Über die Sicherheit der ZRA in Wannsee wollte die SPD mit Vertretern des Helmholtz-Zentrums sprechen. Foto: HZB

Mit einem Offenen Brief wendet sich die SPD, Ortgruppe Nikolassee – Schlachtensee – Wannsee, an das Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) in Wannsee. Grund ist, dass das Helmholtz-Zentrum es ablehnte, Fachleute zu einer Diskussionsrunde zu senden, bei denen die Politiker zusammen mit den Wissenschaftlern und interessierten Bürgern über die „Zukunft des Forschungsreaktors Wannsee“  diskutieren wollten. Aufgrund der Weigerung de Helmholtz-Zentrums sagte die SPD die Veranstaltung ab.

Den StadtrandNachrichten liegt der Offene Brief an das Helmholtz-Zentrum vor und wird hier in Auszügen veröffentlicht:

OFFENER BRIEF: DAS ZWISCHENLAGER FÜR RADIOAKTIVEN ABFALL IN WANNSEE – EIN UNHALTBARER ZUSTAND!
Die im eingeschlossenen West-Berlin 1973 eingerichtete Zentralstelle für radioaktiven Abfall (ZRA) auf dem Gelände des Helmholtz-Zentrums für Materialien und Energie  (…) nicht nur, wie ursprünglich gedacht, eine Sammelstelle für nicht mehr verwendbare radioaktive Stoffe aus Forschungsinstituten, aus Medizin, Industrie und Gewerbe in Berlin, die sie sammelt, aufarbeitet, verdichtet und verpackt und zur sicheren Verwahrung weiterschickt. Sie ist auch zu einem stetig wachsenden Zwischenlager geworden, weil nichts mehr abtransportiert wird. In dünnwandigen Hallen lagern jetzt dort etwa 700cbm radioaktive Abfälle in Containern, Fässern und Regalen. Das ist auch nach Auffassung des Bundesamtes für Strahlenschutz ein Gefahrenpotential. (…)

Von einer Zwischenlösung kann in Wannsee schon lange nicht mehr die Rede sein. Das neue Endlager, Schacht Konrad, endgültig genehmigt im Jahr 2007, wird wegen aufwändiger Umbauten für die sichere Verwahrung voraussichtlich erst nach 2020 radioaktiveMaterialien aufnehmen. Die Übernahme wird wieder viele Jahre, vielleicht Jahrzehnte dauern. Vereinbarungen dazu gibt es noch nicht.(…)

Es ist ein unhaltbarer Zustand, dass es hier seit langer Zeit mitten in einer Metropolenregion eines der bundesweit größten Zwischenlager für radioaktiven Abfall gibt. Falls nichts dagegen unternommen wird, wird es noch weiter anwachsen und noch lange existieren – in einfachen Lagerhallen, nur mit zwei Zäunen gesichert, also mit einem niedrigen Sicherheitsstandard, vergleicht man ihn mit dem sehr hohen, der für dieselben Stoffe im Endlager vorgesehen ist. Hinzu kommt, dass auf dem Gelände auch noch die radioaktiv verstrahlten Reste des 1971 abgeschalteten Forschungsreaktors BER I nur provisorisch in der Erde vergraben sind und in etwa 10 Jahren auch die Entsorgung des derzeitigen viel größeren Forschungsreaktors BER II ansteht.

Das Thema Forschungsreaktor BERII in Wannsee, die damit verbundenen Gefahren, aber auch der Nutzen für Wissenschaft und Allgemeinheit – haben immer wieder die Berliner Landespolitik, die Öffentlichkeit, aber auch die Anwohner beschäftigt. Seltener war die Zentralstelle für radioaktive Abfälle in Wannsee (ZRA) ein Diskussionsgegenstand. Auch wir als lokale SPD-Organisation haben uns in der Vergangenheit immer wieder vor Ort informieren lassen und haben Veranstaltungen dazu organisiert.

Zu unserer Veranstaltung nach der Katastrophe von Fukushima im April 2011 kamen etwa 200 Bürgerinnen und Bürger. Auf dem Podium saßen Fachleute aus dem Helmholtz-Zentrum für Materialien und Energie, das den Forschungsreaktor und die ZRA betreibt, und aus der Berliner Landesverwaltung zusammen mit den beiden SPD-Abgeordneten Daniel Buchholz und Holger Thärichen. Diese haben sich dann zusammen mit anderen Abgeordneten anderer Parteien für eine
umfassende neue Sicherheitsüberprüfung zum Forschungsreaktor, für eine Ausweitung der Flugverbotszone über dem Reaktor und für einen neuen Standort des Zwischenlagers eingesetzt.

Was ist seitdem geschehen? Was sind noch offene Fragen?
· Es gab eine neue Sicherheitsüberprüfung, den sogenannten Stresstest, unter Beteiligung des TÜV Rheinland, ehe der Forschungsreaktor nach längerem Stillstand im März 2012 wieder in Betrieb genommen wurde. Die Reaktorsicherheitskommission des Bundes hat in ihrem Bericht vom Mai 2012 aber einen deutlich verbesserten Notfallschutz gefordert. Es seien ergänzende Prüfungen und Nachrüstungen erforderlich, insbesondere für den Fall des Absturzes eines Verkehrsflugzeuges. In diesem Fall sei eine Kernschmelze ohne Wasserüberdeckung mit erheblichen Strahlenwirkungen für die Umgebung möglich. Dies alles ist bisher noch nicht erledigt, vielleicht noch nicht einmal begonnen worden.
· Das Flugbeschränkungsgebiet im Umkreis um den Reaktor wurde auf Betreiben des Senats von Berlin von 0,8 auf zwei nautische Meilen (3,7 Kilometer) Durchmesser erweitert. Aber es endet weiterhin in nur 2000 Fuß (670 Meter ) Höhe. Das ist lächerlich wenig, weil es nicht die großen Verkehrsmaschinen im An- oder Abflug zu Berliner Flughäfen hindert über den Forschungsreaktor und das Zwischenlager zu fliegen. Gerade darum aber müsste es bei der Festlegung des Flugbeschränkungsgebietes aus Sicherheitsgründen gehen!
· Die Aufforderung an den Berliner Senat, einen neuen Standort für die ZRA/ das Zwischenlager für radioaktive Abfälle zu prüfen und dazu Verhandlungen mit anderen Bundesländern und dem Bund zu führen, ist zwar akzeptiert worden, aber es zeichnet sich noch keine Lösung ab.

Wir wollten diese offenen Fragen in einer weiteren öffentlichen Veranstaltung am 13. November  mit Fachleuten des Helmholtz-Zentrums für Materialien und Energie (HZB) und der Berliner Verwaltung, sowie mit dem umweltpolitischen Sprecher der SPD-Abgeordnetenhausfraktion, Daniel Buchholz erörtern. Aber leider hat die Leitung des HZB abgelehnt, Fachleute dabei auftreten zu lassen, weil es sich ihrer Ansicht nach nur um politische Fragen handele. Das ist bei Fragen des Betriebs und der Sicherheit von Forschungsreaktor und ZRA aber keineswegs der Fall. Wir brauchen kompetente Fachleute auch in politischen Diskussionen und sehen eine Bringschuld der Wissenschaft gegenüber Öffentlichkeit und
Politik.

Wir haben die Veranstaltung mit Bedauern abgesagt, weil dies jetzt fehlt. Wir hoffen, dass es uns in absehbarer Zeit gelingt, diese Veranstaltung für die interessierten Bürgerinnen und Bürger in Wannsee mit Fachleuten aus Wissenschaft, Verwaltung und Politik zustande zu bringen.“