Am Samstag protestierten 1500 Menschen vor dem Haus Jungfernstieg 4b, dem Sitz des Vereins „Staatsreperatur“ und des Büros der AfD Steglitz-Zehlendorf | Foto: Daniela von Treuenfels

 

Friedlich aber teils lautstark protestierten am 17. Februar rund 1500 Menschen (eigene Schätzung) in Lichterfelde Ost gegen eine Veranstaltung eines rechtsextremen Vereins, der sich „Staatsreparatur“ nennt. 

Der Verein (eingetragen und damit steuerbegünstigt) gehört zum Netzwerk der Neuen Rechten, das sich im Berliner (Süd-)Westen und in Potsdam angesiedelt hat. Sitz des Vereins ist am Jungfernstieg 4b, die Räumlichkeiten waren ursprünglich das Abgeordnetenbüro des AfD-Parlamentariers Andreas Wild. 2021 wurde Wild, Anhänger des „Abstammungsprinzips“ und Fan von Flüchtlingslagern „aus Bauholz“ (Wikipedia), aus der Partei ausgeschlossen. Die Nähe zur Partei blieb allerdings bestehen. Das AfD-Büro und die „Staatsreparatur“ befinden sich im gleichen Gebäude in nebeneinander liegenden Ladenlokalen.

Nach Veranstaltungen wie „Preußenseminar“, „Filmclub-Reihe 1. Weltkrieg“ oder „Singekreis Staatsreparatur Deutsches Liedgut mit Gitarrenbegleitung“ war nun also ein „Talk mit Prömm“ zum Thema „Remigration“ angekündigt. „Zu Gast: André Poggenburg“.

 

Nach Beginn der Veranstaltung wurden die Rolläden heruntergelassen. Polizisten schützten den Vortrag des Rechtsextremisten André Poggenburg. | Foto: Daniela von Treuenfels

 

Beate Prömm ist stellvertretende Vorsitzende der AfD Steglitz-Zehlendorf. Sie und ihre Partei distanzieren sich nun von dem Event und dem Gastredner, wie der Tagesspiegel berichtet. Offizielle Begründung: Poggenburgs Auftritt bei einer rechtsextremistischen „Aschermittwoch“-Veranstaltung im thüringischen Ronneburg. Laut einem Bericht  von Zeit online „kam dort eine Mischung aus Reichsbürgern, Anhängern der rechten Kleinpartei Freie Sachsen und anderen Rechtsextremisten zusammen.“ Poggenburg, so heißt es bei Zeit online, „wünscht sich in seiner Rede ein Ende der Ampelregierung, „notfalls auch ein Ende mit Knall und Rauch“. Er erinnert an die Pandemiezeit und anderes vermeintliches Leid am Volk. „Wenn wir all das wirklich mal verurteilen und sühnen wollen, dann brauchen wir jede Menge gut funktionierende Volksgerichte und Arbeitslager““.

Ob die Distanzierung der Berliner AfD von Poggenburg und anderen Rechtsextremisten mit ihren offen geäußerten Umsturzphantasien ernst zu nehmen ist, sei dahingestellt. Fakt ist: Die Partei profitiert von den radikalen Rechten. Das wurde zuletzt bei der Wiederholungswahl zum Deutschen Bundestag deutlich. Die des Terrorismus Verdächtige derzeit inhaftierte AfD-Politikerin Birgit Malsack-Winkemann erzielte 9.277 Stimmen, 0.2 Prozent mehr als bei der Wahl im Jahr 2021. Und das obwohl sie seit 2022 in Untersuchungshaft sitzt. Der Vorwurf: Mitgliedschaft und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung mit dem Ziel, das politische System in Deutschland zu stürzen. Innerhalb der Gruppe der Verschwörer um den Unternehmer Heinrich XIII. Prinz Reuß soll Malsack-Winkemann als zukünftige Justizministerin vorgesehen gewesen sein.

 

Foto: dt

 

Die Juristin ist nach wie vor Mitglied der AfD. Wie die Tagesschau berichtet, hält sie noch immer Kontakt zu ihren Partei- und ehemaligen Fraktionskollegen. Die Gefängnisbesuche seien laut einem Fraktionssprecher „persönlicher Natur“.

Dass Rechtsextreme immer offener und radikaler auftreten und gleichzeitig immer deutlicher wird, dass die AfD ihr parlamentarischer Arm ist, treibt auch die Demonstranten in Lichterfelde um. Sind die Wähler der Rechtsextremen unwissend oder befürworten sie tatsächlich die Abschaffung der Demokratie? Dass eher weniger Privilegierte die AfD wählen, ist gut erforscht, und dass die Ziele der Partei sich eigentlich gegen ihre Anhängerschaft richten, ist bekannt. „Man darf die Leute nicht verurteilen“, sagt eine Demonstrantin, wir müssen mit ihnen ins Gespräch gehen. Man muss sich die Wahlergebnisse in den Wahlkreisen sehr genau ansehen und gezielt dort hingehen, wo viele AfD-Wähler leben. Auch wenn das anstrengend ist.“

 

Foto: dt

 

1500 Protestierende freuen sich, dass sie mehr sind als die Angemeldeten 100. „Wir sind mehr, Wir sind die Brandmauer, Ganz Berlin hasst die AfD“ – die Sprechchöre gehören mittlerweile zum eingeübten Repertoire solcher Veranstaltungen. Die Omas gegen Rechts swingen zur Musik, ihre Pappschilder tanzen in der Luft. Kinder tragen ihre lustigen Statements spazieren. Ein kleiner „schwarzer Block“ ist da, wahrscheinlich zum ersten Mal in Lichterfelde. Die SPD, die zur Demo aufgerufen hat, zeigt sich mit Sonnenschirm; die Grünen stehen mit ihrem Banner an der Kreuzung. Die Linke hat ebenfalls zum Protest aufgerufen. Die Stimmung ist fröhlich, auch wenn Teilnehmer der „Staatsreparatur“-Veranstaltung mit lauten Buhrufen empfangen werden.

Die weiteren großen Player im Parteienspektrum, die FDP und die CDU, sind nicht zu sehen. Auch weitere 295.000 Einwohner Steglitz-Zehlendorfs haben entschieden, der Demonstration fernzubleiben. Angesichts einer Zahl von rund 10.000 AfD-Wählern sind 1500 Demonstranten ein Zeichen, mehr aber auch nicht. In der Großstadt Steglitz-Zehlendorf ist da durchaus Luft nach oben.

 

 

Daniela von Treuenfels 

 

 

 

Foto: dt

 

Foto: dt

 

Andreas Wild mag keine Regenbogenfahnen – und er reagiert sofort und höchstselbst. Die Flagge, ein Symbol für Vielfalt und Gleichberechtigung, die Lichterfelder Bürger am Samstag am Baum der „Staatsreparatur“ befestigt hatten, hing ungefähr drei Minuten. | Foto: Lichterfelde weltoffen