Im Stadtbad Steglitz kämpft Fidelio für die Freiheit ihres Mannes. Foto: Bert Löwenherz

Eine bessere Kulisse für Beethovens „Fidelio“ als das Stadtbad Steglitz hätte sich auch der beste Bühnenbildner nicht ausdenken können. Der abgeschlagene Putz, die rauen Wände und die Sterilität der Fliesen lassen durchaus das Gefühl aufkommen, dass es sich um ein provisorisches Gefängnis handeln könnte, in dem unliebsame politische Gegner verschwinden. So auch Florestan,der vor zwei Jahren von Don Pizarro verhaftet wurde und nun in einer Einzelzelle sein Leben fristet. Um ihn zu befreien muss seine Frau Leonore, alias Fidelio, nicht nur Stimmkraft beweisen – was Ilona Nymoen bei der Premiere am Mittwoch auch eindrucksvoll tat, sondern auch körperlich fit sein, wenn sie sich etwa am Beckenrand entlang hangelt, um zur Zelle Florestans zu gelangen. Regisseur Stefan Neugebauer nutzt alle Möglichkeiten der Schwimmhalle aus: Sowohl Becken, als auch Beckenrand und Galerie werden zur Bühne für ein gut aufgelegtes und spielfreudiges Ensemble.

Mit wenigen Kniffen holt Regisseur Stefan Neugebauer das Stück aus dem Sevilla des 17. Jahrhunderts in die Gegenwart: der orangefarbeneerall Florestans erinnert an die Häftlingskleidung der Gefangenen von Guantanamo, Pizarro und sein Gehilfe in Trenchcoat und Hut lassen an die guten alten Spionagefilme denken.

Das gerade einmal zehnköpfige Orchester unter der Leitung von Helmut Weese, das zum großen Teil aus Musikstudenten besteht, entfaltet in dem ehemaligen Schwimmbecken einen ungeheuren Klang. Und wer sagt, dass ein Gefangenenchor aus 40, 50 Männern bestehen muss? Neugebauer reichen auch sieben, um der ganzen Freude an der Freiheit Ausdruck zu geben. Dadurch, dass man als Zuschauer so nah am Geschehen sitzen – entweder direkt im Becken nur wenige Armlängen entfernt vom Orchester, oder am Beckenrand – wirkt alles viel direkter, unmittelbarer als in einem „normalen“ Theater, in dem Musiker und Sänger die Distanz zu ihrem Publikum überbrücken müssen. Damit überzeugt Neugebauer, der im vergangenen Jahr bereits Mozarts „Entführung aus dem Serail“ im Stadtbad Steglitz inszenierte, das Premierenpublikum.

Dem kleinen Ensemble kann man nur wünschen, dass ihr Enthusiasmus und ihre Spielfreude belohnt werden mit zahlreichen Besuchern.

Weitere Vorstellungen von „Fidelio“ gibt es bis Ende August jeweils mittwochs, freitags und sonnabends sowie am Sonntag, 1. September, um 20 Uhr.

 (go)