Wer war ein Nazi? Wie schwer es für die Alliierten war herauszufinden, wer die Nationalsozialisten unterstützte, zeigt das Eingangsbild zur Ausstellung im AlliiertenMuseum. Foto: Gogol

„Who was a Nazi?“ – Wer war ein Nazi?: Diese Frage stellten sich nach Ende des Zweiten Weltkrieges die Alliierten in Deutschland. Wie schwierig sie zu beantworten war, macht bereits das Eingangsbild zur neuen Ausstellung im Alliierten Museum an der Clayallee deutlich, die sich der Entnazifizierung in den vier Besatzungszonen und dem geteilten Berlin widmet.

Sie seien so ziemlich die einzigen, die sich des Themas annehmen, verkündete Museumsdirektorin Dr. Gundula Bavendamm beim Presserundgang am Donnerstag. Ginge es um die Entnazifizierung konzentrierten sich die meisten auf die Nürnberger Prozesse. Die kommen zwar auch in der Ausstellung vor, nehmen jedoch nur einen kleinen Teil der Fläche ein. Vielmehr geht es dem Museum um die „Entnazifizierung des kleinen Mannes“ in den Jahren 1945 bis 1948, für die es kein historisches Vorbild gab.

Mit welchem „mentalem Gepäck“ die Besatzungssoldaten nach Deutschland kamen, wird im ersten Raum gezeigt. In den Köpfen habe es ein bestimmtes Bild von den Deutschen gegeben, das mit Filmen wie „Your Job In Germany“ erzeugt beziehungsweise verfestigt wurden: Man müsse den Deutschen misstrauen. Es sei ein kriegsliebendes Volk, Frieden gäbe es bei ihnen nur zum Schein – so die Botschaft des Filmes. Er ist eine Warnung, sich nicht mit Deutschen einzulassen – eine Einstellung, die sich aber schnell änderte, wie Kurator Bernd von Kostka erklärt.

Grundlage der Entnazifizierung war ein Fragebogen, dessen Exegese in der Ausstellung nachgegangen wird. Er basiert auf dem „scheda personale“, den der US-Major Aldo Raffa 1944 entwickelt hatte, um in Italien nach dem Untergang Mussolinis Faschisten zu identifizieren. Später für Deutschland angepasst, wurde der Fragebogen zum „Symbol für die Entnazifizierung“, so Kostka.

Das Alliierten Museum zeigt, wie die Entnazifizierung auf verschiedenen Ebenen funktionierte: Die physische Vernichtung von nationalsozialistischen Symbolen wird anhand von Alltagsgegenständen wie einer Gürtelschnalle oder eines Löffels gezeigt. Ein zum Sieb umfunktionierter Stahlhelm und ein aus einer Fahne gefertigtes Kleid sollen aber auch die Mangelwirtschaft jener Jahre zeigen. „Umerziehung durch Schock“ und Internierung sind weitere Formen, die die Ausstellung aufgreift.

Dass es sich bei der Entnazifizierung um einen aufwändigen administrativen Akt handelte, zeigt eine „Papierwolke“ aus Gesetzen, Verordnungen, Leumundszeugnissen und Persilscheinen. Grundlage für viele Verfahren war die NSDAP-Mitgliederkartei, die den Alliierten nach Ende des Krieges in die Hände gefallen war. Zehn Millionen Mitglieder waren dort verzeichnet. Als Berlin Documents Center gab es Auskunft über die Mitgliedschaft in der Partei und ob auf den Fragebogen gelogen wurde.

Dass die Entnazifizierung von verschiedenen Faktoren beeinflusst war, macht die Schau deutlich. Menschen mit gewissem „Know How“ wurden zurückgestellt; in der britischen Besatzungszone betraf das sogar eine gesamte Berufsgruppe, die der Landwirte, berichtet Kostka. Bei der Wahl zwischen Entnazifizierung und Versorgung der Menschen entschieden sich die Briten für letzteres.

Wie die Entnazifizierung vonstatten ging, zeigt die Ausstellung anhand von zwölf Einzelschicksalen, von berühmten Persönlichkeiten wie der Schauspielerin Grete Weiser, bis hin zu einfachen Menschen, wie Trümmerfrau und Lehrer.

1948 verkündete die Sowjetischen Besatzungszone das Ende der Entnazifizierung, die westlichen Mächte zogen nach und übergaben den Länderparlamenten die Aufgabe. Nach der Gründung der Bundesrepublik und den Wahlen trat 1951 das Entnazifizierungsschlussgesetz in Kraft. Doch war die Aufarbeitung damit beendet? War die Entnazifizierung ein Erfolg? War sie Voraussetzung für eine stabile Demokratie in Deutschland? Diese Fragen muss sich der Besucher am Ende selbst beantworten. Seine Antwort auf die letzte Frage kann er sogar niederschreiben und an einer extra dafür aufgestellten Wand aufhängen.

(g0)