Wut-Woche KiJuNa

Tara (links) und Talia sind wütend und machten das deutlich, etwa an der Wutwand. Foto: Gogol

„Ich bin stinkwütend. Ich finde das einfach respektlos.“ Dass in der Silvesternacht Jugendliche Silvesterknaller auf das Kinder-, Jugend- und Nachbarschaftshaus (KiJuNa) warfen und dadurch ein Feuer verursachten, sorgt im Kiez noch immer für Aufregung. So auch bei Jasmin Meyer. Die Mutter von drei Kinder kann einfach nicht verstehen, warum jemand so etwas tut. Das KiJuNa sei für sie wie eine zweite Familie. „Es gehört einfach zum Leben dazu. Hier ist jeder willkommen“, sagt sie. Seit 2008 kommt Meyer regelmäßig ins Haus an der Scheelestraße 145, ihre Tochter besucht den Schülerclub und verschiedene Arbeitsgemeinschaften. Nun sind auch beide in der Wut-Woche dabei, mit der das KiJuNa auf die Ereignisse der Silvesternacht reagiert. Meyer findet das gut, dass die Einrichtung nicht einfach so wieder zur Tagesordnung übergeht.

Auch Djamila Mildner ist zur Wut-Woche gekommen. Sie wohnt mit ihrer Familie erst seit Kurzem in Berlin und findet es erschreckend, ja geradezu beängstigend, da der Kiez eigentlich sehr familienfreundlich ist. Sie ist fast jeden Tag im KiJuNa, erzählt Mildner, ihre Tochter isst dort zu Mittag und besucht die Tanz-AG. „Ich bin sehr froh, dass es das Haus gibt“. Es sei hier eine große Gemeinschaft, jeder helfe jedem, bestätigen beide Mütter. Umso größer ist die Wut und Enttäuschung, dass gerade dieses Haus Ziel der Attacke wurde.

Kristoffer Baumann, Projektleiter des KiJuNa, war noch in der Silvesternacht vor Ort, erlebte den Rest der Löscharbeiten und ist immer noch ein wenig sprachlos. Diesen Gefühlen der Wut, der Ohnmacht, der Hilflosigkeit, die alle im Haus befielen, wollte man in der ersten Woche im neuen Jahr begegnen, erzählt er.

„Zeigt Euch“

Am ersten Tag besuchten die Kinder und Eltern zusammen mit den Mitarbeitern die rußgeschwärzten Räume, in denen es immer noch verbrannt riecht. Das sei zwar einerseits spannend gewesen für die Kinder, sie haben sich aber auch sehr betroffen gezeigt, ein Mädchen habe sogar geweint, berichtet Baumann. Ihren Gefühlen gaben die Teilnehmer auf verschiedene Weise Ausdruck. Es wurde geredet und über mögliche Gründe spekuliert, es entstand eine Wutwand mit Plakaten. Mit einigen dieser Plakate zogen Mitarbeiter, Kinder und Eltern durch ihren Kiez und forderten die Täter auf, sich zu zeigen. Denn noch immer steht nicht fest, wer das Feuer verursacht hat. Zudem entsteht ein Rap-Song. Mit Hilfe von Steven El-Saadi schreiben die Teilnehmer Songtexte und nehmen diese auf. Entstehen soll ein Video mit Bildern von der Projektwoche, das dann auf YouTube verbreitet werden soll.

Die Projektwoche helfe auch ihm, gesteht Baumann. Die mutwillige Zerstörung – nicht nur das Klamöttchen und weitere Räume im Keller sind nicht nutzbar, auch Räume in der ersten Etage sind aus Sicherheitsgründen gesperrt – das konnte er nicht verarbeiten. Aber die Kinder hätten ihm deutlich gemacht, dass er damit nicht alleine steht. Das Ausmaß der Anteilnahme, die hätten ihm geholfen, damit klar zukommen, so Baumann.

„Ich finde es schlimm, dass Jugendliche das Haus angezündet haben“, sagt auch der zwölfjährige Florian. Seine Wut packt er mit in den Rap-Song. Auch bei der kleinen Demonstration sei er mitgelaufen, erzählt er. Er komme oft ins KiJuNa, um Billard oder Computer zu spielen. „Ich bin gerne hier“, sagt Florian.

Wie geht es weiter?

Viel Spaß hatten bisher auch Tara und Talia. Die beiden Schwestern kommen fast täglich ins KiJuNa – sie erledigen ihre Hausaufgaben dort, essen zu Mittag, spielen Billard und Mädchenfußball, lernen tanzen und Gitarre spielen. „Ich bin traurig und wütend, auf die, die das gemacht haben“, sagt die zwölfjährige Tara. Die Gründe dafür kennen beide Mädchen nicht, vielleicht eine Mutprobe oder die Täter waren sauer auf jemanden im Haus, vermuten sie.

Veronika Mampel vom Verein Stadtteilzentrum Steglitz sieht man die Fassungslosigkeit und vor allem Enttäuschung darüber, dass Jugendliche aus dem Kiez hier Feuer gelegt haben, noch immer an. Wie es weitergehen soll, weiß sie noch nicht. Eine erste Reaktion: Sie habe keine Lust mehr, das Klamöttchen wieder aufzubauen, erzählt sie. Doch die Eltern seien bereit dazu – und die Kinder sowieso. Wütend sei sie, dass es hier eine Handvoll Jugendliche gibt, „die zerstören, ohne Grund, ohne Mitleid“. Zur Wut-Woche kamen auch keine Jugendlichen. Die wollen sich damit nicht auseinandersetzen, vermutet Mampel, die hofft, dass die Täter bald geschnappt werden. Erst Hinweise gebe es. Doch es sei schwer, den Ehrenkodex unter Jugendlichen, dass man sich nicht verpfeift, zu durchbrechen. Doch hier gelte es zu zeigen: So geht es nicht.

Am heutige Freitag, 11. November, ist der letzte Tag der Wut-Woche. Wer mitmachen will, ist von 12 bis 18 Uhr im KiJuNa, Scheelestraße 145, gern gesehen. Zudem werden die Ergebnisse der Woche vorgestellt.

(go)