Der Jurist und Parlamentsbeamte Hans-Joachim Berg zieht in Steglitz-Zehlendorf als Direktkandidat für die eurokritische AfD – Alternative für Deutschland – in den Bundestagswahlkampf. Der 65-Jährige leitet bis heute verschiedene Referate in der Bundestagsverwaltung. Er war unter anderem Assistent des späteren Euro-Klägers Professor Wilhelm Hankel und persönlicher Referent des CDU-Politikers Alfred Dregger.

StadtrandNachtichten: Woher müsste ich als Steglitz-Zehlendorferin Sie kennen?

Hans-Joachim Berg: Sie könnten mich kennen aus meinen sportlichen Aktivitäten, ich spiele Tennis im Verein. Ich bin aktiv bei den Johannitern, in einer der hiesigen Subkommenden. In den Steglitz-Zehlendorfer Politzirkeln bin ich noch nicht aktiv gewesen, weil ich erst mit der Gründung der AfD in die aktive Politik gegangen bin.

SN: Warum treten Sie als Direktkandidat für eine solch kleine Partei an, die kaum bekannt ist und deshalb wenige Chancen hat, gewählt zu werden?

Berg: Wenn man einer so kleinen Partei beitritt, dann weil man sehr davon überzeugt ist, dass sie die richtige Sache vertritt. Ich bin fast 40 Jahre lang Mitglied in der CDU gewesen und habe dann mit angesehen, wie die Union den – wie ich meine – verantwortungslosen Euro-Kurs verfolgt. Ich habe mich schon lange bevor es die AfD gab, mit dem Thema Euro beschäftigt. Als die AfD dann gegründet würde, habe ich mir gedacht, dass das Thema Euro so wichtig ist, dass ich da mitmachen und das unterstützen möchte, weil ich gesehen habe, dass es in der Union keine Kräfte gibt, die sich dem Thema ernsthaft widmen.

SN: Sie und ihre Partei sind nur wenig präsent. Es gibt nur wenige Plakate, meist ohne ihr Gesicht, und auch zu Kandidatenpodien werden Sie nicht eingeladen. Wie erreichen Sie denn ihre potenziellen Wähler?

Berg: Plakate von mir haben wir bewusst noch nicht aufgehängt, weil ich denke, dass es noch eine zweite optische Welle geben sollte. Das werden wir erst kurz vor der Wahl machen. Jetzt haben wir die auffälligen blauen AfD-Plakate. Wir haben in ganz Steglitz-Zehlendorf nur 1.000 Plakate zu hängen, denn das ist auch eine Geldfrage. Eine massive Geldfrage. Wir können nicht so mit Plakaten um uns werfen wie die großen Parteien. Wir sind schon froh, dass wir mit den wenigen Plakaten eine gute optische Wahrnehmbarkeit erzeugen konnten. Ansonsten konzentrieren wir uns auf den Straßenwahlkampf, wo ich mit den Bürgern ins Gespräch komme.

SN: Hauptthema der AfD ist die Abschaffung des Euro und die Auflösung des Euro-Raums. Sie kämpfen schon sehr lange dafür, waren unter anderem Assistent des Euro-Klägers Dr. Wilhelm Hankel. Warum kommen Sie jetzt noch einmal mit dem Thema. Ist es die Euro-Krise?

Berg: Verfolgt habe ich das Thema immer, weil ich ein begeisterter Europäer bin. Mein persönlicher Wahlspruch lautet ja auch „Für ein Europa der Bürger und einen Euro ohne Lügen“. Ich habe gesehen, dass der Euro, so wie er gemacht wurde – nicht so, wie er vielleicht gedacht war –, den europäischen Gedanken eher belastet und die Europäer auseinander bringt und nicht zusammen. Seit 2009, seit der Verschärfung der Finanzkrise, hat sich das so verstärkt, dass ich dachte, da muss ich jetzt versuchen, politisch dagegen zu arbeiten.

SN: Der Welthandelsindex ist aber wieder gestiegen, hat den höchsten Stand seit zwei Jahren. Mit dem Euro geht es langsam wieder bergauf. Ist es denn jetzt ein guter Zeitpunkt aus dem Euro auszusteigen? Würde dass die Rezession nicht eher wieder verschärfen?

Berg: Sie sagten es gerade: Es ist der Welthandel. Der wird aber nicht in Euro abgerechnet. Für den Welthandel brauchen wir den Euro nicht. Es ist ja nicht so, dass Deutschland, als es den Euro noch nicht gab, einen schlechten Außenhandel gemacht hat. Deutschland war früher Export-Weltmeister – ohne Euro. Die Währung ist vielleicht eine schöne Vereinfachung für den innereuropäischen Handel; ich verstehe auch jeden Bürger, der sagt, ich freue mich, wenn ich nach Spanien reise, dass ich nicht umtauschen muss. Aber das steht alles in keinem Verhältnis zu den Milliardenkosten, die das verursacht.

SN: Es gibt aber auch Wirtschaftswissenschaftler, die sagen, dass Deutschland ganz gut an der Krise verdient: Durch die niedrigen Zinsen konnten Kredite schneller abbezahlt werden, es mussten keine neuen Kredite aufgenommen werden, Anleger kamen nach Deutschland, weil es als sicher gilt. Warum sollte man aussteigen?

Berg: Es geht uns es ja in erste Linie nicht um das eigene Aussteigen, sondern darum, dass der Euro so angewendet werden, wie er in den Verträgen vereinbart wurde. Ein Kernpunkt heißt, dass die Staaten nicht füreinander ihre Schulden übernehmen. Und ob es so gut läuft? Da fällt mir immer die Geschichte von dem Gastwirt ein, der eine volle Kneipe hat, weil er permanent Freibier ausschänkt. Er freut sich und wundert sich, weil die Kneipe voll ist, weil niemand was bezahlen muss. In dem Moment, in dem er den ersten Deckel präsentiert, bleiben die Gäste weg. Also ist das ein erfolgreiches Geschäftsmodell? Ich glaube nicht.

 SN: Sie denken also, dass der Euro eigentlich gut gedacht, aber falsch umgesetzt wurde?

Berg: Die Regeln für den Euro sind richtig, sie werden nur nicht eingehalten. Das werfen wir der Bundesregierung vor. Als der Euro eingeführt wurde, wurde den Bürgern auch in den Verträgen versichert: Ihr zahlt nicht die Schulden von anderen. Genau das ist aber jetzt der Fall.

SN: Sie sagen also, würde der Euro so umgesetzt, wie festgelegt, dann könnte er bleiben. So wie es jetzt ist, wäre es aber besser, ihn aufzulösen?

Berg: So ist es. Es war bei der Einführung vielen schon klar, dass der Euro, so wie er gewollt ist, bei den unterschiedlichen Stärken der Volkswirtschaften, nicht funktionieren kann. Und sie haben Recht behalten.

SN: Sie schauen ja nicht nur auf Deutschland, sondern auch auf die verschuldeten Staaten und sagen, dass es für sie Vorteile hätte, wenn der Euro abgeschafft und wieder Nationalwährungen eingeführt würden. Dass sie durch Abwertung ihrer Währung wieder in den Handel einsteigen könnten. Aber wir haben heute ein anderes Europa, eine andere Wirtschaft als vor elf Jahren. Wie soll das so einfach gehen?

Berg: Das wird wahnsinnig schwierig. Das wird Milliarden kosten. Doch die Frage ist ja nicht, ob wir ein System haben, das umsonst ist, sondern ob wir dem schlechten Geld der vergangenen Jahre noch weiterhin das gute Geld der Steuerzahler hinterher werfen. Wir stehen nicht mehr vor der Frage einer kostenlosen Lösung, sondern wie wir den finanziellen Schaden durch diesen Euro begrenzen. Über 300 Milliarden Euro ist das Gesamtrisiko, das Deutschland eingegangen ist. Das ist schon ganz sportlich.

SN: Aber es geht doch langsam wieder aufwärts. Ist das für Sie kein gutes Signal, dass der Euro doch noch zu retten ist?

Berg: Es gibt keinen Hoffnungsschimmer am Horizont. Es gibt nur einen weniger starken Anstieg der schlechten Wirtschaftswerte. Die Verschuldung dieser Länder steigt weiter. Sie sind weiterhin Lichtjahre von den verabredeten und vorgegebenen wirtschaftlichen Zielen entfernt. In den betroffenen südeuropäischen Staaten ist die Rezession weniger stark als befürchtet. Das ist doch noch kein Fortschritt.

SN: Ein Vorwurf, den man oft gegen ihre Partei erhebt, ist der des Rechtspopulismus, weil sie auf die Nationalstaaten und die Nationalwährungen abzielen. Was entgegnen Sie da?

Berg: Da sage ich einfach: Bringen Sie einen Beleg für Rechtspopulismus, dann setze ich mich damit auseinander. Aber es gibt keinen Beleg dafür, es gibt nur den Vorwurf.

SN: Der Euro ist zwar ihr größtes Thema, aber Sie haben auch noch ein anderes, nämlich mehr Bürgerbeteiligung. Sie wünschen sich mehr Volksabstimmungen nach Schweitzer Vorbild. Warum?

Berg: Die Bundesregierung sollte einfach mal wieder mehr ihrem Volk vertrauen und nicht immer mit einem Generalverdacht gegen das argumentieren, was die breite Bevölkerungsmehrheit entscheiden möchte. Also ein größeres Vertrauen in die Bürger und in das, was die Bürger wollen – das ist das Entscheidende. Der Teufel steckt auch bei direkter Demokratie im Detail. Das heißt, wer entscheidet, wie die Fragen formuliert werden? Das ist ja schon fast die halbe Abstimmung. Man kann nicht über Politikverdrossenheit reden, dann aber sagen, du darfst nicht mitreden. In der ganzen Eurokatastrophe ist das Volk kein einziges Mal gefragt worden.

SN: Es fiel der Begriff Politikverdrossenheit. Ist mehr Bürgerbeteiligung ihr Rezept dagegen in einer Zeit, wo es schwierig ist, Menschen dazu zu bewegen, zur Wahl zu gehen?

Berg: Das bleibt schwierig. Die Ergebnisse, wo Bürgerbeteiligung möglich war, etwa bei den Direktwahlen von Bürgermeistern oder Landräten, da ist man enttäuscht, dass das längst nicht die Beteiligung gegeben hat, die man sich gewünscht hat. Direkte Demokratie ist sicherlich kein Allheilmittel gegen Politikverdrossenheit, aber es ist ein Mittel. Ich glaube, wenn die Menschen merken, dass sie zunehmend mehr gefragt werden, dass sie mitentscheiden können, was in ihrem Gemeinwesen passiert, dann fangen sie vielleicht etwas nachhaltiger an, sich mit Politik zu beschäftigen. Allerdings ist es auch ein gutes Zeichen, dass die Menschen so viel Vertrauen in die Politik haben, dass sie nicht 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche politisiert sind. Das ist auch ein gutes Zeichen für ein stabiles, politisches System.

SN: Braucht es für mehr Bürgerbeteiligung solch emotionale Themen wie den Euro?

Berg: Der Euro ist kein emotionales Thema, es ist ein extrem hart-sachliches Thema. Es wird versucht, es zu emotionalisieren, und das ist falsch. Die, die uns vorwerfen, dass wir dieses Thema aufgreifen, versuchen uns ja als emotionale Europa-Gegner zu diffamieren. Das ist ja erkennbar falsch. Sicherlich muss es Themen geben, die den Bürger bewegen. Es herrscht in unserer politischen Kultur ein zu großer Konsens, bestimmte Themen nicht aufkommen lassen zu wollen, dazu gehört der Euro. Dabei wird daraus reale Politik. Um es mal ganz plakativ zu sagen: Wenn sie Milliarden für die Eurorettung ausgeben, haben sie keine Milliarden für den Straßenbau. Da hört dann das Wegschauen auf.

(sn)