Rüdiger Buchmann empfängt zukünftig wieder die Besucher des historischen Kaufmannsladen auf der Domäne Dahlem. Aber nicht mehr als Original, sondern als Projektion. Foto: Gogol

Die Zeiten der kleinen „Tante-Emma-Läden“ sind lange vorbei. Heute bestimmen Supermärkte und Selbstbedienung das Einkaufsverhalten. Wie es in einem Kaufmannsladen zwischen 1900 und 1930 aussah, kann man schon seit 2006 im Herrenhaus der Domäne Dahlem sehen. Nun aber lässt ein einmaliges Projekt das „Einkaufserlebnis“ dort noch realer werden.

Betritt man den restaurierten kleinen Laden im Herrenhaus, kündigt eine Glocke dem Kaufmann an, dass Kundschaft da. Er erscheint in seinem weißen Kittel, begrüßt die Gäste, fragte nach den Wünschen. Aber der Mensch, der dort vor einem steht, ist nicht echt, sondern eine Projektion, quasi ein Hologramm. Es ist Rüdiger Buchmann, der mit Hilfe eines Beamers auf eine an der Theke befestigte Glasplatte projiziert wird. So wirkt es fast, als ob Buchmann dort wirklich steht.

Der 75-Jährige ist kein Schauspieler, sondern Kaufmann. Ab 1955 lernte er bei Reichelt in Spandau in einem dieser „Tante-Emma-Läden“, kennt noch deren „typische Atmosphäre“ wie er sagt. Dem Unternehmen blieb er treu, bis er in Rente ging. Er beschäftigte sich viel mit der Geschichte des Berliner Traditionsunternehmens und wurde zu dessen „historischen Gewissen“, so Dr. Peter Lummel, Museumsdirektor und Stiftungsvorstand Domäne Dahlem. Kennengelernt haben sich die beiden Männer, als die die Domäne den Kaufmannsladen mit originalen Teilen einrichtete. Buchmann baute maßgeblich das Ehrenamtlichen-Projekt „Lebendige Geschichte / Einkaufen früher“ der Domäne Dahlem mit auf, bis 2011 stand er auch regelmäßig selbst hinter dem Tresen, berichtete interessierten Besuchern von der Arbeit im Kaufmannsladen, kam mit ihnen ins Gespräch. Ältere erinnerten sich an die Zeit und erzählten Buchmann so manche Anekdote. Kaum ein Kind verließ den Laden ohne Bonbon. Nun wurde Buchmann in einem Film verewigt.

Die historische Basis dafür lieferte Lummel. Er führte zahlreiche Interviews mit Zeitzeugen, die in Kaufmannsläden gearbeitet haben, darunter natürlich auch Rüdiger Buchmann. 30 Stunden Rohmaterial hatte er am Ende zusammen, erzählt der Domänen-Direktor. Dieses war die Grundlage für das Drehbuch von Kirsten Hader, die dieses ehrenamtlich verfasste. Sie wollte die zahlreichen Informationen authentisch wiedergeben, so dass sie den Zuschauer und -hörer fesseln und faszinieren, erklärt sie. Entstanden ist dabei ein rund neunminütiger Film, in dem Buchmann berichtet, dass Mehl, Reis und sogar Senf und Essig noch lose verkauft wurden. Dass der Kaufmann seine Kunden mit Namen kannte und was sie einkauften. Natürlich kannte der Kaufmann den Klatsch und Tratsch als erstes. „Beichten tat man beim Kaufmann“, sagt Buchmann. Er zeigt auch das große Buch, in dem die Kunden verzeichnet waren, die ihre Rechnungen nicht sofort bezahlen konnten oder wollten und anschreiben ließen. Sechs Tage in der Woche von 7 bis 19 Uhr stand der Kaufmann im Laden, ohne Pause. Davor wurden die Regale aufgefüllt, danach aufgeräumt, Bestellungen aufgegeben, die Bücher geführt.

Für Lummel ist Buchmann ein Glücksfall, denn der Film und das Museum profitierten von dessen Authentizität.

Zu sehen ist der Film täglich zu den Öffnungszeiten. Finanziert wurde das Projekt mit Hilfe europäischer Mittel in Höhe von 18.000 Euro.

(go)