Waldsiedlung Zehlendorf, Foto: Daniela von Treuenfels

 

Die Waldsiedlung in Zehlendorf könnte 2029 den Status „Kulturerbe der Welt“ erhalten. Dass dieses Ziel sehr wahrscheinlich erreicht werden kann, liegt zum einen an den derzeit sich verändernden UNESCO-Regularien, zum anderen ist die Siedlung unverzichtbarer Teil der Berliner „Siedlungen der Moderne“, die bereits zum Welterbe zählen. 

Ein weiterer Schritt auf dem Weg zum Adel des Denkmalschutzes hat jetzt die Kulturministerkonferenz (KMK) getan: Die Kulturverantwortlichen der Länder haben die künftige deutsche Anmeldeliste für die UNESCO-Liste des Kultur- und Naturerbes der Welt (Tentativliste) beschlossen. Sie enthält sieben neue Nominierungen. Die Minister folgen damit den Auswahlempfehlungen des von ihnen berufenen, international besetzten Fachbeirats zur Fortschreibung der bisherigen Tentativliste. Das letzte Verfahren dieser Art hatte vor zehn Jahren in Deutschland stattgefunden.

Jedes Bundesland hatte bereits 2021 die Gelegenheit, zwei Anträge einzureichen; insgesamt 21 aus 13 Ländern waren zur Begutachtung vorgelegt worden.

Neu bei dem Auswahlverfahren war die Reihung, die der Fachbeirat bei der Empfehlung der befürworteten Anträge einhalten sollte. 2021 hatte das Welterbekomitee ein geändertes Nominierungsverfahren verabschiedet, das in einer Übergangsphase ab 2023 auf freiwilliger Basis und ab 2027 verbindlich zu befolgen ist. Das zweistufige Verfahren soll zur Glaubwürdigkeit und Ausgewogenheit der Welterbeliste beitragen.

Diese sieben Stätten werden nach Empfehlung des Fachbeirats auf die deutsche Tentativliste, die ab 1. Februar 2024 gültig ist, neu aufgenommen: Waldsiedlung Zehlendorf, Fundstätte der Schöninger Speere (Niedersachsen), Pretziener Wehr (Sachsen-Anhalt), Europäische Großbogenbrücken des 19. Jahrhunderts (Nordrhein-Westfalen in Kooperation mit Frankreich, Italien und Portugal), Keltische Machtzentren der älteren Eisenzeit nordwestlich der Alpen (Baden-Württemberg und Hessen in Kooperation mit Frankreich) sowie der Fernsehturm Stuttgart (Baden-Württemberg) und der Olympiapark München (Bayern).

Aus dem vormaligen Auswahlverfahren liegen weitere Anträge zur Nominierung in den kommenden Jahren vor, so dass die künftige Tentativliste zur Vorlage beim Welterbezentrum der UNESCO zwölf Nominierungen umfasst.

Zur Waldsiedlung Zehlendorf befindet der Beirat:

„Wesentliche Attribute der Siedlung sind Farbigkeit, Freiraumplanung und bauzeitliche Anbindung an den öffentlichen Verkehr. Der großflächige Einsatz der Farbigkeit diente als Gestaltungsmittel und Orientierungshilfe. Das beeindruckend subtile Farbkonzept wurde vorbildhaft instandgesetzt. 

Materialproben aus der Waldsiedlung Zehlendorf sind ein bedeutender Bestandteil des rund 12.000 Artefakte umfassenden Materialarchivs Brenne zu den Bauten aller Siedlungen der Berliner Moderne. Durch die sogenannte „Einschnitt-Trasse“ in Verlängerung der bestehenden U-Bahnlinie entstand eine wegweisende Verkehrsinfrastruktur, die zusätzlich als Versorgungszentrum für die neue Siedlung ausgebaut und beidseits der Gleisanlage angelegt wurde. Dies ist ein prototypischer und städtebaulich innovativer Ansatz. Die anderen Siedlungen der Moderne bilden dies in dieser Form nicht so deutlich ab. Die Ladenzeile in der U-Bahn-Station ist spiegelsymmetrisch angelegt, so dass ein Laden, der bei einem Brand im Jahr 2020 ausgebrannt ist, denkmalgerecht rekonstruiert werden kann und wird. Mit der Einfügung der Siedlung in den lichten Föhrenwald und damit die Erlangung der maximalen Nähe zur Natur wurde ein gänzlich neuer Weg beschritten. Auch durch das in jeder Hinsicht vorbildhafte Management und das äußerst tragfähige Denkmalpflegekonzept einschließlich der darin eingebetteten Nachhaltigkeitsstrategien sowie das umfassende und außergewöhnliche Engagement der Bewohnenden für den Welterbe-konformen Erhalt überzeugten. Obwohl die Siedlung eine in Deutschland ausreichend repräsentierte Kategorie darstellt, vervollständigt sie die Kategorie der Siedlungen der Moderne in Deutschland.“

Die Welterbeliste zählt momentan 1157 Stätten in 167 Ländern. 27 Vertragsstaaten haben noch keine Welterbestätte. Neben 900 Kulturerbestätten und 218 Naturerbestätten gibt es 39 gemischte Stätten, die sowohl Kulturerbe- als auch Naturerbekriterien erfüllen. Mit 51 Welterbestätten liegt Deutschland im weltweiten Vergleich aktuell nach Italien (58) und China (56) auf Platz drei. Betrachtet man nur die Kulturerbestätten, nimmt Deutschland (48) aktuell nach Italien (53) sogar den 2. Platz ein. Eine gemischte Welterbestätte gibt es bislang nicht. Mit Anteilen an zehn internationalen seriellen Welterbestätten und der Beteiligung an einem laufenden Erweiterungsantrag führt Deutschland die Liste der Länder mit den meisten grenzüberschreitenden, transnationalen Stätten an.

Das Welterbekomitee für den Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt entscheidet in seinen jährlichen Sitzungen über die Einschreibung von Stätten in die Welterbeliste.

Wenn die fortgeschriebene deutsche Tentativliste zum 1. Februar 2024 beim Welterbezentrum der UNESCO eingereicht wird, könnte der erste Antrag gemäß dem geänderten Verfahren zum 15. September 2025 eingereicht werden; er könnte im besten Fall im Sommer 2029 dem Welterbekomitee zur Entscheidung vorliegen.

 

Daniela von Treuenfels