Hip-Hop, Breakdance, Akrobatik - diese Tänzer haben alles drauf. Und zeigen das bei den Seefestspielen. Foto: Gogol

Müde, aber auch ein wenig lasziv hangeln sich die Tänzerinnen die Leiter herunter. Unten warten schon die Tänzer und Chorsänger, um sie genauer ins Auge zu fassen, um sie anzumachen. Doch auch wenn die jungen Frauen posen und kokett lächeln, anfassen lassen sie sich doch nicht.

Für einen Laien sieht das gut aus, doch Regisseur Volker Schlöndorff ist noch unzufrieden. Und so werden am Ende der Probe am Montagabend die Tänzerinnen zusammen mit dem Frauenchor die Bühne betreten, während vom Balkon einzelne Damen des Chores singen.

Seit 2. Juli wird in der Sporthalle an der Onkel-Tom-Straße für die „Seefestspiele“ geprobt. „Carmen“ wird in diesem Jahr auf der Bühne im Strandbad Wannsee aufgeführt. Provisorisch wurde die in der Sporthalle nachgebaut. Da gibt es das Lager der Soldaten, den Wohnwagen Carmens und das Tor zur Fabrik – auf der Bühne am Wannsee ein großer Fächer – in der Probenhalle nachgebaut aus einer Plane, die sich auf- und zuziehen lässt. Durch ihn verlassen die Arbeiterinnen die Zigarrenfabrik – Chor und Tänzerinnen nun gemeinsam.

Probten bisher die Sänger und Tänzer getrennt, trafen sie am Montag zum ersten Mal zusammen. Und so herrschte ordentlich Gewusel an der Onkel-Tom-Straße.

Vor allem die Tänzer fallen auf, viele können nicht stille stehen in den kurzen Pausen, sie tänzeln, machen Schritte und Bewegungen, die aber weniger nach Ballett aussehen, wie man das bei einer Operninszenierung erwarten mag, sondern nach Hip-Hop. Und richtig, das Tanzteam, das Choreograph Marc Bogaerts und Schlöndorff zusammengestellt haben, ist eine bunte Truppe: 14 Tänzer und Tänzerinnen aus zehn Nationen, mit klassischer Ausbildung – eine Tänzerin aus dem Sissi-Musical ist dabei genauso wie eine aus dem MDR-Fernsehballett –, Breakdancer, Hip-Hoper und sogar Artisten.

„Die Welt von heute ist alles“, sagt Bogaerts. Tanzcompagnien zeigten nur einen Ausschnitt dieser Welt, die tanzten einen bestimmten Stil. Doch sein Ziel, und auch das Ziel Schlöndorffs, sei es, die Vielfältigkeit der Welt, des Lebens auch auf die Bühne zu holen. „Wir wollen breiter denken“, sagt der Choreograph, der schon mit 40 Ballettgruppen zusammengearbeitet hat, darunter denen der drei Berliner Opern, dem Royal Danish Ballett und der Compagnia de dansa de Lisboa. „Wir wollten Leute, die jemand sind, die etwas zu sagen haben“, nicht unbedingt mit Worten, aber mit ihrem Tanz.

Und so hatten die Tänzer und Akrobaten Mitspracherecht bei der Choreografie, haben sich eingebracht, zusammengearbeitet. Und so fanden Hebefiguren, Flik-Flaks und der Sturz von einem Container  Eingang. Vorbereiten könne man eine Choreografie nicht, sagt Bogaerts. „Das ist, wie wenn man eine Ehe vorbereitet“, das könne nicht funktionieren. Fertig ist sie aber mittlerweile, die Choreografie, in der die verschiedenen Tanzstile und die verschiedenen Menschen berücksichtigt wurden. „Es geht darum, eine Symbiose zu schaffen, zu schauen, wo es zusammenpasst“, so der Choreograph.

„Oper ist eigentlich gar nicht mein Ding“, sagt einer der Artisten. Vom Casting für „Carmen“ habe er von Freunden erfahren und sei auf gut Glück hingegangen. Jetzt ist er mittendrin in der Produktion. Das sei zum Anfang noch ungewohnt gewesen, doch er lerne viel, sagt der junge Mann, der täglich aus Kreuzberg zu den Proben anreist.

Auch Jakob Vonan ist Artist, besucht die Staatliche Artistenschule. Von jedem hier könne er lernen, etwas mitnehmen für sich selbst, sagt der junge Mann. Vor allem von den Schauspielern lerne er viel bei diesem Projekt. Dass es eine Oper ist, schreckt ihn nicht. „Ich bin offen für alles“, sagt er. Karla Mendoza ist ebenfalls offen, auch wenn sie mit ihrer klassischen Tanzausbildung besser zur Oper zu passen scheint. Die Audition, das Vortanzen, für die Inszenierung sei keine typische tänzerische Audition gewesen. „Zeig mir was Du machst“, habe es geheißen, erzählt die Mexikanerin, die im vergangenen Jahr für eine Operninszenierung in der Schweiz engagiert war. „Es ist für mich eine Herausforderung, mit Akrobaten zu tun zu haben“, das ist neu für die Tänzerin.

„Es ist ja nur ein Casting“, habe er sich gesagt, erzählt Saqib Ali. Der Rudower tanzt sonst Hip-Hop. Das Vortanzen lief „perfekt“ – und er war in der Gruppe. Irgendwas müsse da wohl gepasst haben, sagt er. Es sei „cool“, nicht immer das selbe zu machen, neue Herausforderungen zu haben. So habe er schon bei vielen Theaterstücken mitgetanzt – doch das war ihm irgendwann zu einseitig. Im vergangenen Jahr machte er dann bei einem Maskenspiel, warum nicht in diesem Jahr also bei einer Oper. Jetzt freut Ali sich auf die Shows, denn nur da zeige sich, ob man wirklich gut ist.