Adolf Reichwein war ein bedeutender Sinologe. Er wurde von den Nationalsozialisten zum Tode verurteilt. Foto: Bundesarchiv, Bild 151-11-29 / CC-BY-SA

Eine Ausstellung, die das Schicksal verfolgter China-Wissenschaftler von 1933 bis 1945 in den Fokus rückt, ist ab 5. Juli, unter dem Titel „Die fehlende Generation“ an der Freien Universität zu sehen. Konzipiert wurde die Poster-Ausstellung von der Sinologin Prof. Dr. Dr. h. c. Mechthild Leutner vom Ostasiatischen Seminar der Universität.

Die nationalsozialistische Diktatur hatte gravierende Auswirkungen auf das noch junge Fach Sinologie und die wissenschaftliche Beschäftigung mit China insgesamt. Von etwa 50 Personen, die in Universitäten, Museen, Verlagen, Bibliotheken oder anderen Institutionen sich im weiteren Sinne mit China wissenschaftlich beschäftigten oder gerade ihr Studium abgeschlossen hatten, waren mehr als 30 gezwungen, zu emigrieren, erhielten Berufsverbot oder kehrten von China- und anderen Auslandsaufenthalten nicht mehr nach Deutschland zurück. Adolf Reichwein und Philip Schaeffer wurden aufgrund ihrer Tätigkeit im politischen Widerstand hingerichtet, Henri Maspero starb im Konzentrationslager Buchenwald; anderen politisch und rassisch Verfolgten gelang rechtzeitig die Flucht. Die Ausstellung, verantwortet vom Institut für Sinologie/Chinastudien der Freien Universität Berlin, zeigt die lebensgeschichtlichen Brüche der Verfolgten auf und verdeutlicht anschaulich, welche  Auswirkungen dies auf die Ausprägung des Faches nicht allein während der Zeit des Faschismus hatte, sondern auch danach. Nur zu Gasttätigkeiten kehrten wenige der inzwischen in China, in den USA, Großbritannien und Frankreich tätigen Wissenschaftler zurück.

Die von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern repräsentierte breite Ausdifferenzierung des Faches – sie waren Ethnologen, Sozialwissenschaftler und Linguisten, Historiker, Kunsthistoriker und Religionswissenschaftler mit einem Fokus auf China – fehlte nach 1945 beim Wiederaufbau des Faches in Deutschland. Einige der Migranten waren wesentlich beteiligt an der Entwicklung und am Ausbau der China-Wissenschaften in ihren Exilländern; sie begründeten dort teilweise ganze Schulen. In Berkeley lehrten Ferdinand Lessing und Wolfram Eberhard; an der Columbia University, New York, forschten und unterrichteten Karl August Wittfogel, Anneliese Bulling und Otto Mänchen-Helfen; an der University of Washington, Seattle, waren Hellmut Wilhelm und Ruth Krader-Schlesinger tätig. In England wiederum fanden Walter Simon, Bruno Schindler und Gustav Haloun ein neues Arbeitsfeld. Andere Migranten konnten ihre wissenschaftliche Arbeit nicht fortsetzen: Ihre Namen sind heute kaum noch bekannt, ihre Schicksale vergessen.

Es dauerte mehr als 30 Jahre, bis sich in beiden Teilen Deutschlands erneut eine jüngere Generation mit einem so breiten Fachverständnis herausgebildet hatte, wie es vor 1933 vor allem unter jüngeren China-Wissenschaftlern etabliert gewesen war. Noch heute zeigt sich in der deutschen Sinologie das Fehlen dieser Generation und der von ihnen geprägten Ausrichtung.

Eröffnet wird die Ausstellung am Freitag, 5. Juli, um 16 Uhr, anschließend ist sie bis zum 30. Oktober im Institut für Sinologie, Ehrenbergstraße 26-28, 1. Stock Foyer, zu sehen. Geöffnet ist die Schau montags bis freitag von 10 bis 16 Uhr, der Eintritt ist frei.

(sn)