Wie gestört das Verhältnis zwischen der Jugendstadträtin Christa Markl-Vieto (Grüne) und der Vorsitzenden des Jugendhilfeausschusses, Renate Krohm (SPD), ist, zeigte die jüngste Bezirksverordnetenversammlung. Es herrscht Misstrauen zwischen den beiden Frauen, die doch eigentlich zusammenarbeiten sollen. Markl-Vieto will zukünftig Gespräche zwischen ihnen beiden protokollieren, Krohm die Sitzungen des Jugendhilfeausschusses aufzeichnen lassen.

Grund für die teilweise lautstark geführte Diskussion war eine, aus Markl-Vietos Sicht, kleine Geschichte, die Krohm – und andere – für eine Generalabrechnung mit der Bezirksstadträtin nutzte.

In einer Großen Anfrage wollte Krohm von Markl-Vieto wissen, warum das Jugendamt der Helmut Ziegner Berufsbildung gGmbH, einem sozialen Dienstleistungsunternehmen der Jugendberufshilfe in Berlin, die Räume an der Lissabonallee 6 gekündigt hat.

Seit 1980 habe die Helmut Ziegner Berufsbildung eine sehr gute Arbeit an der Lissabonallee geleistet, erklärte Markl-Vieto und bedankte sich dafür ausdrücklich. Weil die gGmbH Jugendliche im Sinne des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG) ausbildete, musste sie für die dafür genutzten Räumlichkeiten keine Miete zahlen. Derzeit sind es allerdings nur noch vier Jugendliche, die von der Helmut Ziegner Berufsbildung dort ausgebildet werden. Der Rest sei eine gewerbliche Nutzung, die nicht förderfähig sei, führte Markl-Vieto aus. Aufgrund dessen habe man bei einer Verhandlung mit dem Gesellschafter, der Helmut-Ziegner-Stiftung, nicht mehr auf die Miete von 5,50 Euro pro Quadratmeter verzichten könne. Sogar der Rechnungshof habe dies bei einem Besuch im vergangenen Jahr angemahnt, führte die Bezirksstadträtin weiter aus.

Bei Gesprächen Anfang Januar vergangenen Jahres habe die Stiftung zu verstehen gegeben, dass sie den geforderten Mietpreis nicht zahlen könne, auch ein reduzierter Quadratmeterpreis sei für die Stiftung nicht wirtschaftlich. Deshalb habe das Amt der Stiftung zum Ende des Jahres 2016 gekündigt. Das Jugendamt kam der Stiftung, auch um die Ausbildung der vier Jugendlichen nicht zu gefährden, soweit entgegen, dass diese die Räume bis Ende des Jahres kostenlos nutzen kann. Eine Rückkehr der Stiftung an die Lissabonallee schloss Markl-Vieto nicht aus, wenn sie wieder Projekte anbiete, die durch das KJHG förderfähig seien.

Genutzt werden sollen die freiwerdenden Räume an der Lissabonallee durch eine bezirkliche Jugendberufsagentur, die noch in diesem Jahr dort eingerichtet werden soll. Auch in diesem Rahmen wäre eine Zusammenarbeit mit der Helmut-Ziegner-Stiftung möglich, die Gespräche liefen, so Markl-Vieto.

Mehr noch als die Tatsache, dass der Stiftung, die seit Jahren gute Arbeit leiste und, wie Krohm aufzählte, sehr wohl Jugendhilfe anbiete, ärgerte sich Krohm darüber, dass der Jugendhilfeausschuss (JHA) nicht von Markl-Vieto über die Kündigung informiert worden sei. Und das sei nicht das erste Mal, dass die Bezirksstadträtin ihrer Informationspflicht nicht nachgekommen sei. Dann holte Krohm zum großen Schlag aus: „Vor lauter Umstrukturierung im Jugendamt funktioniert gar nichts mehr“. 18 Stellen, in der späteren Diskussion waren auch 44 und 62 im Gespräch, seien unbesetzt. „Wo geht die Reise hin?“, wollte Krohm von der Stadträtin wissen und bekam dabei Unterstützung von Pirat Georg Boroviczeny, der der Stadträtin vorwarf, sich nicht an das Gesetz zu halten, das den JHA als Teil des Jugendamtes definiert und deshalb auch über alle Schritte informiert werden müsse. Er fragte sich, ob das Jugendamt seine Aufgaben überhaupt noch wahrnehmen könne. „Wer die Verantwortung nicht schultern kann, sollte sie nicht tragen“, fand Boroviczeny und regte an, der Bezirksstadträtin Aufgaben zu entziehen, so wie es die CDU und die Grünen bereits bei Bezirksstadtrat Michael Karnetzki getan haben.

Schließlich entspann sich eine Diskussion darum, ob Information eine „Bringschuld des Jugendamtes“ sei, wie SPD-Fraktionschef Norbert Buchta fand, oder ob nicht auch die JHA-Vorsitzende in der Verantwortung stehe, entsprechende Themen auf die Tagesordnung zu setzen, wie Maren Schellenberg, Fraktionsvorsitzende der Grünen, dagegenhielt.

Markl-Vieto erklärte, sie und ihr Amt seien zur abgesprochenen JHA-Sitzung vorbereitet gewesen, um Auskunft über die Kündigung der Helmut-Ziegner-Stiftung zu geben, doch das Thema sei von Krohm nicht aufgerufen worden. Die wiederum erklärte, dass das Thema unter Verschiedenes beraten werden sollte und von der Bezirksstadträtin selbst hätte angesprochen werden sollen.

Dass Krohm ein Thema abgesprochen dann aber nie aufgerufen hätten, um anschließend eine mangelnde Information des Amtes zu beklagen, sei nicht zum ersten Mal vorgekommen, erklärte Markl-Vieto. Sie vermutete darin ein Trick Krohms. Deshalb werde sie zukünftig den Absprachen zu den JHA-Sitzungen zwischen Krohm und der Jugendamtsleiterin beiwohnen und diese schriftlich festhalten, kündigte sie an. Gleichzeitig warf sie Krohm zu wenig Empathie mit den Mitarbeitern des Jugendamtes vor. Die von ihr kritisierten Umstrukturierungen seien nötig, um mit dem wenigen Personal, das man habe, zurechtzukommen. „Sie hätte ich gern an meiner Seite, um für das Jugendamt und für die Jugendliche etwas zu tun“, appellierte Markl-Vieto an Krohm. Stattdessen nehme sie ein so kleines Thema zum Anlass, um das Jugendamt und sie zu desavouieren. Das sei „schäbig“, so die Bezirksstadträtin.

Krohm ließ das nicht auf sich sitzen, nannte es nun ihrerseits „beschämend“, wie die Arbeit der Helmut-Ziegner-Stiftung herabgewürdigt werde und warf Markl-Vieto vor, selbst für die Defizite im Jugendamt zu sorgen. In Zukunft werde sie die Sitzungen des JHA aufzeichnen lassen.

Dass die Diskussion nicht noch auf Hundeverbot und Heckenrodungen ausgedehnt wurde, war dem Vorsteher der Bezirksverordnetenversammlung zu verdanken.

(go)