Das Team des Mittelhofs freut sich auf das Fest und natürlich auf die Gäste. Foto: Gogol

„Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an“ – auch wenn man es vermuten könnte, der Schlager von Udo Jürgens ist nicht der Grund, warum der Mittelhof e.V. in diesem Jahr sein 66-jähriges Bestehen feiert. Nein, es hat einen ganz praktischen Grund, erläutert die Geschäftsführerin Ingrid Alberding: Als im vergangenen Jahr der 65. Jahrestag anstand, konnte man nicht feiern, weil die Villa an der Königstraße saniert wurde. Nach mehr als 50 Jahren musste das Haus generalüberholt werden. Wasser kam durch, Balken waren morsch. Die Elektrik wurde erneuert, ebenso der Brandschutz. Zudem wurde das Haus barrierefrei gestaltet. So ist dort nun alles bereit für die große Geburtstagsfeier am 30. August, dem Höhepunkt im Jubiläumsjahr, das insgesamt mit 66 über das Jahr verteilten Veranstaltungen begangen wird.  „Die inhaltliche Arbeit soll bei diesem Fest im Mittelpunkt stehen“, so Alberding.

Und die ist vielfältig. An 25 Standorten in Steglitz-Zehlendorf und Charlottenburg-Wilmersdorf ist der Verein aktiv. Ein wichtiges Standbein ist die Kinderbetreuung. So betreibt der Verein 16 Kindertagesstätten und pflegt Kooperationen mit sechs Schulen. Angefangen hat alles ganz klein, mit der Kinderspeisung, denn die Versorgung nach dem Krieg war schlecht, viele Kinder waren unterernährt.

Hinzu kommen vier Nachbarschaftshäuser, wie das Stadtteilzentrum Villa Mittelhof. „Wir wollen nicht nur Dinge bewegen im Haus, sondern auch im Stadtteil“, sagt Gerald Saathoff. Hartz IV, Verarmung, der demografische Wandel – das sind Themen, mit denen Saathof und seine Kollegen zu tun haben. Um helfen und etwas bewegen zu können, ist man in verschiedenen Gremien im Bezirk vertreten, wie etwa den runden Tischen. Derzeit sei man dabei, ein Bündnis für bezahlbaren Wohnraum in Steglitz-Zehlendorf zu gründen und ein Netzwerk zu schaffen, das es alten, kranken und dementen Menschen ermöglichten soll, so lange wie möglich in der eigenen Wohnung zu bleiben, berichtet Saathoff.

Sehr präsent sind die Selbsthilfegruppen. 64 sind beim Mittelhof beheimatet, in der Villa allein sind es etwa 40, erzählt Petra Glasmeier, die die Selbsthilfekontaktstelle leitet. So gibt es Gruppen für Krebspatienten, für Menschen mit Bluthochdruck, bipolaren Erkrankungen und für Angehörige von Alzheimerpatienten. Ein Teil dieser Gruppen können Interessierte beim Selbsthilfetag in der Villa Mittelhof am Donnerstag, 29. August, kennenlernen. Von 15 bis 19 Uhr stellen sich rund 20 von ihnen vor, man kann mit Betroffenen ins Gespräch kommen, und es gibt Mitmachaktionen. Zudem tritt die Theatergruppe der Krebspatienten, die „Tumoristen“ auf.

Ein von Anfang an wichtiges Standbein ist die Förderung des Ehrenamtes. 216 Ehrenamtliche beschäftigt der Verein derzeit. Sie geben Kurse, leiten Spielgruppen, helfen im Café aus oder in der Kita. Hinzu kommt das Projekt „fee“, die Kontakt- und Koordienierungsstelle für ehrenamtliches Engagement in Schulen, die vom Mittelhof getragen wird. Welche verschiedenen Einsatzmöglichkeiten es gibt, soll bei einer Engagementbörse am Freitag, 13. September, gezeigt werden. Von 15 bis 18 Uhr können sich Besucher informieren aber auch selbst aktiv werden, etwa beim Gestalten von Kitamöbeln.

Als sie vor siebeneinhalb Jahren zum Mittelhof kam, habe es rund 60 Freiwillige gegeben, berichtet Alberding. Dass es heute mehr als 200 sind, habe verschiedene Gründe. So haben sich neue Felder erschlossen, etwa in den Schulen, es gibt eine feste Ansprechpartnerin, auch dass sich der Verein vergrößert hat, spiele eine Rolle. Und es kämen immer mehr junge Leute, die etwas an die Gesellschaft zurückgeben wollen, so Alberding. Wer diese Ehrenamtlichen sind und was ihre Beweggründe sind, sich zu engagieren, erfahren Besucher der Engagementbörse bei der Ausstellung „Gesichter des Ehrenamtes“. Die wird bereits zum Jubiläumsfest am 30. August gezeigt. Dieses Fest ist der eigentliche Höhepunkt des Jubeljahres. Eingeladen hat der Verein dazu auch Mario Czaja, Senator für Gesundheit und Soziales. Das hat einen bestimmten Hintergrund: „Die Politiker denken, Steglitz-Zehlendorf ist der Bezirk der Reichen und Schönen, um den muss man sich nicht kümmern“, weiß Alberding aus Erfahrung. Da werde auch schneller mal der Rotstift angesetzt. Mit dem Fest wolle man zeigen, dass es auch andere Seiten des Bezirks gibt.

Gefeiert wird ab 15 Uhr mit allen, die Lust dazu haben. Die Kinder können sich auf Spiele von gestern und heute freuen. Dazu gibt es Musik, Tanz und Gesang. Ausstellungen geben Auskunft über die Geschichte des Mittelhofs und über die Kinderspiele verschiedener Generationen. Ein Höhepunkt des Festes wird eine Gesprächsrunde mit fünf Generationen Kinder des Mittelhofs sein. Die älteste Gesprächspartnerin ist 70 Jahre alt.

Der Mittelhof e.V. wurde 1947 von Quäkern gegründet, die in Deutschland nach dem verlorenen Krieg den Menschen demokratische Werte und bürgerschaftliches Engagement beibringen wollten, aber auch Hilfe zur Selbsthilfe boten. Unter der Führung von Hertha Kraus, einer deutschen Quäkerin, die 1933 aus Deutschland vertrieben und in den USA als Professorin Soziale Arbeit lehrte, hatte die Idee der Nachbarschaftsheime entwickelt, die sich an den Gedanken Kooperation und Mitwirkung orientierten. Das erste dieser Nachbarschaftsheime entstand in einer Villa am Kirchweg 5, die wegen ihrer um einen „Mittelhof“ gruppierten Bauweise schon den Namen „Villa Mittelhof“ trug. Diesen nahm man mit, als man an den heutigen Standort an der Königstraße 42-43 zog.

Mehr Informationen über das Fest und die aneren Aktionen zum Jubiläum sowie Grußworte gibt es auf der Homepage des Vereins, www.mittelhof.de.

(go)