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Wie ist es möglich, in einem einzigen Spaziergang durch den Berliner Südwesten, Pflanzen aus aller Welt bewundern zu können? Durch einen Besuch im Botanischen Garten. Beim Rundgang durch den Außenbereich hat man tatsächlich das Gefühl, eine Weltreise zu machen. Denn bei der Wanderung durch die pflanzengeographische Abteilung taucht man in die Pflanzenwelt Europas, Nordamerikas und Asiens ein.

Jeder Kontinent ist in einzelne Teilbereiche gegliedert. Die asiatische Pflanzenwelt zu entdecken bedeutet demzufolge, unter anderem durch den Himalaya, durch Sibirien, und durch Japan zu ziehen. In Europa läuft man durch Skandinavien oder durch die Alpen. Und auf der Reise durch Nordamerika lernt man nicht nur die Pflanzenwelt der Appalachen, sondern auch die Nadelwälder der Westküste kennen. Manchmal stößt der Besucher auf ihm bekannte Pflanzen. Oft werden ihm jedoch Pflanzen ins Auge springen, die er noch nie zuvor gesehen hat. Immer wieder wird er anhalten, sie genau betrachten und darüber staunen, was die Natur hervorgebracht hat. Anhand zugehöriger Schilder kann er den Namen der Pflanze sowie ihre Verbreitung erfahren.

Einer Weltreise gleicht auch ein Rundgang durch den riesigen Komplex aus Gewächshäusern. Jedes Gewächshaus ist entweder einem bestimmten Gebiet oder spezifischen Pflanzen gewidmet. So können Besucher in einem Haus „Kamelien und Azaleen“ bewundern und im nächsten Haus die Vegetation Australiens und Neuseelands. Die vielen Informationstafeln klären auf und liefern interessante Fakten. Sehr beeindruckend in diesem Zusammenhang ist die Geschichte der Wollemie, die als eine der „urtümlichsten und seltensten Pflanzen der Welt“ gilt. Diese wurde lange für ausgestorben gehalten. Man kannte sie nur aus Fossilien bevor ein Parkranger sie im Jahre 1994 unweit vom australischen Sydney wiederentdeckte. Es ist ein bewegendes Erlebnis, den Blick von der Informationstafel abzuwenden und zu entdecken, dass auch das Gewächshaus eine Wollemie beherbergt, die gleich hier steht und nur darauf wartet, erkannt und bewundert zu werden.

Michaela und Karol sind für eine Woche nach Berlin gekommen, um die Stadt zu erkunden- und mit ihr den Botanischen Garten. Besonders beeindruckt sind sie von den Riesenseerosen im Victoria-Haus, einem der Gewächshäuser, das Wasserpflanzen aus den verschiedensten Gebieten enthält. Die beiden Exemplare der Riesenseerosenarten Victoria amazonica und Victoria cruziana haben Schwimmblätter, die einen Durchmesser von bis zu 2 Metern erreichen können. Gesche Hohlstein, die Pressesprecherin des Botanischen Gartens erklärt, dass die Riesenseerose ein Nachtblüher sei und zeitversetzt mehrere Blüten ausbilde, wobei jede Blüte zwei Nächte blühe. In ihrer Heimat in Südamerika werde die Victoria von einer bestimmte Käferart bestäubt. So locke in der ersten Nacht der Duft der geöffneten Blüte die Käfer an, die den Pollen zur Bestäubung bringen. Die Blüte schließt sich schon wieder am sehr frühen Morgen und umschließt die Käfer – nicht um sie zu verspeisen, sondern für einen weiteren Dienst zu nutzen. Den Käfern geht es trotz Gefangenschaft sehr gut in der Blüte, sie bekommen Futter und nutzen die Gelegenheit um sich zu paaren. In der folgenden Nacht werden sie dann eingepudert mit Blütenstaub entlassen, wenn sich die Blüte ein weiteres Mal öffnet, damit sie bei der nächsten Riesenseerosen-Blüte das Ganze wiederholen können. Da es in Deutschland die Käferart nicht gibt, wird die Victoria des Botanischen Gartens von den Gärtnern mit der Hand bestäubt.  Wer die Riesenseerosen vor ihrer zweiten Blütenacht besucht, hat offenbar Glück. Laut Hohlstein kann man bereits ab 3 Uhr nachmittags beobachten, wie sich die Blüte langsam öffnet.

Aber auch wenn die Seerosen nicht blühen, ist der Gang durch die Gewächshäuser ein besonderes Erlebnis. Tropische Pflanzen, auch „fleischfressend“ Pflanzen, Kakteen und Farne bereichern den Rundgang. Die Besucher*innen lernen, wie Pflanzen an das Klima des Mittelmeerraums angepasst sind oder warum der Drachenbaum auf den Kanaren nur noch sporadisch in der Natur zu finden ist.

Verlässt man die Gewächshäuser und läuft dann ein paar Schritte den Hügel hinunter, steht man bald im italienischen Garten. Hier erwartet den Besucher farbkräftige sowie immergrüne Zierpflanzen, die zusammen mit Wasserbecken, antikisierten Bronzefiguren und barocken Schmuckvasen eine abwechslungsreiche und gleichzeitig symmetrische Anordnung bilden.

Unweit der Gewächshäuser und des italienischen Gartens liegt der Duft- und Tastgarten, in dem der Besucher dazu ermutigt wird, die Pflanzen zu berühren und zu beschnuppern. Diese Sinneserfahrungen sind ein besonderes Erlebnis, das nicht nur angenehm sind, sondern auch dazu beitragen, dass sich die eine oder andere Pflanze ins Gedächtnis einbrennt. Zum Beispiel der Duftsteinrich, der nach Honig riecht oder der Koreanische Schneeball mit seinen samtigen Blättern.

Interessant ist auch ein Rundgang durchs Arboretum. Hier gibt es circa 1.800 verschiedene Baum- und Straucharten zu entdecken, welche je nach Art und Gattung beieinanderstehen. Wagt man sich tiefer in dieses interessante Gebiet, stößt man auf den Rosengarten, in dem Wildrosen, Kletterrosen sowie Beet- und Strauchrosen wachsen. Auf Informationstafeln kann man lesen, wie Kulturrosen in Rosenklassen eingeteilt werden und wie verschiedene Rosen nach Europa kamen und zur Entstehung neuer Sorten beitrugen.

Im Arzneipflanzengarten bekommen die Besucher*innen einen Eindruck davon, wie sehr die Natur dem Menschen bei gesundheitlichen Beschwerden helfen kann. Neben Namen und Verbreitung, findet man auf den Tafeln auch ihre medizinische Verwendung sowie die Wirkung.

Die Vielfalt der Pflanzen auf unserer Erde ist gigantisch. Allein zu den bedecktsamigen Blütenpflanzen gehören, wie man auf einer Informationstafel erfährt, „mindestens 240.000 lebende Pflanzenarten“. Der Bereich des Systems der krautigen Pflanzen des Botanischen Gartens informiert darüber, wie diese Vielfalt in eine überschaubare Ordnung gebracht werden kann.

Auch ein Besuch des Sumpf- und Wasserpflanzengarten lohnt sich. Elf Wasserbecken sowie die drei Bereiche „Moor“, „Feuchtwiese, Teich, Röhricht“ und „Salzvegetation“ bieten naturähnliche Lebensräume für zahlreiche Pflanzen, von denen viele vom Aussterben bedroht sind.

Der Botanische Garten ist sowohl ein Ort der Bildung als auch der Erholung. Auf dem Gelände des Botanischen Gartens befinden sich ein Café sowie ein Restaurant, daneben laden ein Liegerasen, Pavillons und zahlreiche Bänke zum Verweilen ein. Er hat jeden Tag von 9 bis 20 Uhr geöffnet, wobei die Gewächshäuser bereits um 19 Uhr schließen. Für einen Besuch zahlen Erwachsene 6 Euro, während der ermäßigte Preis 3 Euro beträgt. Es gibt besondere Tarife für Familien und auch für Schulklassen.

Adresse: Königin-Luise-Straße 6-8, 14195 Berlin

Telefon: +49 30 83850100

(mh)