BVV Steglitz-Zehlendorf (Archivbild) Foto: Baumann

 

Felix Wolf, Bezirksverordneter der AfD in der BVV Steglitz-Zehlendorf, hat seine Fraktion aus bisher unbekannten Gründen verlassen. Auf der anderen Seite steht ein spektakulärer „Wiedereintritt“: Andreas Wild sieht sich wieder als Mitglied der Partei und suggeriert, der Bezirksvorstand stünde hinter ihm.

„Die AfD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung von Steglitz-Zehlendorf hat sich zum 1. Mai 2024 aufgelöst“, teilt der AfD-Bezirksverordnete Peer Döhnert am 3. Mai mit. „Der AfD-Bezirksverordnete Felix Wolf verließ die Fraktion“, heißt es weiter, eine Begründung für diesen Schritt wird nicht mitgeteilt. Eine Nachfrage der Stadtrand-Nachrichten dazu blieb unbeantwortet.

Offenbar möchte Wolf sein Mandat behalten, wie aus der Presseinformation hervorgeht. Für die kleine AfD-Fraktion mit insgesamt drei Mitgliedern hat das schmerzhafte Folgen. „Mindestens drei Bezirksverordnete, die derselben Partei oder Wählergemeinschaft angehören oder auf demselben Wahlvorschlag gewählt worden sind, bilden eine Fraktion“. So steht es in der Geschäftsordnung der BVV – zwei sind also einer zu wenig.

In der Praxis bedeutet der Verlust des Fraktionsstatus: keine weitere Mitgliedschaft im Ältestenrat, Verlust von Ausschussvorsitzen, Verlust des Stimmrechtes in allen Ausschüssen, keine Sach- und Personalmittel mehr.

„Das tut richtig weh“, sagt Dennis Egginger-Gonzales von den Linken. Seine Partei ist seit den letzten Wahlen von Fraktions- auf Gruppengröße geschrumpft. „Man wird recht machtlos.“ Vor allem der Verlust der Mitarbeiter sei schmerzhaft gewesen, „die nehmen einem richtig Arbeit ab“.

Quo vadis Fraktionslose?

Mit einem Schlag hat sich die Zahl der Fraktionslosen im Bezirksparlament von zwei (der Linken) auf fünf erhöht. Bei 54 Verordneten betrifft das knapp ein Zehntel aller Mandate. „Damit wird man irgendwie umgehen müssen“, gibt Mathia Specht-Habbel von der FDP zu bedenken.

Alexander Kräß (Grüne) ergänzt, dass es mit den fraktionslosen Linken einen Kompromiss über eine Raumnutzung gebe, der eigentlich nur Fraktionen zustehe. Auch Beiträge in der Bezirks-Publikation „Gazette“ dürften die Linken-Verordneten platzieren. Nun müsse es darum gehen, alle gleich zu behandeln, so Kräß.

Auch über einen Gruppenstatus wurde offenbar bereits nachgedacht, sagt Kräß, allerdings ergebnislos. Bisher sieht die Geschäftsordnung einen derartigen Sonderstatus für weniger als drei Parteienvertreter nicht vor.

„In anderen Bezirken gibt es das durchaus“, sagt Dennis Egginger-Gonzales, so habe beispielsweise die AfD in Kreuzberg einen Gruppenstatus. Nach diesen Vorbildern könnte man beispielsweise den fraktionslosen Kommunalpolitikern einen Platz im Ältestenrat einräumen, damit sie informiert bleiben, schlägt Egginger-Gonzales vor. Auch ein Antragsrecht in allen Ausschüssen sei hilfreich.

Felix Wolf – who is?

Ein einzelner AfD-Politiker hat also ein kleines Erdbeben ausgelöst und seiner Partei massiven Schaden zugefügt. Auf die Frage, wie sie ihren Parlamentskollegen Felix Wolf wahrgenommen haben, antworten alle Fraktionsvorsitzenden, mit denen wir sprechen konnten, ähnlich: unauffällig. „Ich kann mich nicht erinnern, dass er in der BVV etwas gesagt hätte“, sagt Mathia Specht-Habbel. Carolyn Macmillan (SPD) und beschreibt Wolf als „gemäßigt“, doch das sei Strategie der gesamten Fraktion gewesen. „Ein ruhiger Mensch, der sich selten zu Wort meldet“, sagt Dennis Egginger-Gonzales, „aber inhaltlich radikal mit einem geschlossen rechten Weltbild.“

Felix Wolf ist 1981 geboren, wie es am 3. Mai noch auf der Seite der AfD-Fraktion Steglitz-Zehlendorf nachzulesen war. „Er hat für unser Land als Panzergrenadier gedient und eine Ausbildung als Physiotherapeut abgeschlossen. 2015 ist er der AfD beigetreten“, heißt es dort.

Einer Parteibroschüre aus dem Jahr 2018 sind seine Motive zu entnehmen, in die AfD einzutreten. „Mißstände“, „Wiederherstellung des Rechtsstaats“, und: „Die illegale Massenflutung des Landes mit Migranten im Jahre 2015/16 und die noch weiterlaufende, bis heute desaströse „Politik der offenen Grenzen“ sind ein weiterer Grund, welcher veranlasste mich dauerhaft bei der AfD parteipolitisch zu engagieren.“ Typischer AfD-Sound, absolut unspektakulär.

Es ist uns nicht gelungen, mit Felix Wolf persönlich Kontakt aufzunehmen. Die Bitte um Kontaktvermittlung per Mail an Peer Döhnert bzw die AfD-Fraktion blieb ohne Antwort.

Warum kommt der Rücktritt gerade jetzt?

Mit Blick auf den AfD Bezirksvorstand, dem Felix Wolf als Beisitzer angehört, sind parteiinterne Konflikte nicht unwahrscheinlich. Würde Wolf seinen Platz in der BVV räumen, könnte Beate Prömm nachrücken. Lehnte sie ab, wäre Matthias Pawlik der nächste auf der Liste. Beide sind stellvertretende Bezirksvorstände. Mit einem Festhalten an seinem Mandat versperrt Wolf seinen Vorstandskollegen den Weg ins Bezirksparlament.

Vorsitzender des Parteivorstands ist Volker Graffstädt, er ist gleichzeitig auch Mitglied der BVV-Fraktion. Mit einer „Wiederaufnahme“ Wilds in die Partei will er nichts zu tun haben. Wild war 2017 aus der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus ausgeschlossen worden, 2021 aus der Partei. Das Bundesschiedsgericht bestätigte den Rauswurf im März 2023. Seither betreibt der parteilose Rechtsaußen die „Staatsreparatur“ am Jungfernstieg, einen Verein mit Verbindungen in die rechtsextreme Szene. Zur AfD gibt es weiter inhaltliche, personelle und räumliche Schnittmengen.

Unlängst begrüßte Wild in der Parteipostille „Trend“ die interessierte Leserschaft „als Parteimitglied des Bezirksverbandes von Steglitz-Zehlendorf“. Für die einleitenden Worte habe ihm „der Bezirksvorsitzende“ den Vortritt gelassen.

In diesem Vorwort erwähnt Wild die Rücknahme des Parteiausschlusses der schleswig-holsteinischen AfD-Politikerin von Doris von Sayn-Wittgenstein. Beide verbindet die Nähe zu Rechtsextremisten. Wegen eines formalen Fehlers im Ausschlussverfahren hatte das Landgericht Berlin im April 2021 ihren Ausschluss für unwirksam erklärt. Die Bundespartei hat Ende Februar diesen Jahres die Berufung wegen mangelnder Erfolgsaussichten zurückgezogen. Sayn-Wittgenstein ist nun wieder Mitglied der AfD.

„In meinem Parteiausschlußverfahren lagen die Dinge ebenso. Auch bei mir wurde die mündliche Verhandlung in der Rechtsmittelinstanz verweigert“, schreibt Andreas Wild nun in der März-Ausgabe von „Trend“. Was für Sayn-Wittgenstein gilt, nimmt er für sich ebenso in Anspruch. Er sieht sich nun wieder als Mitglied der Partei.

Juristisch haltbar ist das nicht. Wild müsste Rechtsmittel einlegen und seinen Fall in einem eigenen Verfahren klären lassen. Andreas Wild nimmt es offenbar mit den Regeln nicht so genau, und in der Vergangenheit hatte er den Bezirksvorstand der AfD Steglitz-Zehlendorf an seiner Seite. 2021 war Wild aus der Partei ausgeschlossen worden, dennoch wählte die Südwest-AfD ihn im Sommer 2022 in ihren Vorstand.

Dazu passt, dass in der erwähnten „Trend“-Ausgabe die ehemalige AfD Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann aus dem Kreisverband Steglitz-Zehlendorf als „politisch Inhaftierte“ bezeichnet wird. Die ehemalige Richterin sitzt seit Dezember 2022 in Untersuchungshaft und muss sich in diesen Tagen wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor Gericht verantworten. Nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft sollen Mitglieder eines Reichsbürger-Netzwerks geplant haben, die staatliche Ordnung in Deutschland erst gewaltsam zu stürzen und dann durch eine eigene Staatsform zu ersetzen. Malsack-Winkemann soll als Justizministerin unter dem Staatsoberhaupt Heinrich XIII. Prinz Reuß vorgesehen gewesen sein.

Wollte man die Partei mit ihrem schwierigen Verhältnis zum Rechtsstaat schwächen, wäre die Atomisierung ihrer kommunalpolitischen Fraktion ein Hebel. Ob Felix Wolf das im Sinn hat, ist völlig unklar. In der Südwest-AfD scheint jedoch gerade ein Machtkampf stattzufinden, der interessant zu werden verspricht.

Daniela von Treuenfels

 

redaktioneller Hinweis:

Volker Graffstädt, Bezirksvorsitzender der AfD Steglitz-Zehlendorf, widerspricht den Aussagen von Andreas Wild. Dieser sei kein Parteimitglied. Wir haben die entsprechenden Textstellen präzisiert.

Die Ausgaben des im Text erwähnten Magazins „Trend“ der AfD Steglitz-Zehlendorf werden auf den Seiten der „Staatsreparatur“ veröffentlicht. Dort sind sie derzeit nicht direkt auffindbar. Interessierte nutzen diesen Link: https://staatsreparatur.de/author/adminwild/