Uwe Böhlert (links) und Joachim Stürzbecher sorgen in Steglitz-Zehlendorf dafür, dass die Wahlen reibungslos verlaufen. Foto: Gogol

Steglitz-Zehlendorf ist der Bezirk mit der höchsten Wahlbeteiligung. Bei der jüngsten Bundestagswahl gaben fast 80 Prozent der Einwohner ihre Stimme ab. Die Verantwortung für eine reibungslose und richtige Wahl im Bezirk ruht auf vier Schultern: Uwe Böhlert ist der Leiter des Bezirkswahlamtes. Er organisiert die Wahlen zusammen mit seinem Mitarbeitern. Joachim Stürzbecher ist der Kreis- beziehungsweise Bezirkswahlleiter, der diese Arbeit kontrolliert.

Wer denkt, dass die beiden Männer einen ruhigen Job haben, weil ja Wahlen nur alle vier Jahre stattfinden, der irrt. Seit er vor vier Jahren das Amt übernommen habe, gab es fast jedes Jahr eine Bundestags-, Europa- oder Abgeordnetenhauswahl oder zumindest eine Volksabstimmung, so Stürzbecher.

Schon lange bevor die Steglitz-Zehlendorfer zur Urne gehen, um ihre Stimmen abzugeben, beginnt für die beiden 53-Jährigen die Arbeit. Gut ein Dreivierteljahr vor der Wahl nimmt der Wahlleiter die Wahlvorschläge entgegen. Einen ganzen Satz von Papieren gilt es dann zu kontrollieren, berichtet Stürzbecher: Angaben zur Person des Bewerbers, Angaben zu den beiden Vertrauenspersonen des Kandidaten, eidesstattliche Erklärungen, dass der Kandidat Mitglied der Partei ist. „Selbst Profi-Parteien übersehen dabei Dinge“, weiß Stürzbecher aus Erfahrung.

Noch mehr Arbeit macht die Bewerbung von Einzelkandidaten oder neuen Parteien. Die müssen 200 Unterstützerunterschriften vorweisen. Die gilt es zu überprüfen. Das übernimmt das Wahlamt, das dazu auf die Meldesoftware des Einwohnermeldeamtes zugreifen kann. Dabei entdecke man viele ungültige Stimmen, so Böllert. Parteien, die mit mindestens fünf Personen im Land- beziehungsweise Bundestag vertreten sind, brauchen solche Unterstützerunterschriften nicht.

Die Briefwahl beginnt

Sind die Unterlagen vollständig, meldet Stürzbecher die Liste der Bewerber an die Landes- beziehungsweise Bundeswahlleiterin. Zugelassen sind die dann allerdings noch nicht. Es folgt die 1. Kreiswahlausschusssitzung. Dort kommen die Vertrauenspersonen der potenziellen Kandidaten zusammen, äußern Bedenken und Einwendungen, etwa wenn für einen freien Bewerber nicht genug Unterschriften zusammengekommen sind, und geben dann ihre Zustimmung oder auch nicht. Berlinweit finden diese Auschusssitzungen parallel innerhalb von ein bis zwei Tagen statt. Anschließend werden die Wahlzettel gedruckt.

Für Böhlert startet die heiße Phase sieben Wochen vor der Wahl. Dann beginnt die Auslieferung der Wahlbenachrichtigungen. Steglitz-Zehlendorf ist immer der erste Bezirk, der die Benachrichtigungen versendet, weil es berlinweit hier den höchsten Anteil an Briefwählern gibt. Sobald die Benachrichtigungen raus sind, ist auch Briefwahl möglich – entweder per Brief oder im Briefwahllokal. Gleichzeitig stellt der Wahlamtsleiter alle Informationen zur Wahl auf einer Homepage online.

Bis einen Tag vor der Wahl wird zudem das Wählerverzeichnis aktualisiert. Zuzüge, Wegzüge auch Todesfälle werden eingearbeitet. Wählen darf man übrigens nur in seinem Bezirk und auch nur dann, wenn man mindestens drei Monate in Berlin gemeldet ist. Das gibt manchmal Probleme mit Bürgern, die zwar schon länger in Berlin leben, aber eben nicht gemeldet waren, weiß Stürzbecher. Solche Zweifelsfälle prüft der Wahlleiter.

Am Abend vor der Wahl ab 18 Uhr sind keine Einträge mehr möglich. Das 20.000 Seiten umfassende Wählerverzeichnis wird dann gedruckt und an die Wahllokale verteilt.

Die zu besetzen sei schwierig. Zwar habe man viele feste Wahlhelfer, doch der Bedarf ist groß: Es gibt 127 örtliche und 62 Briefwahllokale in Steglitz-Zehlendorf. Für jedes dieser Wahllokale braucht man sieben bis neun Wahlhelfer. „Es ist jedes Jahr ein Krampf, Personen zu bekommen“, sagt Böhlert. Auch im Bezirksamt wirbt man um Freiwillige, zudem wurde das Erfrischungsgeld erhöht.

Der Wahltag

Dann ist der Wahltag da: Für Böhlert und Stürzbecher ein eher ruhiger Tag, der für den Wahlamtsleiter und sein Wahlteam bereits um 6.30 Uhr beginnt – und manchmal erst nach Mitternacht endete. Zwischendurch gibt es „Notfälle“ zu klären, wenn jemand sein Wahllokal nicht kennt. Zirka 30 solcher Anfragen gibt es an einem Wahltag. Problematisch wird es nur dann, wenn jemand den Bezirk verlassen hat und dann nicht mehr im Wählerverzeichnis steht. „Das ist hochkompliziert“, so Böhlert. Doch es kommt nur selten vor. Um 12 und 16 Uhr wird die Wahlbeteiligung in den einzelnen Wahllokalen abgefragt und der Landeswahlleiterin gemeldet.

Aufregend wird es erst, wenn die Wahllokale um 18 Uhr schließen – was sie nicht wirklich tun, denn die Auszählungen sind öffentlich. Wer Interesse hat, kann zu schauen.

Einfach sei die Auszählungen bei Volksentscheiden, sagt Böhlert. Dann heißt es nur Ja oder Nein oder es gibt Klärungsfälle, die bei 0,5 bis einem Prozent liegen. Bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus gibt es mehre Stimmzettel für Erst-, Zweistimme und die Bezirksverordnetenversammlung. Erst wird vorsortiert, ob die Stimmen gültig sind, dann für jede Partei ein Stapel gebildet. Zuerst werden die Zweitstimmen, dann die Erststimmen und zum Schluss die Stimmen für die BVV ausgezählt. Vor allem in den Briefwahllokalen dauere die Auszählung lange, weil dort teilweise bis zu 1.000 Stimmen ausgezählt werden müssen – zum Vergleich: In einem örtlichen Wahllokal sind es laut Böhlert 500 bis 600.

Dass Briefwahl in Steglitz-Zehlendorf so beliebt ist, liege an zwei Faktoren: der hohe Bildungsgrad und das hohe Alter der Einwohner. Zudem spreche es sich herum. Zur Wahl des Abgeordnetenhauses habe es im Bezirk 50.960 Briefwahlanträge gegeben, bei der Bundestagswahl 2013 waren es schon 60.634, und sogar bei der laut Böhler wenig beliebten Europawahl gab es 47.002 Anträge. „Es wird von Jahr zu Jahr mehr“. Deshalb wird zur nächsten Wahl darüber diskutiert werden müssen, ob in Steglitz-Zehlendorf nicht noch mehr Briefwahllokale eingerichtete werden könnten.

Sind die Stimmen ausgezählt, gibt es eine Schnellmeldung an die Landeswahlleiterin. Bis 23/24 Uhr muss diese eingehen.

Die Arbeit nach der Wahl

Für Böhlert, Stürzbecher und ihr Team beginnt die Arbeit dann vor allem nach der Wahl, wenn sie die Unterlagen und Protokolle aus den Wahllokalen erhalten. Innerhalb von sieben Tagen müssen diese kontrolliert werden. Es wird geprüft. ob alles rechnerisch und organisatorisch seine Richtigkeit hat. Wurden die Stimmen der richtigen Partei zugeordnet, wurden sie richtig zusammengezählt, wie wurde mit Zweifelsfällen umgegangen? Knapp sei die Zeit dafür, vor allem wenn Stimmen noch einmal ausgezählt werden müssen.

Am Schluss steht dann die zweite Kreiswahlausschusssitzung, bei der Stürzbecher mit allen Unterlagen und Stimmzetteln verpackt in bis zu 120 Umzugskartons anrückt, falls die Vertrauenspersonen noch einmal Einzelfälle diskutieren wollen. In Steglitz-Zehlendorf sei das aber kaum der Fall, weil die Abstände zwischen den Parteien so groß seien, dass Einzelfälle nicht entscheidend seien, so Stürzbecher.

Neben den Wahlen kümmert sich das Wahlamt auch um die Überprüfung von Unterschriften von Volks- und Bürgerbegehren. Auch bei Bürgeranträgen im Bezirk, bei denen Unterschriften vorgelegt werden müssen, werden diese vom Wahlamt überprüft. Dass diese Arbeit zunehmen wird, davon ist Böhlert überzeugt. Gerade wenn Bürgerbegehren Erfolg zeigen, fände das Nachahmer. Deshalb bräuchte man eine Verstärkung in den Wahlämtern. Fünf der zwölf Bezirke hätten deshalb Personal im Bürgeramt eingestellt, das in Hochzeiten das Wahlamt unterstützt, berichtet Stürzbecher, der auch Leiter der Bürgerdienste in Steglitz-Zehlendorf ist.

(go)