Doppelter Torschütze und einer der stärksten Akteure am Sonntag: Timur Gayret. Foto: Kerstin Kellner

Die letzten Partien einer Spielzeit stehen meist unter einem besonderen Stern. Zum einen agieren die Teams oft befreit von allen taktischen Zwängen, da für viele die Saison „gelaufen“ ist. Zum anderen stehen Abschiede von verdienten Spielern auf der Tagesordnung, so auch am gestrigen Sonntag im Ernst-Reuter-Stadion. Der 4:2-Erfolg der Zehlendorfer geriet dabei zwar nicht zur Nebensache, aber es lag eine Abschiedsstimmung über der Begegnung.

Darius Niroumand, Zehlendorfer Urgestein, Ersatztorwart Eric Günther, der schnelle Mike Ryberg, Mittelfeldspieler „Maxi“ Obst und Burak Mentes, oft der Klebstoff, der die Mannschaft zusammenhielt, wurden vor dem Anpfiff verabschiedet. „Ich wollte eigentlich noch ein paar Sätze zum Abschied sagen, aber ich konnte meinen Satz einfach nicht beenden, weil ich schlucken musste“, gestand Mentes hinterher seine Gefühlslage ein. Er stand damit nicht alleine.

Es entwickelte sich von Beginn an eine sehr abwechslungsreiche, offensive Begegnung, in der beide Mannschaften den Zuschauern teilweise ein Spektakel boten. „Spiele gegen Wismar haben meist einen hohen Unterhaltungswert“, sagte Interimstrainer Robert Schröder auf der anschließenden Pressekonferenz. Wohl wahr!

Die „kleine Hertha“ hätte in der 23. Minute eigentlich in Führung gehen müssen, doch scheiterte Torjäger Sebastian Huke mit einem Foulelfmeter an Wismars Schlussmann Kosiorek. Von dem Moment an, klebte Zehlendorfs Torgarantie das Schusspech an den Stiefeln. Eine nicht so gewagte These: Verwandelt Huke in diesem Augenblick, geht er mit drei eigenen Treffern vom Platz. Aber die Berliner haben zuletzt Wege und Alternativen gefunden, um ihre Spiele trotzdem zu gewinnen.

Nach dem 0:1 Rückstand durch Pais Rodrigues (41.) (Schuss aus 25 Metern Entfernung), schlugen sie noch vor der dem Wechsel zurück: Timur Gayret, einer der auffälligsten Zehlendorfer, erzielte fast im Gegenzug im Nachschuss den 1:1-Ausgleich (43.). Das gleiche Bild bot sich zu Beginn der zweiten Hälfte: Ein Foulelfmeter nutzten die Gäste zur 2:1-Führung durch Mbengani (52.), nur zwei Minuten später glichen die Berliner wieder aus. Einen Pass von Huke auf den über außen durchstartenden Panajiotis Haritos servierte dieser direkt in die Mitte auf Niclas Warwel, der den Ball mühelos über die Linie schob. Erneut war es Warwel, der die Gastgeber erstmals in Führung brachte: Haritos scheiterte noch am Wismarer Torhüter, Warwel wuchtete den Abpraller mit Vehemenz ins Netz: 3:2 (64.). „Wir waren heute sehr konsequent im Nachsetzen. Ich freue mich sehr über meinen ersten „Doppelpack“ in dieser Saison.“, strahlte Warwel. Tatsächlich erzielten die Berliner drei ihrer vier Treffer im zweiten Anlauf.

In den letzten 20 Minuten wurde es turbulent: Wismar warf alles nach vorn, Zehlendorfs Torhüter Philip Sprint geriet in den Mittelpunkt. Erst hielt er einen Mbengani-Schuss (70.), später parierte er gegen Unversucht (87.) und in der 90. Minute stand ihm das Glück ein wenig zur Seite als erneut Unversucht zu genau Maß nahm und mit einem wuchtigen Fernschuss knapp das Tor verfehlte. Zwischendurch klärte der eingewechselte Lenny Stein noch auf der eigenen Torlinie (85.). Die Entscheidung fiel dann in der Schlusssekunde. Der FC Anker warf alles nach vorn (der Torhüter rückte mit auf) und lief in einen Konter. Der schnelle Warwel fing das Leder ab, stürmte über das gesamte Feld auf den leerstehenden Kasten zu, legte quer auf Huke, der, verunsichert durch sein Schusspech, den Ball erst annahm, um dann einen zurückgeeilten Wismarer auf der Torlinie anzuschießen. Doch den Abpraller versenkte Gayret mit seinem zweiten Treffer. „Ich hätte heute wirklich drei ‚Dinger’ machen müssen“, gab Huke zu, „aber wichtig ist doch, dass wir gewonnen haben.“

Die „kleine Hertha“ verabschiedete sich mit einer überaus attraktiven Partie von ihrem Heimpublikum. Am kommenden Sonntag steht noch das Auswärtsspiel bei Hertha 06 auf dem Programm (14 Uhr, Sömmeringstraße), dann geht es in die verdiente Sommerpause.

Der Kader weist nach den Abgängen noch einige Lücken auf, doch haben Leistungsträger wie Robert Schröder, Sebastian Huke, Philip Sprint, Niclas Warwel, Dennis Dombrowe und Lenny Stein ihre Verträge bereits unterschrieben. Spannend bleibt es somit auch in der Sommerpause. Und die Liga wird in der nächsten Spielzeit noch attraktiver: Ex-Bundesligist Blau-Weiß 90 gelang gestern der Sprung in die Oberliga. Zahlreiche Berliner Derbys sind garantiert.

(ok)