Die "Väter" von Lichterfelde: Johann Anton Wilhelm von Carstenn und Werner von Siemens haben in der neuen Ausstellung einen Ehrenplatz. Foto: Gogol

In mehr als 1.000 Bildern erzählt das Heimatmuseum Steglitz in seiner neuen Ausstellung die vergangenen 150 Jahre des Ortsteils Lichterfelde.

150 Jahre ist es her, dass Johann Anton Wilhelm von Carstenn die Güter Lichterfelde und Giesensdorf erwarb und damit begann, sie in eine Berliner Vorort-Villenkolonie zu verwandeln. Und so ist es nicht verwunderlich, dass ein Bild des Gründervaters Großlichterfeldes quasi wie ein Schutzpatron über der Ausstellung schwebt. Ihm zur Seite hängt ein Bild eines weiteren großen Mannes: Werner von Siemens. Der Erfinder der Elektrotechnik brachte die Straßenbahn nach Lichterfelde und sorgte somit für den wirtschaftlichen Aufschwung des Ortes.

An der Ausstellung habe man seit Jahren gearbeitet, sagt die Vorsitzende des Heimatvereins Gabriele Schuster. Viele der Ausstellungen, die man vorher gezeigt hatte, finden sich in Teilen hier wieder. Zum Beispiel die zur Industriegeschichte Lichterfeldes. Unternehmen die „federführend waren für die Entwicklung Deutschlands“, wie die Vereinsvorsitzende erklärt, werden in der Schau vorgestellt. Dazu zählen unter anderem Telefunken, die Deutsche Hollerith-Maschinen Gesellschaft mbH (DEHOMAG), die später von IBM übernommen wurde, und auch die Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM), die etwa Stahl und Ölpapier überprüfte und so Motor der wirtschaftlichen Entwicklung wurde. Und natürlich darf auch die Firma Wiking nicht fehlen, die weit über die Grenzen Berlins und Deutschlands hinaus bekannt wurde. Die Firma produzierte ursprünglich Kriegschiffe und Kriegsflugzeuge in Miniformat als Schulungsmaterial für Soldaten, erzählt Schuster. Wiking galt im Zweiten Weltkrieg deshalb sogar als kriegswichtiger Betrieb.

Im Durchgang stehen sich Erster und Zweiter Weltkrieg gegenüber. „Das gehört mit dazu“, findet Schuster. Die Hungerjahre finden Ausdruck im Bild „Butterpolonaise“ von Fritz Bersch, das flankiert wird von Ausstellungsstücken wie einer kleinen Butterdose, die zeigt, wie wertvoll Butter damals war. Wie die Verdrängung von Juden und die Arisierung ihrer Geschäfte in Lichterfelde vonstatten ging, wird unter anderem am Beispiel des Kaufhauses Feidt erzählt. Auch dem sogenannten „Blumenviertel“ widmet sich die Schau – zum einen, weil die Gebäude dort von Adolf Sommerfeld erbaut wurden, zum anderen weil sich der Kreisauer Kreis im Haus von Peter Graf York von Wartenburg in der Hortensienstraße traf. Auch das Bild von der Steglitzer Spiegelwand fehlt nicht.

Viel zu erfahren gibt es aus der Historie Lichterfeldes: Ein Raum widmet sich der Geschichte der Hauptkadettenanstalt, ein weiterer der Geschichte der Gardeschützen; einer erzählt die Geschichte des Johanniterordens – inklusive Mantel eines Rechtsritters; in einem anderen werden berühmte Persönlichkeiten wie unter anderem Franz Kafka, Hans Rosenthal und Boleslaw Barlog vorgestellt, die in Lichterfelde wohnten, forschten und ihn prägten.

Vieles weitere aus der Schau wäre noch zu erwähnen, wie die der Bau des Teltowkanals, die Reformpädagogik, der Campus Benjamin Franklin – und die Lichterfelder selbst, die sich engagieren für ihre Nachbarn und für ihren Kiez.

Nicht nur Fotos auch Film- und Hörstationen bereichern die Ausstellung, genauso wie zum Beispiel eine Laterna Magica und eine kleine Dampfmaschine – beides Kinderspielzeug, das von den Besuchern auch gern ausprobiert werden darf.

Doch der Blick der Ausstellung geht auch über Lichterfelde hinaus, sie zeigt die Bedingungen in Deutschland Mitte des 19. Jahrhunderts, die die Entwicklung auch in dem Vorort bestimmten, die neuen Verwaltungsstrukturen und die aufkommende Sozialversicherung etwa. Und natürlich die Industrialisierung.

Schuster will die Ausstellung aber nicht nur als Blick zurück verstehen. Für sie ist sie auch eine Versicherung der Gegenwart und der Zukunft.

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Die Ausstellung „Lichterfelde – die letzten 150 Jahre“ wird am Sonntag, 25. Januar, um 15 Uhr im Heimatmuseum Steglitz, Drakestraße 64A eröffnet. Zu sehen ist sie bis zum 10. Oktober,  dienstags bis freitags sowie sonntags jeweils von 15 bis 18 Uhr.

(go)