich männliche Jugendliche, die das Haus besuchten, liegt der Anteil der Mädchen mittlerweile bei 50 Prozent, freut sich Veronika Mampel.

Von Anfang an im KiJuNa untergebracht ist auch eine Kita. Bevor das Stadtteilzentrum das Haus übernahm, hatten dort Eltern in Eigeninitiative eine Betreuung als „Miniclub“organisiert. Das Stadtteilzentrum eröffnete zunächst eine Halbtagskita, heute werden die „Lichterfelder Strolche“ ganztags betreut.

Auch wenn die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen im Vordergrund steht, auch Eltern, Anwohner und Nachbarn sind gern gesehen, zum Beispiel bei den Kiezfesten. Es gibt auch Kurse und Beratungsangebote für Erwachsene. „Das Haus ist offen für Kinder von Null bis zu deren Eltern“, so Veronika Mampel.

Seit 2009/10 kooperiert das KiJuNa mit der GSW im Projekt „City Village“. Das Haus macht spezielle Angebote für die Woltmannweg-Siedlung und hat einen Mitarbeiter, der fester Ansprechpartner für die Anwohner ist, wenn sie Probleme haben, sich engagieren oder Projekte starten wollen.

Klamöttchen und KiReLi

Eine Gruppe aber fehlt derzeit fast vollständig im KiJuNa: die Jugendlichen. Grund ist das Feuer im Klamöttchen. In der Silvesternacht hatten Unbekannte gezielt Knaller auf den kleinen Kleidungsshop geworfen. Das Klamöttchen, in dem Besucher Kleidung tauschen oder für kleines Geld kaufen konnten, brannte aus. Veronika Mampel merkt man immer noch an, wie sehr sie der Brandanschlag mitgenommen hat. Sie sei wütend, auch weil sie sich machtlos fühle. „Die Jugendlichen ziehen sich zurück, wollen nicht befragt werden“, sagt sie.

Wie sehr das Klamöttchen Teil des Kiezlebens geworden ist, zeigte die Anteilnahme nach dem Feuer. Kinder und auch einige Jugendliche seien bewusst ins KiJuNa gekommen, um sich von der Tat zu distanzieren, so Thomas Mampel. Besucher fragten, ob das Klamöttchen wieder aufgebaut wird. Mittlerweile ist es wiederhergestellt und hat auch wieder geöffnet.

Eine andere feste Größe im KiJuNa ist das Kinderrestaurant Lichterfelde, KiReLi. Seit sechs Jahren können dort Kinder und Eltern für einen beziehungsweise 1,50 Euro Mittag essen. Das jüngste Kind ist ein Jahr alt, das älteste 17 Jahre. Finanziert wird das KiReLi aus Spenden – die aber leider nicht ausreichen –, vom Stadtteilzentrum Steglitz und durch den Beitrag der Eltern. Dass es so wenig Spenden für das KiReLi gibt, liege auch daran, dass man die Bedürftigkeit der Kinder nicht in den Mittelpunkt stelle. „Wir sind keine Suppenküche. Wir wollen die Kinder nicht vorführen“, betont Veronika Mampel. Zudem sei „Bedürftigkeit“ nicht immer eine Frage des Geldbeutels.

Es gehe dem KiJuNa auch nicht darum, auf die Defizite zu schauen, sondern auf das, was die Kinder mitbringen. In ihnen ein Feuer zu entzünden, das betrachtet Veronika Mampel als ihre wichtigste Aufgabe. Zu schauen, wo das besondere Talent, die besondere Fähigkeit jedes einzelnen liegt. Deshalb konzentriere man sich sehr auf Sport und Musik, aber auch andere Formen der Bildung kommen nicht zu kurz, etwa bei den Ferienangeboten. Derzeit geht es in 30 Tagen um die Welt.

Die Kinder können über ihr Programm oder Anschaffungen sogar mitbestimmen, bei der Vollversammlung.

Neue Herausforderungen

Auch wenn in den vergangenen zehn Jahren viel passiert ist – Ausruhen auf dem Erreichten geht nicht. „Das Haus muss lebendig bleiben“, sagt Veronika Mampel. Und vor allem muss es sich verändern. „Das Freizeitverhalten hat sich dramatisch verändert“, betont Thomas Mampel. Darauf müssten die Jugendfreizeiteinrichtungen reagieren. Die Kinder und Jugendlichen verbringen heute viel mehr Zeit in der Schule, die zunehmend auf Ganztagsbetreuung ausgelegt ist. Das bisschen Freizeit, das es noch gibt, verbringen die Jugendlichen oft in sozialen Netzwerken.

„Die Kinder und Jugendlichen sind überfordert. Es gibt eine Fülle an Möglichkeiten, aber weniger Zeit“. Darauf müssten sich die Jugendfreizeiteinrichtung einstellen, unter anderem durch verbindliche Kooperationen mit Schulen. Das KiJuNa hat damit schon begonnen, arbeitet unter anderem mit der Giesensdorfer Schule zusammen. Man müsse die Schranken zwischen den Schulen und den Jugendfreizeiteinrichtungen einreißen oder zumindest durchlässig machen, davon ist Mampel überzeugt. Steglitz-Zehlendorf sei da schon weit, findet er und verweist auf das Projekt „Sozialraumbudgetierung“. Das soll modellhaft in Lankwitz und Lichterfelde getestet werden. Schule und Jugendhilfe arbeiten dabei eng zusammen, um Angebote zu schaffen, bevor Probleme auftauchen. Die Jugendfreizeiteinrichtung soll dabei eine zentrale Anlaufstelle sein.

Große Aufgaben also für die nächsten zehn Jahre. Doch bevor die anbrechen, wird gefeiert. „Knallbunt am Stadtrand“ heißt es am 23. August von 16 Uhr an der Scheelestraße 145 – Ende offen. Mit Musik und Tanz und jede Menge Aktionen zum Zuschauen und Mitmachen wird das KiJuNa mit allen Kindern, Jugendlichen, Mitarbeitern, Eltern und Nachbarn das Jubiläum begehen.

(go)