Vor allem, weil die Stiftung der Domäne Dahlem bauliche Veränderungen plant, kann der B-Plan nicht festgesetzt werden. Archiv- Foto: Wendlandt

Die heutige Domäne Dahlem mit ihrem Gutshaus ist nur ein kleiner Rest des einstigen Rittergutes Dahlem.  Archiv- Foto: Wendlandt

Spitzenforschung, in der Welt beachtet, Viehweiden neben U-Bahngleisen, Landarbeiterhäuser und mondäne Villen, grüne Täler mit weiten Horizonten, Wald- und Seenlandschaften und die Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz bestimmen einen einmaligen Ort.

Jahrhundertelang bestand Dahlem nur aus Sandböden, eiszeitlichen Rinnen und Tümpeln an der Ostkante des Spandauer Forstes. Mit Verkauf des Spielsees durch die Dahlemer Gutsherren von Spiel an den Kurfürsten Joachim II kommt es 1542/43 zum Bau eines Jagdschlosses „zum gruenen Wald“. Eine Wegeverbindung zwischen Berlin und Dahlem wird angelegt, in dessen nördlichem Verlauf der durch Sumpf führende Knüppeldamm heute den Kurfürstendamm bildet. Im Gutshaus entsteht der älteste überlieferte Raum, der gotische Saal mit seinem Sterngewölbe. Friedrich Heinrich von Podewill entwickelt das Dorf zu einem Rittergut mit angestellten Landarbeitern und sorgt für den Zusammenhalt der 500 Hektar großen Feldmark, die effizient und produktiv großflächig bewirtschaftet wird. Charlotte von Beyme verkauft das Gut 1841 an den preußischen Domänefiskus. Das Rittergut wandelt sich in die Königliche Domäne Dahlem, die mit ihren Felderträgen und der Lebensmittelversorgung der rasant wachsenden Bevölkerung Berlins gute Geschäfte macht. Daher verweigert der Staat den Verkauf der Feldflur an Villenkoloniebegründer wie Johann Anton Wilhelm von Carstenn und ließ sich stattdessen von Ideen aus dem Kultusministerium inspirieren, vor allem von Friedrich Althoff, der nach der Reichsgründung von einem preußischen Oxford im Südwesten Berlins träumte.

Den Startschuss gab 1897 die Verlegung des Botanischen Gartens von Schöneberg nach Dahlem. Auch die Chaussierung des Weges von Steglitz zum Jagdschloss war bereits 1889 eine größere Baumaßnahme (ab 1906 Königin-Luise-Straße). Mit Ende des Pachtvertrages von Adolph Kirchner als Bewirtschafter der Domäne entscheidet sich die preußische Regierung, Althoff folgend, ihre Feldflur zu parzellieren und mit dem Verkauf von Villengrundstücken die Ansiedlung wissenschaftlicher Institute zu finanzieren, für die ein Großteil der Parzellen vorgehalten wird. Innerhalb weniger Jahre wird aus dem landwirtschaftlichen Rittergut ein exklusiver Boomort, verwandeln sich Äcker in Gärten und Parkanlagen. Dahlem mutiert zu einem Stadtlabor für moderne und traditionelle Wohnformen, ein Freilichtmuseum der Architekturgeschichte, das von der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (heute Max Planck-Gesellschaft), Instituten der Königlich-Preußischen Hochschule, betuchten Bauherren und dem preußischen Landwirtschaftsministerium bespielt wird.

Auch als 1914 mit dem Bau der U-Bahn vom Wittenbergplatz bis zum Thielplatz die Metropole mitten durch das Dorf nach Süden schießt, merkt man auf dem Anger davon kaum etwas. Kaiser Wilhelm setzt sich persönlich dafür ein, dass der Bahnhof aussieht wie ein Bauernhaus, ein niederdeutsches mit Reeddach. Die ersten stadträumlichen Strukturen werden in der Aufteilungskommission des Landwirtschaftsministeriums und dem beauftragten Architekten Walter Kyllmann 1898 geplant. Im Dezember 1904 wird die Straßenbahnlinie zwischen Steglitz und Grunewald eröffnet, auch damit die Gardeschützen und Kadetten aus Lichterfelde schneller ihre Schießstände erreichen. Ansonsten knüpft Kyllmann konventionell an die benachbarten Stadtgrundrisse der Villenkolonien an und führt das für das späte 19.Jahrhundert typische Orthogonalraster fort. Breitere Chausseen – Habelschwerdter-, Schorlemmer-, Lentze-, Engler-, Thiel- und Pacelliallee – erhalten auf Wunsch des Kaisers in der Mitte auskömmliche Reitwege.

1907 erkennt Hugo Thiel, Ministerialdirektor im Landwirtschaftsministerium, dass Kyllmanns Bebauungsplan zu schematisch und der bewegten Moränenlandschaft nicht angepasst ist. Er sucht Rat bei Heinrich Schweitzer, einem Architekten, der in Dahlem im Laufe seines Berufslebens fast ein Dutzend Landhäuser und den U-Bahnhof Podbieskiallee baut. Mit Hermann Jansen veröffentlicht er 1911 einen neuen Bebauungsplan, der sich buchstäblich an die Topographie anschmiegt und Höhen- und Talverläufe für geschwungene Straßenführungen nutzt, die Einschnittbahn integriert und schwer bebaubare Zonen zu weitläufigen Parklandschaften transformiert.

Es werden reizvolle Sichtachsen und Raumbezüge gestaltet, die insbesondere in der Nähe des Botanischen Gartens mit der Anlage der Königlichen Gärtnerlehranstalt und anderen Bildungseinrichtungen Wissenschaft und Stadtbild zu schönster Harmonie führen. Die Baugrundstücke wurden nach Möglichkeit für eine optimale Besonnung ausgerichtet.

Gut und Flur von Dahlem schrumpfen bis zum Ersten Weltkrieg auf den Dorfnukleus zusammen, der noch heute das malerische Bild dieses Ortes auszeichnet. 500 Hektar wandeln sich von der märkischen Sandbüchse in eine Vorstadtidylle, die in den 1920er Jahren nochmal einen großen Sprung mit der Verdichtung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft macht und von der Avantgarde eines Walter Gropius, Alfred Sommerfeld, Wassili und Hans Luckhardt, Bruno Taut, Bruno Ahrends und vieler anderer profitiert, die Architekturgeschichte geschrieben haben. Und wie man an ihren jüngsten Bauten, zum Beispiel der Philologischen Bibliothek von Norman Foster in der Habelschwerdter Allee erkennt, beteiligt sich auch die Freie Universität seit ihrer Gründung und Errichtung des Henry-Ford- Baus von Franz Heinrich Sobotka und Gustav Müller 1954, an der fortlaufenden Bestückung dieses Freilichtmuseums. Im Geist des Bebauungsplans von Hermann Jansen.

Dr. Jörg Rüter/Denkmalschutzbehörde