Michael Karnetzki führt die SPD Steglitz-Zehlendorf als Spitzenkandidat in die Wahl zur BVV. Foto: Joachim Gern

Michael Karnetzki führt die SPD Steglitz-Zehlendorf als Spitzenkandidat in die Wahl zur BVV. Foto: Joachim Gern

Heute in zwei Wochen, am 18. September, findet in Berlin nicht nur die Wahl zum Abgeordnetenhaus statt, sondern auch die Bezirksverordnetenversammlungen werden neu gewählt. In Steglitz-Zehlendorf wollen acht Parteien in das Bezirksparlament einziehen. Die StadtrandNachrichten stellen ab heute in einer Serie täglich die Parteien und ihre Spitzenkandidaten vor. Allerdings haben  nicht alle unsere unsere Fragen beantwortet. Wir beginnen unsere Serie mit der SPD und ihrem Spitzenkandidaten Michael Karnetzki.

Der 53-Jährige Karnetzki war von 2006 bis 2012 Vorsitzender der SPD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung, seit 2012 ist er Bezirksstadtrat für Immobilien und Verkehr und stellvertretender Bezirksbürgermeister.

„Herr Karnetzki ist an allem schuld“ – so fasste Eric Lüders von den Piraten in dieser Legislatur die Angriffe von CDU und Grünen gegen Sie zusammen. Woran sind/waren Sie denn Ihrer Meinung nach „schuld“ in den vergangenen fünf Jahren?

Karnetzki: Diese Frage müssen Sie CDU und Grüne stellen. Wenn ich daran „schuld“ sein soll, dass wir trotz einer zeitweilig schwierigen personellen Situation von Jahr zu Jahr mehr Geld in die Schulen baulich investiert haben (in den letzten drei Jahren jeweils mehr als 20 Millionen Euro pro Jahr), dann übernehme ich die „Schuld“ gerne. Wenn die Schuld sich jedoch darauf beziehen sollte, dass mir nicht genug Geld für die lange bekannten Sanierungsbedarfe zur Verfügung gestellt wurden und dass ich in fünf Jahren nicht die Versäumnisse von über 20 Jahren CDU-geführter Bezirksämter bei der Schulsanierung wieder gut machen kann, dann ist die Verantwortung wohl eher woanders zu suchen.

Wenn ich mich für klare rechtstaatliche Entscheidungen des Ordnungsamtes eingesetzt und mich gegen rechtswidrige Entscheidungen (beispielsweise zum Hundeverbot am Schlachtensee) gewehrt habe, dann übernehme ich auch dafür die „Schuld“ gerne. Allerdings hatte das zur Folge, dass nicht jeder seine Wünsche, z.B. hinsichtlich der speziellen Parkregelung in seiner Straße erfüllt bekommen konnte. Und auch eine Schuld dafür, dass sich leider viele Menschen im öffentlichen Raum manchmal nicht mit der nötigen Rücksichtnahme bewegen und das dann nicht immer alleine mit den Mitteln des Ordnungsamtes gelöst werden kann, sehe ich bei mir nicht.

Richtig ist wohl, dass die Ressortaufteilung, die die schwarz-grüne Bezirksamtsmehrheit zu Beginn der Wahlperiode vorgenommen hatte, von vorne herein dazu dienen sollte, möglichst die unangenehmen Aufgaben im Bezirksamt mir zu geben. Aber man kann sich seine Aufgaben nicht aussuchen.

Ihr Wahlprogramm steht unter den Schlagworten „solide und solidarisch – vor Ort gestalten“. Was bedeuten diese Begriffe für Sie?

Karnetzki: Solidarisch ist die Gesellschaft, ist auch der Bezirk, den ich anstrebe. Dafür steht Sozialdemokratie seit 150 Jahren. Die Menschen schauen nicht nur auf ihren eigenen Vorteil, sondern die Starken helfen den Schwachen. Und sie Schwachen tun sich zusammen, um für ihre Belange sich gemeinsam einzusetzen. Eine Grunderfahrung der Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung, aus der die SPD kommt. Für die Bezirkspolitik heißt das, für einen Bezirk zu arbeiten, in dem sich alle Menschen wohlfühlen und sich auch leisten können hier zu leben. Deshalb kämpfe ich für bezahlbaren Wohnraum. Deshalb kämpfe ich für eine gute Bildung für alle, deshalb kämpfe ich für den Ausbau der Barrierefreiheit.

Und natürlich muss solide gearbeitet werden. Politik darf keine Wunder versprechen, das Machbare aber ziel- und ergebnisorientiert umsetzen. Wer es umgekehrt macht, produziert Politikverdrossenheit.

Und „vor Ort gestalten“: Ich möchte eine Bezirkspolitik, die die Bürgerinnen und Bürger zum Mittun ermutigt. Wir brauchen Menschen, die sich einmischen.

Eines der dringendsten Probleme in der kommenden Legislatur ist das Haushaltsdefizit. Wie wollen Sie die Finanzen des Bezirks konsolidieren?

Karnetzki: Hier muss als erstes eine solide Analyse vorgenommen werden, woher die Defizite überhaupt kommen. Ein Defizit entsteht immer dann, wenn man als Bezirk weniger effektiv die Leistungen erbringt als andere Bezirke. Das wird bei der Finanzzuweisung bestraft. Diese Analyse will der Bezirk jetzt vornehmen. Leider viel zu spät und zu wenig zielgerichtet. Dazu gehört aber auch, dass das Ämter- und Ressortdenken etwas in den Hintergrund tritt und Bezirksamt und Verwaltung nach gemeinsamen Lösungen suchen.

Das neue Bezirksamt muss sich, anstatt immer nur die jeweiligen Produktbudgets an die einzelnen Abteilungen weiterzuleiten und diese dann alleine wirtschaften zu lassen, auf gemeinsame Schwerpunkte der Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger verständigen. Das heißt dann umgekehrt auch, dass möglicherweise nicht mehr alles finanziert werden kann. Hier wünsche ich mir einen offenen Diskurs im Bezirksamt – auch über die Parteigrenzen hinweg.

Sie versprechen „Gute Schulen für alle“ . Wie wollen Sie das schaffen angesichts des Sanierungsstaus von mehr als 450 Millionen Euro und wieso ist das bisher nicht gelungen?

Karnetzki: Alle Parteien versprechen auf Landesebene jetzt eine deutliche Aufstockung der Mittel für Schulbau- und Schulsanierung. Die SPD will innerhalb von zehn Jahren dafür in Berlin insgesamt 5,5 Milliarden Euro  aufbringen. Das wird eine große Anstrengung sein, insbesondere, weil wir weiterhin in der Regel während des laufenden Schulbetriebs bauen müssen. Grundlage muss allerdings eine vernünftige vorausschauende Schulentwicklungsplanung sein, damit man Bedarfe rechtzeitig kennt. Hieran mangelt es im Bezirk. Bis eine neue Schule gebaut ist, die man benötigt, braucht man vom Beginn der Planung bis zur Fertigstellung ein paar Jahre, deshalb muss man rechtzeitig anfangen.

Wenn Sie einen Schwerpunkt auf die Sanierung der Schulen legen, leiden darunter nicht andere Sanierungsmaßnahmen, wie die an öffentlichen Gebäuden oder Straßen? Wie wollen Sie das verhindern?

Karnetzki: Im Rahmen der jetzt stattgefundenen Ermittlung der Sanierungsbedarfe der Schulen hat sich auf der Landesebene endlich herumgesprochen, dass die Regelzuweisungen an die Bezirke für die bauliche Unterhaltung deutlich zu gering bemessen wurden. Diese orientieren sich an einem bestimmten Prozentsatz des sogenannten „Wiederbeschaffungswerts“ für die vorhandenen Gebäude, also des Geldes, das für die Neuerrichtung der Gebäude angesetzt werden müsste. Dieser Wert soll für die Schulen jetzt auf 1,3 Prozent erhöht werden. Richtig ist, dass im gleichen Zug auch der entsprechende Wert für die übrigen Gebäude (z.B. die Rathäuser) erhöht werden muss. Ansonsten sind die beiden Bereiche haushaltstechnisch inzwischen von einander abgeschottet, so dass ich nicht einfach Baumittel von anderen Gebäuden auf die Schulen verschieben kann. Das wäre in der Tat nur ein Verschieben des Problems, aber keine Lösung.

Im Straßenbau wünsche ich mir in den nächsten Jahren ein größeres Augenmerk auf den Zustand der Gehwege. Auch Zu Fuß Gehende haben ein Recht darauf sich sicher in der Stadt bewegen zu können.

Eines Ihrer Schwerpunktthemen ist bezahlbarer Wohnraum in Steglitz-Zehlendorf. Bezahlbar für wen? Und wie wollen sie dies durchsetzen?

Karnetzki: Bezahlbar für alle Einkommensschichten. Wer sich eine Luxuswohnung am Rande eines künstlich angelegten Privatsees wie an der Truman Plaza leisten kann, der soll das gerne tun. Aber auch Normalverdiener, Studierende, Rentner und Menschen in Hartz IV brauchen Wohnraum. Dafür müssen wir zum einen die Instrumente für die Mietpreisbegrenzung konsequent anwenden. Dazu gehört, auch in unserem Bezirk bestimmte Gebiete mit Milieuschutzsatzungen vor einer Aufwertung und Verdrängung der dort lebenden Menschen zu schützen. Daran wollte sich das Bezirksamt bislang nicht rantrauen.

Zum anderen müssen wir das Wohnungsangebot schnell erweitern. Das heißt: Auch in unserem Bezirks müssen schnell und in Größenordnungen neue Wohnungen gebaut werden. Das will ich fördern und unterstützen.

In einer Presseerklärung machten Sie kürzlich deutlich, dass ein neues Hundeverbot an Schlachtensee und Krumme Lanke mit Ihnen nicht so schnell zu machen ist. Welche Pläne haben Sie und Ihre Partei für die Uferbereiche – auch über das Hundeverbot hinaus?

Karnetzki: Die SPD hat dazu im letzten Jahr vor Ort eine große Umfrage durchgeführt und daraus Ideen für ein Gesamtkonzept entwickelt. CDU und Grüne haben es jedoch abgelehnt, über ein solches Gesamtkonzept zu sprechen. Dieses kann jedoch nicht von oben verordnet werden, sondern muss gemeinsam mit den Menschen entwickelt werden.

Oberste Aufgabe ist es, für gegenseitige Rücksichtnahme zu werben. Die verschiedenen Nutzungsbedürfnisse müssen einzeln betrachtet und können gegebenenfalls auch räumlich getrennt werden. Die Bereiche, die aus Naturschutzgründen gesperrt sind, könnten erweitert werden, dafür Badebereiche klarer gefasst werden, wobei Barierefreiheit eine wichtige Aufgabe wäre. Dazu gehört aber auch eine bessere Ausschilderung, mehr Einsatz für die Müllentsorgung und zusätzliche Toiletten.

Den Weg hier alles über willkürliche Verbote regeln zu wollen, ist gescheitert und hat die Konflikte nur verschärft, statt sie zu lösen. Hier brauchen wir ein klares Zeichen, dass das Bezirksamt verstanden hat, und keine neuen Ankündigungen.

(go)