Während des Ersten Weltkriegs ließ Carl Paul Goerz die „Optische Anstalt C.P. Goerz“ am Stichkanal errichten. Foto: Denkmalschutzbehörde

Während des Ersten Weltkriegs ließ Carl Paul Goerz die „Optische Anstalt C.P. Goerz“ am Stichkanal errichten. Foto: Denkmalschutzbehörde

 

In Steglitz-Zehlendorf ist die vielbefahrene Goerzallee, die einst die Dörfer Lichterfelde und Teltow verband, jedem ein Begriff. Doch nur wenige kennen das für die Namensgebung der Straße verantwortliche Goerzwerk. Es ist das Denkmal des Monats März.

1890 gründete der Optiker und Unternehmer Carl Paul Goerz die „Optische Anstalt C.P. Goerz“, die vor allem fotografische Apparate herstellte und bald zum größten Hersteller von Präzisionsoptik im Deutschen Reich heranwuchs. Die von Goerz produzierte Schlitzverschluss-Kamera ermöglichte erstmals das Fotografieren bewegter Objekte und war eine Sensation. 1897 entstand die erste Fabrik für 400 Mitarbeiter in der Friedenauer Rheinstraße. Dank militärischer Großaufträge expandierte das Unternehmen so rasant, dass in der Rheinstraße nach zahlreichen Erweiterungen der Platz nicht mehr ausreichte.

Noch während des Ersten Weltkriegs wurde nach Plänen des Architekten Emster ein zweites Werk in Schönow am Zehlendorfer Stichkanal (heute Lichterfelde) errichtet. In dem mit Ausnahme der Elberfelder Papierfabrik 1915 noch unbebauten Industriegebiet mit Hafenanschluss und privater Eisenbahnverbindung konnte Goerz bis 1919 großzügig planen. Die Produktion war jetzt ausschließlich für militärische Zwecke vorgesehen, was die Materialbeschaffung deutlich begünstigte.

Zunächst entstand das Hauptgebäude mit anschließender Maschinenhalle. Im Gegensatz zum Friedenauer Werk, das zeitgemäß im Stil der Neogotik errichtet wurde und sich der umliegenden Wohnbebauung anpasste, entstand in Schönow ein zweckmäßig modernes Fabrikgebäude, das mit seiner Eisenbetonkonstruktion große Fensterflächen und eine flexible Raumaufteilung ermöglichte. Auf aufwändiges Dekor und eine große Dachlösung wurde verzichtet. Flach, begehbar konnte das Dach so auch für Vermessungszwecke genutzt werden.

Das Gebäude wurde zunächst mit drei Innenhöfen errichtet, eine spätere Erweiterung auf 13 Höfe war aber schon von Anbeginn an geplant. Obwohl die weiteren Bauabschnitte nicht ausgeführt wurden, sind die vorgesehenen Anschlüsse an der Fassade heute noch ablesbar.

Neben dem Hauptgebäude entstanden zahlreiche weitere Gebäude wie Generatoren- und Kesselhaus, Gießerei, Schleiferei oder die Glashütten, die Goerz von der Zulieferung des dringend benötigten Kernmaterials unabhängig machten. Mit dem Bau der – gleichfalls denkmalgeschützten – Werkssiedlung am Hafen und betriebseigenen Feuerwache an der Allee war der Industriekomplex Goerzwerke 1922 abgeschlossen. Er umfasste das gesamte heutige Gewerbegebiet am Stichkanal.

 

In den Lofts soll nun ein Zentrum für Start Up-Unternehmer entstehen. Foto: Denkmalschutzbehörde

In den Lofts soll nun ein Zentrum für Start Up-Unternehmer entstehen. Foto: Denkmalschutzbehörde

 

In den neuen Werken arbeiteten bis zu 12.000 Mitarbeiter. Goerz, der in Friedenau schon den Achtstunden-Tag und bezahlten Urlaub einführte, sorgte sich vorbildlich um seine Mitarbeiter. Er kaufte die Anteile der bestehenden Industriebahn, damit seine Mitarbeiter mit derselben, der sogenannten Goerzbahn, bequem ihren Arbeitsplatz erreichten. Die Schienen sind noch auf dem Grundstück vorhanden und waren ursprünglich auch mit der Werkssiedlung verbunden, wo den Arbeitern zu günstigen Konditionen Wohnraum in unmittelbarer Nähe des Arbeitsplatzes geboten wurde.

Mit dem Versailler Vertrag musste die Firma ihr Profil radikal umstellen. Nur eine Fusion mit den Jenaer Zeiss-Werken zur Zeiss-Ikon-AG rettete ihre Zukunft: Neben Kameras, Beleuchtungs- und Studiotechnik für die Film- und spätere Fernsehproduktion wurden jetzt vor allem Profilzylinder hergestellt, die schon bald den Schwerpunkt der Produktion bildeten. In den Werksgebäuden findet sich überall der charakteristische Mäanderfries wieder, der noch heute die Schlüssel von Zeiss-Ikon ziert.

Nach Brandschäden im Zweiten Weltkrieg und Sanierungen in den 1960er Jahren hat sich das Bild der Gebäude gravierend verändert. Die ehemals roten Klinkerfassaden sind unter einer weißen Farbschicht verschwunden, die eleganten gefliesten Betonbrüstungen liegen versteckt hinter Metallverkleidungen. Neue Fenster mit grober Teilung haben einen großen Teil der ursprünglichen Sprossenfenster ersetzt. Geht man allerdings um das Gebäude herum, lässt sich weitab von der Straße die ursprüngliche Gestaltung an der zum Teltowkanal gewandten Seite wiederfinden.

Kürzlich verabschiedete sich die schwedische Assa-Abloy-Gruppe, nachdem sie Zeiss- Ikon aufgekauft hatte, von ihrem Baudenkmal und errichtete auf dem Nachbargrundstück eine neue Produktionshalle. Der heutige Eigentümer des traditionsreichen Industriekomplexes, Silvio Schobinger, baut in dessen Lofts ein Zentrum für Start Up-Unternehmer auf. In Anlehnung an die mehr als 100-jährige Geschichte und als Bewahrer eines großen Namens nennt er es kurz und bündig: „Goerzwerk“.

 

Sabine Schmiedete, Untere Denkmalschutzbehörde