Fabian (*)  ist fünf Jahre alt, bald wird er sechs – und kann zur Schule gehen. Doch die Vorfreude ist getrübt. Denn statt wie seine Schwester und all seine Freunde soll Fabian nicht die rund 800 Meter nahe Clemens-Brentano-Grundschule besuchen, sondern an der knapp drei Kilometer entfernten Schweizerhof-Grundschule eingeschult werden. Sein „Fehler“: Er wohnt auf der falschen Straßenseite.

Statt sich auf die Einschulung ihres Sohnes zu freuen, herrscht in der Familie Verärgerung, Verzweiflung und Ohnmacht. Vor rund zwei Jahren wurde der Einschulungsbereich für die Clemens-Brentano-Schule (CBS) geändert. Er endet an der Carstennstraße. Alle, die auf der westlichen Seite sowie dahinter wohnen, also bis an Gartenkolonie Abendruh, gehören plötzlich nicht mehr in den Einzugsbereich der CBS, sondern in den der Schweizerhof-Schule. Grund für die Entscheidung: Die Clemens-Brentano-Schule hat nicht genügend Plätze.

Er habe den neuen Einzugsbereich immer für einen Verwaltungsfehler gehalten, erzählt Fabians Vater Tilo Schneider. Er habe das mit dem Schulamt besprechen wollen, aber nie gemacht – bis ihm die zuständige Schweizerhof-Schule wegen der Einschulung seines Sohnes anschrieb. Die Eltern stellten daraufhin einen Antrag auf Einschulung an einer anderen Grundschule – und packten einen fünfseitigen Brief dazu, in dem sie darlegen, warum ihr Sohn zur Clemens-Brentano-Schule gehen sollte.

Ein langer, gefährlicher Schulweg

Da ist zunächst der Schulweg. Der ist nicht nur lang – zu lang für einen Sechsjährigen, findet Schneider und verweist auf Urteile aus den Berliner Innenstadtbezirken – sondern auch nicht ganz ungefährlich. Der kürzeste Weg führt auf unbefestigten Wegen durch die Gartenkolonie und dann schließlich über den vielbefahrenen Dahlemer Weg. Schneider hat mit Eltern in der Nachbarschaft gesprochen, deren Kinder die Schweizerhof-Schule besuchen. Alle bringen ihre Kinder mit dem Auto dorthin. Selbst die Athene- und die Käthe-Kruse-Grundschule liegen näher am Zuhause des Sechsjährigen als die Schweizerhof-Schule, zeigt Schneider auf einer Karte.

Zum anderen würde ihr Sohn komplett aus seinem sozialen Umfeld gerissen. Nicht nur dass Schwester Clara (*) die Brentano-Schule besucht, auch der beste Freund von Fabian wurde bereits an der CBS aufgenommen. Die beiden Jungs sind fast wie Brüder, erzählt Schneider. Sogar in der Kita wurde darauf Rücksicht genommen, beide sind in der gleichen Gruppe. Dazu kommt, dass auch andere Freunde und deren Geschwister die CBS besuchen – nur Fabian dürfte nicht.

Die Gartenkolonie sei nicht nur eine topografische Grenze, sondern auch eine soziale, erklärt Schneider. Die Einwohner östlich der Kolonie orientieren sich nach Lichterfelde, haben dort ihre Freunde, besuchen dort Schule, Kita und Kirche. Kontakt nach Zehlendorf gebe es kaum.

Zwei Kinder – zwei Schulen – ein zerstörter Morgen

Die beiden Kinder in unterschiedlichen Schulen zu haben, bedeute auch einen erheblichen Aufwand für die Familie, legt Schneider dar, der beruflich oft außerhalb Berlins unterwegs ist. So ist es seine Frau, die den Alltag mit den beiden Kindern allein bewältigen muss. Vor allem morgens wäre es zeitlich kaum zu stemmen, wenn die Mutter ihre siebenjährige Tochter nicht alleine zu Hause lassen will, während sie Fabian zur Schule bringt. „Die Alternative, mit beiden Kindern gleichzeitig die Wohnung zu verlassen, führt aufgrund der großen Entfernung beider Schulen dazu, dass unsere Tochter eine Frühbetreuung besuchen muss und wir die Wohnung dann noch einmal eine halbe Stunde früher (gegen 6:30 Uhr) verlassen müssten. Unser Sohn wäre zu Schulbeginn dann bereits seit 1,5 Stunden auf den Beinen und hätte einen strammen Fußweg zwischen Wohnung, CBS und Schweizerhof-Grundschule hinter sich und wäre seit 5:45 Uhr wach“, schrieb die Lichterfelderin an die Schulverwaltung, die bisher noch nicht reagierte.

Ein weiterer Grund für Schneider, warum sein Sohn die Brentano-Schule besuchen soll, ist das Schulprogramm. Fabian soll als erste Fremdsprache Französisch lernen. Die Schweizerhof-Schule bietet das nicht an.

„Es herrschen Missgunst und Misstrauen“

Auch wenn Schneider oft zu hören bekommt, er sei ein Einzelfall, weiß er, dass das nicht stimmt. Er kennt in seinem Wohnumfeld andere Eltern, denen es ähnlich gehe. Doch statt gemeinsam vorzugehen, kämpfe jeder für sich alleine, bedauert Schneider. „Es herrschen Missgunst und Misstrauen“, erzählt der Lichterfelder. Und auch die Schulleitung zeige sich nicht solidarisch mit den Eltern. Man habe ihm nahe gelegt, doch seine Tochter von der CBS zu nehmen. „Das irritiert und hinterlässt eine Gefühl der Ohnmacht“, beschreibt Schneider, wie es ihm und seiner Familie derzeit geht. Trotzdem will er nicht aufhören zu kämpfen. Sein Anwalt versuche nicht nur zu erreichen, dass Fabian auf die Schule seiner Wahl gehen kann, sondern überprüfe, ob der Einschulungsbezirk überhaupt rechtens sei. „Das Schulamt greift in mein elterliches Recht ein, zum Wohle meines Kindes zu entscheiden“, ärgert sich Schneider. Zwar könne er die Zwänge verstehen, denen die Verwaltung unterlegen sei, erklärt er. Doch dass damit jegliche Argumente abgebügelt werden, dass ärgert ihn.

(*) Name von der Redaktion geändert

 (go)