Das StraßenABC führt zur Spanischen Allee. Fotos: Gogol

Hinter manchem Straßennamen versteckt sich mehr, als man zunächst vermutet. So wurde die Spanische Allee, die bis 1939 noch Wannseestraße hieß, nicht nur einfach nach einem schönen europäischen Land benannt, sondern erinnert an den Spanischen Bürgerkrieg.

Umbenannt wurde die Straße von den Nationalsozialisten „anläßlich des Einzuges der aus Spanien zurückkehrenden deutschen Freiwilligen“. Gemeint war damit die Legion Condor, eine verdeckt operierende Einheit der Deutschen Wehrmacht im Spanischen Bürgerkrieg. Ab 1936 waren etwa 5.500 Mann im Einsatz, um die Putschisten um General Francisco Franco im Kampf gegen die Spanische Republik zu unterstützen. Die Legion, deren Existenz vor der deutschen Bevölkerung bis 1939 geheim gehalten wurde, führte massive Luftangriffe gegen die Zivilbevölkerung durch. Bekannt wurde sie vor allem für die völkerrechtswidrige Bombardierung und Zerstörung der Stadt Guernica 1937. Sie wurde zu einem Symbol für das Grauen des Krieges. Pablo Picasso entwarf nach Bekanntwerden der Zerstörung sein Monumentalgemälde „Guernica“. Und so verwundert auch nicht, dass es an der Spanischen Allee einen Platz gibt, der den Namen Guernica trägt. Eine Tafel erklärt zudem die historischen Hintergründe.

Die Spanische Allee ist eine Hauptstraße mit regionaler Bedeutung, sie führt von der Potsdamer Chaussee bis zum Kronprinzessinnenweg. Dort geht sie in den Wannseebadweg über. Die Allee stellt die Grenze zwischen den beiden Villenkolonien Nikolassee und Schlachtensee dar.

Mitte des 19. Jahrhunderts siedelten sich in Zehlendorf private Sanatorien und Kurkliniken für psychosomatisch Erkrankte an. So eröffnete 1895 auf dem heutigen Grundstück der Spanischen Allee 10/14 ein „Erholungsheim für Reconvalescenten“. 1904 bis 05 errichtete das Sanatorium Schlachtensee auf dem Grundstück 10/12 einen Neubau aus Backstein. Heute befindet sich auf dem gesamten Gelände das Evangelische Krankenhaus „Hubertus“. 1931 übernahm der Verein zur Errichtung Evangelischer Krankenhäuser, der heute Paul Gerhardt Diakonie heißt, das Haus sowie auch das Kurhaus „Hubertus“ an der Kurstraße.

An der Spanischen Allee begann der Wohnungsbau erst recht spät, nach 1905. Eines der ersten Häuser war die Villa de Ray, Hausnummer 104. Sie wurde 1905 von der Heimstätten Aktiengesellschaft (HAG) als Musterhaus nach Entwurf von Gustav Jänicke entworfen und erbaut. Allerdings ist die Villa nicht auf der Denkmalliste des Landes Berlin zu finden. Anders als das Haus mit der Nummer 110, das 1924/25 vom Architekten Otto Rudolf Salvisberg für den Kaufmann Konrad Bolle entworfen wurde, und das Doppelwohnhaus mit der Nummer 102/102a, das 1936/37 von Alfred Roth und Hans Hartmann errichtet wurde. 1962 widmete das Magazin „Schöner Wohnen“ letzterem sogar eine eigene Fotostrecke. Ebenfalls unter Denkmalschutz steht das 1914 bis 1916 von der HAG entworfene, gebaute und schlüsselfertig zum Kauf angebotene Wohnhaus mit der Nummer 88. Es ist ein wichtiges Beispiel für die Art von Häusern, die die HAG zu dieser Zeit offerierte.

Die Häuser Spanische Allee 18/70 gehören zur Siedlung Schlachtensee I, die 1923-24 von der Wohnstättengesellschaft errichtet wurden. Die 75 Wohnungen in Ein- und Mehrfamilienhäusern waren für Beamte und Angestellte des Deutschen Reiches gebaut worden. Die Siedlung gilt als eines der ersten größeren Siedlungsprojekte zur Linderung der Wohnungsnot in Berlin. Fünf Jahre Später folgte die Siedlung Schlachtensee II mit den Häusern Spanische Allee 43/53. Die Mietshäuser wurden vom Baubüro der Reichsbank entworfen und umgesetzt. Beide Wohnsiedlungen stehen unter Denkmalschutz.

Neben der zahlreichen Wohnbebauung entlang der Allee gibt es aber auch eine kleine, grüne Insel zu entdecken. Die Rehwiese, früher auch Kuhfenn oder Franzosenwiese genannt, ist eine knapp eineinhalb Kilometer lange, schmale Niederung, die bis zum Nikolassee führt. Sie erhielt ihren Namen von den Rehen, die dort vor dem Anlegen der Kolonie Nikolassee ästen. Seit 1960 ist die Rehwiese Landschaftsschutzgebiet. Aus zwölf Brunnen fördern die Berliner Wasserbetriebe aus der Rehwiese jährlich drei Millionen Kubikmeter Wasser.

Kurz bevor die Spanische Allee am Kronprinzessinnenweg endet, kreuzt sie die Bundesautobahn 115. Die Spanische Allee ist seit den 1930er Jahren auch Ein- und Ausfahrt zur Automobil-Verkehrs- und Übungs-Straße (Avus), dem nördlichen Teil der A 115.

1909 begannen die Arbeiten an Europas erster ausschließlicher Autostraße. Die Strecke war ursprünglich eine zehn Kilometer lange Privatstraße und endete in zwei Schleifen. Unterbrochen durch den Ersten Weltkrieg wurde die Strecke erst 1921 fertiggestellt und übergeben. Schon beim Eröffnungsrennen zeigten sich Defizite beim Straßenbelag. Beim ersten Großen Preis von Deutschland 1926 kamen vier Fahrer ums Leben.

Bis zu 300.000 Besucher zogen die großen Rennen in den 1920er Jahren an die Rennstrecke, die auch für Rekordversuche genutzt wurde. So wie 1928, als Fritz von Opel den raketengetriebenen Opel RAK2 auf mehr als 230 Kilometer pro Stunde beschleunigte. Während der Olympischen Spiele 1936 fand auf der Strecke sogar der Marathonlauf statt. Nach spektakulären Unfällen beim Großen Preis von Deutschland 1956 endete die Zeit der Grand Prix auf der Avus. 1967 wurde die überhöhte Nordkurve abgetragen.

In den 1990er Jahren fanden Rennen mit Tourenwagen und Nachwuchs-Formelwagen statt. Das letzte Rennen wurde 1999 ausgetragen. Am 1. Mai1999 wurde die Avus mit einer großen Abschlussparty als Rennstrecke geschlossen.

Die Überfahrt über die Avus an der Spanischen Allee wird „Spinnerbrücke“ genannt. Warum die Überfahrt so heißt, dafür gibt es zwei Erklärungen. Erstens: Weil sie zum Treffpunkt der von Anwohnern als „Spinner“ bezeichneten Motorrad-Freaks geworden ist. Zweitens: Weil nach der Errichtung der Avus dort viele „Technik-Spinner“ sich stundenlang die fahrenden Autos und Motorräder anschauten. Im Sommer wird die Brücke – und das gleichnamige Lokal – von zahlreichen Motorradfahrern und -fans angesteuert.

(go)