Ohne Identität: Die Gefangenen in Ravensbrück. Foto: Gogol

Zehn Jahre alt war Ceija Stojka, als sie und ihre Familie von den Nazis abgeholt wurden: Auschwitz – Ravensbrück – Bergen-Belsen – das waren die Stationen, auf denen das Mädchen unermessliches Leid erlebte. Am 15. April 1945 wurde sie von der britischen Armee befreit. 40 Jahre dauerte es, bis sich die überlebende Romni künstlerisch mit dieser Zeit auseinandersetzte. In einer dreiteiligen Ausstellung zeigen Lith Bahlmann und Matthias Reichelt die bisher umfangreichste Schau zum Werk Stojkas. Während in der Galerie Nord des Kunstvereins Tiergarten die Tuschezeichnungen und Gouachen zu sehen sind, zeigt die Schwartzsche Villa in Steglitz eine Auswahl von Stojkas Gemälden.

„Sogar der Tod hat Angst vor Auschwitz“ heißt die Ausstellung. Das „fabrikmäßige Herstellen von Leichen in Auschwitz ist eine Entwürdigung des Todes“, erklärt Bahlmann den Titel, der auf eine mündliche Aussage Stojkas zurückgeht.

Der Schwerpunkt der Schau in der Schwartzschen Villa liegt auf der Zeit Stojkas in Auschwitz. 18 Monate war sie dort eingesperrt, im Speziallager für „Zigeuner“. Dass sie die die Auflösung des Lagers überlebte, verdankte die Elfjährige ihrer Mutter, berichtet Bahlmann, denn die habe ihr klar gemacht, dass sie sich als 16-Jährige und als voll arbeitsfähig ausgeben sollte.

Ceija Stojka war eine der Ersten in Österreich, die das Schweigen der Opfer brach.Foto: Christa-Schnepf

Die Deportation, die Gewalt, den Alltag in einem Konzentrationslager – das thematisiert Stojka in ihren Bildern – sowohl in den Zeichnungen als auch in den Gemälden. Darauf notiert sie Zeit und Ort, Gedanken. Appelle, Leichenberge, schreiende SS-Aufseher, die gefürchteten „Duschräume“ und die Rauchsäulen über Auschwitz zeigen die Gemälde in bunten Farben. Die Gefangenen bleiben dabei oft gesichtslos – im Gegensatz etwa zu den Porträts zweier Aufseherinnen in Ravensbrück. In den Konzentrationslagern habe man den Gefangenen die Identität genommen, so Bahlmann, sie seien auf Nummern, auf das nackte Überleben reduziert gewesen. Dass Stojka ab den 1980er Jahren als eine der Ersten in Österreich ihr Schweigen über jene Zeit brach, in der Öffentlichkeit über die Vernichtung der Sinti und Roma berichtete, Schüler darüber aufklärte –  das sei ihr Weg gewesen, um sich ihre Identität wieder zurückzuholen, so Bahlmann, die Stojka persönlich kennenlernte.

Dass sie anfing ihre Erlebnisse zu malen, verdankte die Künstlerin einem Besuch in Tokyo, wo sie mit Schülern ins Gespräch kam, aber mit Worten nicht ausdrücken konnte, was sie erlebt hatte. In Briefen fragten die Schüler, ob sie nicht ihre Erlebnisse malen könne – ein Schlüsselerlebnis für Stojka. So entstand ein „einmaliges bildnerisches Zeugnis einer überlebenden Romni“, erklärt die Kuratorin. Das sei etwas Seltenes, ergänzt Doris Fürstenberg, Leiterin des Kulturamtes Steglitz-Zehlendorf. Es gebe viele Berichte von Überlebenden, aber bildnerische Umsetzungen, vor allem von Sinti und Roma, gebe es nur sehr wenige.

In ihren Bildern erzählt Ceija Stojka vom Genozid an den Sinti und Roma während der Nazi-Zeit. Foto: Gogol

Die Eröffnung der dreifachen Ausstellung konnte die Künstlerin nicht mehr selbst erleben, sie starb im Januar vergangenen Jahres in ihrer Heimatstadt Wien. Doch ihre Familie war bei der Vernissage in der Galerie Nord zugegen und habe sich sehr bewegt gezeigt, so Bahlmann.

Die Gemälde-Ausstellung in der Schwartzschen Villa ist von 2. Juli bis 31. August zu sehen. Im Rahmen der Schau findet am 12. Juli eine Fahrt in die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück statt, die anlässlich der beiden Berliner Ausstellungen die in ihrer Sammlung befindlichen Werke Ceija Stojkas zeigt. Die Sonderausstellung wird an diesem Tag eröffnet, zudem gibt es eine Führung mit der Historikerin Barbara Danckwortt. Die Mitfahrt kostet zehn Euro, Anmeldung bis 10. Juli an lithbahlmann@gmx.de.

Zur Ausstellung ist zudem eine umfangreiches Buch erschienen, das mehr ist als nur ein bloßer Ausstellungskatalog ist, sondern eine „Mahnmal“, so Bahlmann.

Mehr Infos unter www.ceija-stojka-berlin2014.de

 (go)