Julia aus dem Lilienthal-Gymnasium spricht auf dem Hermann-Ehlers-Platz zu ihren Mitschülern. „Wir dürfen nicht schweigen, wir müssen unsere Meinung sagen!“ | Foto: Daniela von Treuenfels

 

Am vergangenen Freitag zogen 500 Schülerinnen und Schüler des Lilienthal-Gymnasiums zum Hermann-Ehlers-Platz, um für „Frieden, Freiheit und Toleranz“ zu demonstrieren. An dieser Stelle dokumentieren wir die Redebeiträge der drei Jugendlichen, die an der Spiegelwand zu den Demonstrierenden sprachen. 

Frieden soll uns ein Leben lang begleiten

Es fängt an mit einem Wunsch. Dem Wunsch nach Frieden. Den brauchen wir alle. Jeder einzelne von euch, von uns. Wir brauchen ihn für ein Zusammenleben, für ein nettes Gespräch mit der Nachbarin von nebenan, für das draußen Rumlaufen und für eine Welt ohne Krieg. Eine Wunschvorstellung. Eine Welt ohne Krieg. Ganz ohne Zerstörung und Leid. Mit Menschen, die sich umarmen, statt Menschen, die sich gegenseitig angreifen und bekriegen.

Freiheit, Toleranz… Für viele auf dieser Welt ist das leider nur ein Wunsch.

Jeder von euch kann seine Meinung äußern. Jeder von euch kann handeln und sagen, was er denkt. Doch selbstverständlich ist das keinesfalls.
Wir brauchen uns, unsere Freiheit, unseren Frieden in der Gesellschaft. Jeder einzelne von uns ist ein kleines, nein ein großes und bedeutendes Puzzleteil unserer wachsenden Gesellschaft. Jeder von uns ist wichtig. Ihr seid wichtig. Wir dürfen nicht schweigen, wir müssen unsere Meinung sagen!

Ich möchte nicht, dass Kinder in der Welt Angst haben müssen, auf dem Weg zur Schule, ich möchte nicht, dass sie fürchten müssen, ihr Haus könne von einer Bombe getroffen werden, ich möchte, dass sie zuhause in einem Bett aufwachen mit dem Gefühl, zuhause zu sein, bei einer Familie zu sein, und eine Familie zu haben.

Während wir uns hier damit verrückt machen, welche Tasche wir kaufen, kämpfen andere gerade um ihr Leben, kämpfen darum, ihre Familie wenigstens noch einmal wiederzusehen. Ihr „Tschüss“ zu sagen. Und das vielleicht für immer. Wir müssen verstehen, dass wir dankbar für unser Leben sein können und sollten etwas dafür tun, den Frieden zu schützen!

FRIEDEN. Frieden ist nur ein Wort – NEIN, Frieden ist nicht nur ein Wort. Frieden soll uns begleiten, und zwar ein Leben lang, in der ganzen Welt. Frieden soll uns beschützen, so müssen wir auch ihn beschützen und wertschätzen.

Es soll eine Welt geben, in der alle Menschen wichtig sind, egal welcher Herkunft. In der sich Menschen gegenseitig unterstützen und helfen! So eine Welt wünschen wir uns!

Julia 

 

 

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Wir sitzen alle im selben Boot!

Frieden, Freiheit und Toleranz. Für uns drei grundlegende und selbstverständliche Werte.

Ungefähr 80 Jahre ist es her, dass diese Grundwerte in Deutschland mit Füßen getreten wurden.
Ungefähr 80 Jahre ist es her, dass unsere Großeltern noch Kinder waren.
Ungefähr 80 Jahre ist es her, dass Menschen in ganz Deutschland auf der Flucht waren.
Ungefähr 80 Jahre ist es her, dass mehr als 6 Millionen unschuldige Menschen durch deutsche Hand getötet wurden.
Ungefähr 80 Jahre ist es her, dass den Zeitzeug*innen das Unmenschlichste und Unvorstellbarste widerfahren ist, wovon wenige heute noch berichten können.

80 Jahre scheinen eine lange Zeit zu sein, doch sind sie das wirklich?

Ist „Nie wieder“ schon so lange her, dass wir daran erinnert werden müssen, was für ein Privileg die Demokratie eigentlich ist?
China, Russland, Nordkorea, Afghanistan, Syrien, Belarus, Ruanda, Uganda, Nicaragua, der Kongo und noch viele andere Länder haben eines gemeinsam: keine Demokratie. Das heißt: kein Frieden, keine Freiheit und keine Toleranz. Stattdessen gibt es dort politische Verfolgung, Inhaftierungen und Ermordungen andersdenkender Menschen, die sich gegen die autoritären Regime wehren. Einer von ihnen war der russische Oppositionspolitiker Alexei Nawalny, der letzte Woche in einem russischen Gefängnis starb.

Auch wenn uns diese Dinge so weit weg erscheinen, muss uns klar sein: Wir sitzen alle im selben Boot! Ob das die Wahlen in den USA, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine am 24. Februar vor zwei Jahren oder der wieder aufflammende Nahostkonflikt am 7.Oktober letzten Jahres ist, es geht uns alle etwas an.

Wahlausgänge wie in Schweden, Italien, den Niederlanden aber auch die Umfragen in Deutschland müssen eine ganz klare Warnung sein. Demokratie ist nicht selbstverständlich!

Spätestens nach Veröffentlichung der Correctiv-Recherche Anfang des Jahres, sollte uns der Ernst der Lage auch hier bei uns bewusst sein. Das hat nichts mehr mit Protest oder Regierungskritik zu tun.

Demokratiefeindliche Kräfte bedrohen weltweit Frieden, Freiheit und Toleranz, von innen und von außen. Denn auch für uns in Deutschland ist Putin eine akute Bedrohung.

Deshalb solidarisieren wir uns heute mit der Ukraine. Wir solidarisieren uns mit all denen, die die Privilegien Demokratie, Frieden, Freiheit und Toleranz nicht besitzen, denen, die leiden.

Deshalb müssen wir laut sein. Im Namen all derer, die es selber nicht sein können. Ob am Tisch beim Abendessen, auf Demos im Kiez oder vor dem Bundestag, wir müssen laut sein.

Ungefähr 80 Jahre liegen die Geschehnisse zurück, an welche Margot Friedländer heute mit den Worten „es ist wie damals“ erinnert.
Also lasst uns die Warnungen derer zu Herzen nehmen, die schon einmal ohne Demokratie gelebt haben. Denn es ist unsere Aufgabe dafür zu sorgen, dass die Vergangenheit nicht in Vergessenheit gerät. Es ist unsere Aufgabe dafür zu sorgen, dass sich die Grausamkeiten der Geschichte nicht wiederholen. Nie wieder ist jetzt.

Luisa

 

 

Auch die Präsidentin des Berliner Abgeordnetenhauses Cornelia Seibeld (CDU) sprach zu den Teilnehmern des Friedenszuges und begrüßte das Engagement der Schülerinnen und Schüler. | Foto: dt

 

Sei ein Mensch

Mein Name ist Lenn, ich bin 17 Jahre alt. Wie viele von euch habe ich das Privileg, ohne Krieg und Gewalt aufzuwachsen. Aber ich weiß auch, dass dieses Privileg vielen Menschen auf der Welt verwehrt bleibt. Krieg, Zerstörung und Tod sind für viele leider schon alltägliche Realität geworden.
Deshalb bin ich heute so froh und dankbar, dass so viele Menschen sich heute hier versammelt haben, um gemeinsam für das einzustehen, was wirklich wichtig ist: Frieden, Freiheit und Toleranz. Ich erinnere mich noch sehr gut an die Rede des Sportjournalisten Marcel Reif im Bundestag am 27. Januar diesen Jahres zum Gedenken an die Holocaust Opfer. Sein Vater war selbst Holocaust Überlebender und vermittelte ihm immer wieder einen Satz: „Sei ein Mensch“.

Diese drei simplen Worte haben sich in mein Gedächtnis gebrannt. Warum existieren noch Kriege? Warum töten sich Menschen gegenseitig, wenn wir doch alle gleich sind? Diese Fragen beschäftigen mich immer wieder, und ehrlich gesagt, ich habe keine befriedigende Antwort gefunden. Aber eines steht fest: Wir dürfen Kriege, Terror und Zerstörung nicht als normal akzeptieren. Sie sind nicht normal!
Wir sollten eine klare Haltung einnehmen und uns dafür einsetzen, dass für jegliche Form von Gewalt und Unterdrückung in unserem Zusammenleben kein Platz besteht. Ich möchte nämlich nicht in einem Land leben, in dem politisch Andersdenkende verfolgt, gefoltert und getötet werden wie aktuell Alexei Navalny, wo es Trauernden dann nicht einmal gestattet ist sich zu versammeln, Blumen niederzulegen und Kerzen zu entzünden und Medien die Möglichkeit verwehrt wird frei und unabhängig über diese schrecklichen Geschehnisse in Russland zu berichten.
Wir in Deutschland haben die Möglichkeit öffentlich um Herrn Nawalny und die zahlreichen eigenen Opfer von politisch motivierter Gewalt zu trauern. Es gibt jedoch Tendenzen, die befürchten lassen, dass unsere wehrhafte Demokratie in Gefahr ist. Wir haben mit der AFD wieder eine Partei, die versucht, die Grundwerte unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung zu untergraben, in dem sie Hass und Lügen in einer menschenverachtenden Sprache verbreitet, um in der Bevölkerung Ängste zu erzeugen und letztlich die Gesellschaft zu spalten. Hoffnung machen mir jedoch die vielen friedlichen Demonstrationen der letzten Wochen gegen Menschenfeindlichkeit und für eine starke Demokratie.
Zum Schluss möchte ich vor allem eines: denjenigen gedenken, die ihr Leben aufgrund von Kriegen, Vertreibung, Flucht und Terror verloren haben. Jedes weitere Opfer ist eines zu viel, unabhängig von Herkunft, Glauben, sexueller Orientierung oder politischer Anschauung.
Lasst uns also gemeinsam einstehen für das, was wirklich zählt, eine Welt, in der jeder Mensch in Frieden und Freiheit leben kann.

Lenn