Schlaraffenland in Steglitz: Ein Verein verbindet Kulturen

Schlaraffenland in Steglitz: Ein Verein verbindet Kulturen

Das Vereinsheim der Lietzowia Berlin in der Treitschkestraße. | Foto: Lietzowia Berlin

 

Ob der Komponist Gustav Mahler, der Schauspieler Gustl Bayrhammer oder Walter Oehmichen, Gründer der Augsburger Puppenkiste – sie alle waren Schlaraffen. Der 1859 in Prag gegründete Bund der Schlaraffen repräsentiert eine einzigartige, global agierende Gemeinschaft, die seit 1859 das mittelalterliche Ritterleben auf humorvolle Weise wieder aufleben lässt.  

Schlaraffe bedeutet so viel wie „sorgenloser Genießer“. Das Motto der Schlaraffen »In arte voluptas« – »In der Kunst liegt Vergnügen« spiegelt tief verwurzelte Werte wie Toleranz, Respekt, Wertschätzung des Alters und echte Freundschaft. Politik, Religion, Fremdenhass und soziale Ausgrenzung sind bei den Mitgliedern nicht erwünscht. 

Die „Schlaraffia“ entstand aus Protest gegen Standesdünkel. Als 1859 der Direktor des Deutschen Theaters, Franz Thomé, einen seiner jungen Künstler, den Bassisten Albert Eilers, in die Prager Künstlervereinigung „Arcadia“ einführen wollte, wurde dieser wegen seiner Mittellosigkeit als offensichtlicher Proletarier abgelehnt. Aus Protest gründeten Eilers und seine Theaterkollegen einen Stammtisch, den sie spöttisch „Proletarier-Club“ benannten. Daraus entwickelte sich über manchen Umweg und über Rückschläge die heutige weltumspannende „Schlaraffia“. 

Auch heute noch sind die Rituale innerhalb der Versammlungen als Persiflage zu verstehen. Bei den wöchentlichen Treffen des Vereins entfaltet sich jedes Mal ein Schauspiel, in dem sich die Teilnehmer in Ritter, Junker oder Knappen verwandeln. Geistreiche Wortgefechte und Situationskomik schaffen eine lebendige und respektvolle Atmosphäre. In einem parodistischen Rollenspiel werden ritterliche Traditionen mit Leichtigkeit und Fröhlichkeit zelebriert, wobei stets ein niveauvolles Miteinander im Fokus steht. 

Mit über 8.200 Mitgliedern in 260 Ortsvereinen weltweit – von Amerika bis Australien – schaffen die Schlaraffen eine Plattform für Kulturliebhaber und Weltreisende. Die deutsche Sprache dient dabei als kulturelle Brücke über alle Kontinente hinweg. 

Ursprünglich als traditioneller Männerbund gegründet, der sich der Pflege von Freundschaft, Kunst und Humor widmete, hat sich die Schlaraffia mit Initiativen wie der »Minnesippung« und anderen Gemeinschaftsveranstaltungen weiterentwickelt, um die Integration von Frauen zu fördern. Diese Entfaltung ist ein wichtiger Schritt hin zur Überwindung von Geschlechtergrenzen innerhalb der Organisation und ermöglicht Frauen eine aktive Rolle in der Kulturförderung. 

In Steglitz gibt es seit 1909 die Schlaraffia Lietzowia e.V. Das Vereinslokal in der Treitschkestraße 17 ist von Oktober bis April, also in der kälteren Jahreshälfte, jeden Donnerstagabend ab 19.00 Uhr geöffnet. Interessierte sind herzlich willkommen. Es werden regelmäßig Lesungen, Musik und andere kulturelle Veranstaltungen geboten. 

Weitere Informationen:
https://lietzowia.de/
https://de.wikipedia.org/wiki/Schlaraffia  

 

 

Dieter Steinmetz 
Der Autor ist selbst Schlaraffe und gehört dem Bund Lietzowia Berlin an. 

 

 

 

 

 

 

 

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