"Finger zeig" heißt das von Buch von Jenny Schon, aus dem die 71-Jährige die Geschichte "Totentanz" lesen wird. Foto: Gogol

„Meine Lebensgeschichte hat schon viel mit Zehlendorf zu tun wegen meiner Kleist-Liebe“, sagt Jenny Schon. Zwar wohnt die 71-Jährige heute nicht mehr im Bezirk, doch an das Kleist-Grab am Wannsee kehrt sie immer wieder gern zurück – so auch am Mittwoch, 10. September. Im Rahmen des 14. Internationalen Literaturfestivals Berlin liest die Autorin dort ab 12 Uhr die Geschichte „Totentanz“, in deren Mittelpunkt – wie sollte es anders sein – der Dichter steht.

Die Liebe zu Heinrich von Kleist begann bei Jenny Schon bereits im Jugendalter. Im Rheinland aufgewachsen, musste die wissbegierige junge Frau nach der 8. Klasse die Schule verlassen. Gymnasien für Mädchen gab es nicht. Da fiel ihr „Michael Kohlhaas“ von Kleist in die Hände, der sich für an ihm begangenen Unrecht rächt – auch wenn dabei die Welt zugrunde geht. Das sprach der jungen Jenny aus dem Herzen. „Von Stund an war ich Kleist-Fan“. Und wer will von Zufall sprechen, dass einer der ersten Menschen, die sie in Berlin kennenlernte, am Wannsee wohnte und ihr von der Kleist-Gedenkstätte dort erzählt?

Im Jahr des Mauerbaus kam Schon nach Berlin, fand Arbeit in einer Buchhandlung am Kurfürstendamm und holte nach, was ihr im Rheingau verwehrt geblieben war. Schon holte ihr Abitur nach und studierte in jenen wilden Jahren der Studentenbewegung an der Freien Universität Berlin Sinologie, unterrichtete auch später an der Universität. Sie wohnte unter anderem in den Ortsteilen Schönow, Lichterfelde und zehn Jahre in Wannsee. In diesem zehn Jahren war sie „fast jeden Tag am Kleist-Grab“ erzählt sie. Und so ist sicherlich ein Teil von ihr in die „Ich“-Erzählerin in „Totentanz“ eingeflossen, die nach vielen Jahren mit ihrer 15-jährigen Tochter an den Gedenkort für Kleist und Henriette Vogel zurückkehrt.

Doch nicht nur von Kleist ist Schon begeistert, sondern auch von China – nicht umsonst studierte sie Sinologie. Und dieses Studium – so kurios es auch klingen mag – veranlasste sie dazu, heute Führungen anzubieten, viele von ihnen in Steglitz-Zehlendorf. „Wo Steglitz- am schönsten ist“, „Kultur und Wissenschaft in Dahlem“, „Zehlendorf – ein altes Dorf im Grünen neu entdeckt“ und natürlich auch „Kleist am Wannsee“ heißen einige ihrer Rundgänge durch die Geschichte und die Kultur des Bezirks.

Irgendwann sei sie auf die Notiz, dass der Alte Fritz in Preußen Maulbeerbäume pflanzen ließ, gestoßen, holt Schon aus. Sie machte sich auf die Suche und fand sie unter anderem auf dem alte Zehlendorfer Friedhof. Der Mauerfall machte es dann möglich, auch im Berliner Osten und dem Umland nach der Geschichte der Seidenproduktion in Preuße zu forschen. „So konnte ich Sinologie und Preußen verbinden“, erzählt die Wilmersdorferin. Und weil manche Orte gar nicht von ihrer seidenen Vergangenheit wussten, hieß es manchmal, „zeigen Sie uns doch mal die Bäume“, erinnert sich Schon. So begann sie mit ihren Führungen, deren Schwerpunkte sich in den 2000er Jahren allerdings verschoben. Heute konzentriert sie sich mehr auf Literatur, Kunst und natürlich die Ortsgeschichte. Fast ausschließlich im Südwesten Berlins ist sie unterwegs, was auch damit zu tun habe, dass sich viele Künstler des Expressionismus vor und nach dem Ersten Weltkrieg am Ku’damm und darum herum niederließen, so Schon, die ein wenig enttäuscht darüber ist, wie wenig Kultur es heute im Südwesten noch gebe. Für die Literatur gibt es ihrer Meinung nach nur noch die Schwartzsche Villa und für die Malerei das „Haus am Waldsee“.

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Die Lesung „Totentanz“ findet statt am Mittwoch, 10. September, um 12 Uhr an der Kleist-Gedenkstätte an der Bismarckstraße. Um Anmeldung unter der Telefonnummer (030) 8 92 13 38 wird gebeten.

Eine Übersicht über die Führungen und die Termine gibt es unter www.jennyschon.de