Pankows Kiezblock wurde vom Verwaltungsgericht gekippt. In Mitte und Schöneberg laufen verschiedene Kiezblock-Initiativen. Für Steglitz gibt es derzeit keine entsprechenden Planungen. Foto: Junia Greb-Georges

 

Das Verwaltungsgericht Berlin hat am 15. Dezember 2023 in einem Eilverfahren beschlossen, dass die im Sommer desselben Jahres errichtete Straßensperrung im Nesselweg und damit im Zusammenhang stehende Straßenschilder abgebaut werden müssen (VG 11 L 316/23).  

In Pankow hatte die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) bereits 2021 entschieden, dass Maßnahmen notwendig seien, um den Durchgangsverkehr im Pankower Nesselweg zu begrenzen. Mit ihrem Anliegen wandte sie sich im Juni 2021 an das zuständige Bezirksamt. Die BVV begründete ihre Forderung damit, dass sich Autofahrer und Autofahrerinnen nicht an die Geschwindigkeitsbegrenzung hielten und die teilweise schmalen Gehwege befuhren. Durch das Verhalten würden andere Verkehrsteilnehmer, insbesondere Kinder, gefährdet. Im Februar 2023 erließ das Bezirksamt eine verkehrsrechtliche Anordnung zur Aufstellung von drei Sperrpfosten im Nesselweg.

Gericht fehlt es an Darlegung einer erhöhten Gefahrenlage

Dem Verwaltungsgericht reicht diese Begründung nicht aus. Seiner Ansicht nach fehle es an den notwendigen besonderen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Durch drei Poller am Nesselweg in Pankow wurde eine Durchfahrtssperre geschaffen, an deren Rechtmäßigkeit das Gericht zweifelt. Es sieht die Vorgaben in der Straßenverkehrsordnung (StVO) für eine solche Maßnahme als nicht eingehalten an. Konkret geht es dabei um die so genannte „Gefahrenlage“ aus Paragraph 45 der StVO. In der Pressemitteilung des Gerichts heißt es, das Bezirksamt habe eine erhöhte Gefahrenlage nicht dargelegt. Es hätte zumindest Angaben über aktuelle Verkehrs- oder Unfallzahlen sowie Ordnungswidrigkeitenverfahren machen müssen.

Kiezblöcke bestehen nicht nur aus Pollern

Durchfahrtssperren als Teil eines Gesamtkonzepts, dass als „Kiezblock“ bezeichnet wird, sind in Berlin seit einigen Jahren an mehreren Stellen zu sehen. Ziel ist es, die Kieze dadurch sicherer und lebenswerter zu machen, indem der reine Transfer-Verkehr aus Wohngegenden herausgehalten wird. Dabei wird in der Regel der gesamte Wohnblock in die Betrachtung einbezogen. Häufig werden dabei weitere verkehrslenkende Maßnahmen wie Fahrradstraßen, Einbahnstraßen sowie anderweitige Umgestaltungen der städtischen Wohnquartiere in die Planung aufgenommen, um diese zu beleben.

 

Auch Fahrradstraßen können Teil eines Kiezblock-Konzeptes sein. Foto: Junia Greb-Georges

 

In Berlin wird die Errichtung solcher Kiezblöcke vom Verein „Changing Cities e.V.“ vorangetrieben, der auch am Volksentscheid Fahrrad beteiligt gewesen ist. Er informiert und mobilisiert Interessierte, sich für solche verkehrsberuhigten Wohnquartiere einzusetzen. In seinen „Empfehlungen für Superblocks“ hat er Vorschläge für die Einführung bundesweiter Standards für Kieze ohne Durchgangsverkehr veröffentlicht. Der Verein sieht diese als mögliche Richtlinien für Kommunen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung.

Zum aktuellen Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin erklärt die Pressesprecherin von Changing Cities, Ragnhild Sørensen: „Es bleibt ein großes Missverständnis, dass ein Kiezblock nur aus Pollern besteht. Die Durchgangssperre ist aber nur eine von vielen Maßnahmen eines umfassenden städtebaulichen Konzepts, um sicheren Fuß- und Radverkehr zu ermöglichen und die Kieze sicherer, klimaresilienter und lebenswerter zu machen. Die drei Standards und deren rechtliche Begründung haben wir in Empfehlungen für Superblocks (ESu23) beschrieben. Frau Anders-Granitzki (CDU), die Stadträtin aus Pankow, hat diese offensichtlich vor der Anordnung nicht beachtet.“

Wie ein Kiezblock entsteht

Ausgangspunkt ist oft ein Mittel der direkten Demokratie: Der Einwohnerantrag. Anwohner und Anwohnerinnen entwerfen selbst Konzepte zur Verkehrsberuhigung für ihren Kiez und sammeln Unterschriften. Über den Einwohnerantrag entscheidet dann die BVV. Wird er angenommen, wird sie das zuständige Bezirksamt zur Umsetzung entsprechender Maßnahmen auffordern.

Spanien als Vorreiter

Vorbild für die Kiezblöcke in Berlin sind die so genannten „Superblocks“ in Barcelona. Vier bis neun benachbarte Wohnhäuser werden dort zu einer gemeinsamen Einheit verbunden. In diesen Superblocks wird die Verkehrsführung so gestaltet, dass zwar Anwohner und Anwohnerinnen mit ihren PKW, Lieferverkehr, öffentlicher Verkehr und Rettungsfahrzeuge in diese hineinfahren können. Der reine Durchfahrtsverkehr wird jedoch durch physische Hindernisse wie beispielsweise Poller oder Blumenkübel unterbunden. Solche Barrieren werden auch Modalfilter, oder – je nach Anordnung – Diagonalfilter genannt. Fußgänger und Radfahrer können auf diese Weise sicherer ans Ziel gelangen und sind Nutznießer von mehr Platz. Auch in Barcelona ist das Ziel solcher Superblocks, Wohnquartiere lebenswerter zu gestalten.

Ausblick

Der Beschluss des Gerichts könnte Folgen haben. Besonders für bereits geplante Kiezblöcke an Stellen, an denen eine erhöhte Gefahrenlage nicht anhand von Unfallzahlen und Statistiken dargelegt werden kann. Für Steglitz-Zehlendorf hat die Gerichtsentscheidung keine direkte aktuelle Relevanz. Im Bezirk gibt es bisher keine Kiezblöcke. Auf eine Anfrage an den Bezirksstadtrat Urban Aykal (Bündnis 90/ Die Grünen) antwortet das zuständige Bezirksamt, dass für Steglitz-Zehlendorf derzeit keine Kiezblöcke in Planung seien.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin erging im Eilverfahren. Gegen den Beschluss kann das Bezirksamt Pankow Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg erheben.

Junia Greb-Georges