Frank Walter Steinmeier würdigte die Gründung der Vereinten Nationen vor 70 Jahren. Foto: Bernd Wannenmacher

Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier hat Russland dazu aufgerufen, sich an der Lösung des Syrien-Konflikts mit friedlichen Mitteln zu beteiligen. Das einseitige militärische Eingreifen Moskaus sei kontraproduktiv und habe die Verhandlungen über einem Waffenstillstand zurückgeworfen, sagte Steinmeier am Mittwoch bei einer Rede an der Freien Universität aus Anlass der Gründung der Vereinten Nationen vor 70 Jahren. Er sprach zum Thema „Welt aus den Fugen – Was hält uns zusammen? Die internationale Ordnung 70 Jahre nach Gründung der Vereinten Nationen.“

Steinmeier würdigte die Gründung der Vereinten Nationen vor 70 Jahren als „wegweisenden Moment für die Menschheit“. Erstaunlich daran sei, dass die Gründung ausgerechnet 1945 gelungen sei. Damals sei die Weltordnung nicht nur aus den Fugen gewesen, sondern habe „in Schutt und Asche“ gelegen, betonte der Außenminister. Auf diesem Tiefpunkt – „auf den Trümmern des Zweiten Weltkriegs, über den Gräbern von über 50 Millionen Toten, im schon aufziehenden neuen Winter des Kalten Krieges“ sei es den Gründermüttern und Gründervätern gelungen, ihre Vision von einer friedlicheren Welt in ein neues Fundament von Ordnung zu gießen, und die Charta der Vereinten Nationen sei entstanden. Steinmeier betonte, dies sei „eine ermutigende Botschaft“. Die Vereinten Nationen seien allerdings immer nur so stark, wie die Mitgliedsstaaten sie sein ließen.

Steinmeier unterstrich, das Fundament der Vereinten Nationen trage bis in die Gegenwart, in der „die Welt technologisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich zusammengewachsen“ sei. Auch heute und ungeachtet zahlreicher internationaler Konflikte könne es gelingen, Ordnung zu gestalten, wenn die internationale Staatengemeinschaft kooperiere. „Gewalt sei in verheerenden Konflikten dieser Tage entfesselt“. Als Beispiele nannte er Syrien, Irak, den „ganzen Krisenbogen von Libyen bis Afghanistan“, Konflikte in vielen Teilen Afrikas sowie in der Ukraine. Steinmeier hob hervor, „die die Ballung von Krisen in unserer Zeit, die Flut von furchtbaren Bildern jeden Abend in den Nachrichtensendungen – diese Ballung ist kein Zufall“. Darin entlade sich „die Erosion von bestehender Ordnung, das Ringen um Einfluss, der Kampf um Geltung und Dominanz“.

Steinmeier unterstrich, Diplomatie brauche „strategische Geduld“, doch es gebe Hoffnungszeichen. So sei es gelungen bei den Verhandlungen über das iranische Atomprogramm nach zehn Jahren zu einem Abschluss zu kommen. Dieses Abkommen verhindere nicht nur den Griff des Landes nach der Atombombe, es eröffne auch Optionen für eine Ordnung im Mittleren Osten. Auch im Libyen-Konflikt sei es gelungen, die wesentlichen Konfliktparteien an den Verhandlungstisch zu bekommen.

Steinmeier betonte, aus historischer Verantwortung sei gerade Deutschland gefordert, für Regeln und Institutionen in der internationalen Ordnung einzutreten. In Bezug auf die derzeitige Flüchtlingssituation sagte er, dass  Deutschland über „Erfahrungen mit Migration und Integration“ verfüge. Als Beispiele nannte er die Flucht Deutscher nach dem Zweiten Weltkrieg, die Integration von Gastarbeitern in den 1960er und 1970er Jahren und die Hilfe für Flüchtlinge während des Jugoslawien-Konflikts. Steinmeier betonte, vor Veränderungen in einer Demokratie müsse niemand Angst haben. „Wir sollten nicht ängstlich sein und schon gar nicht selbstgerecht in der Diskussion, ob unsere Demokratie die Neuankömmlinge aushält.“ Die Frage einer Religionszugehörigkeit dürfe nicht die dominante Frage dafür sein, ob die Integration gelingen könne.

Der Präsident der Freien Universität Berlin, Professor Dr. Peter-André Alt, hob in seinem Grußwort die Präambel der Charta der Vereinten Nationen hervor. Die Gründungsstaaten hätten darin ihre Entschlossenheit dokumentiert, „künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren.“ Auch wenn dieses Ziel bis heute nicht erreicht worden sei, hätten die Vereinten Nationen doch zahlreiche Konflikte verhindert oder durch Verhandlungen frühzeitig beendet. Alt betonte, die Vereinten Nationen trügen zur Bewältigung vieler weiterer Probleme bei. Als Beispiele nannte er neben der Friedenssicherung die Armutsbekämpfung, das Eintreten für die Einhaltung der Menschenrechte sowie das Engagement für nachhaltige Entwicklung, globalen Umweltschutz, die Bekämpfung des internationalen Terrorismus und die Hilfe für Flüchtlinge.

Steinmeier kam auf Einladung der Freien Universität Berlin, deren Universitätsbibliothek seit 1956 United Nations Depository Library ist und die seit 1963 den Status eines Europäischen Dokumentationszentrums (EDZ) hat. Es gehört damit zum Informationsnetz der Europäischen Union und zum weltweiten System der Depotbibliotheken der Vereinten Nationen.

(sn)