Im Skilpturenpark des Hauses am Wannsee steht ein die Bushaltestelle mit Bett, Küche, Tisch, Stuhl, Regal, Toilette, Tür, Licht, Strom, Wasser, Foto: Jörg Hejka

„B-Seite“ heißt die Ausstellung des Konzeptkünstlers Michael Sailstorfer, die ab Freitag, 5. September, im Haus am Waldsee zu sehen ist.

Sailstorfer arbeitet  mit Objekten der Natur, der Technik, dem  urbanen Raum und der Kunstgeschichte. Er greift zu Gegenständen, die er mit  neuer Bedeutung auflädt: Bäume werden zu Wurfgeschossen, Bushaltestellen zu Einzimmerwohnungen, Waldstücke zu konstruktivistischer Kunst, Straßenlaternen  zu funkensprühenden Liebespaaren, Traktorreifen zu Wolken über dem New Yorker Central Park. Sailstorfer hat alte Polizeiuniformen zu Teppichen verwebt, ein Wohnhaus in ein Sofa und eine Kegelbahn verwandelt und festgehalten, wie sich eine Hütte  im eigenen Ofen selbst verbrennt.

Der Künstler entzieht den Dingen ihren ursprünglichen Zweck, zerlegt, deformiert, adaptiert und setzt die Dinge neu  zusammen, um zu kraftvollen Installationen zu finden, die vor allem das  Transformationspotenzial, das in den Gegenständen unseres unmittelbaren Alltags steckt, sichtbar machen. Diese Objekte präsentiert er physisch im  Ausstellungsraum, oder führt sie als prozesshaft-performative Videoarbeit  vor. Umkehr- und Umdeutungsstrategien werden sichtbar, mit denen Sailstorfer  Funktionen aufgreift, zu Ende denkt und ad absurdum führt. So schafft der  Künstler neue und überraschende Identitäten.

Im Jahr 2001 erwarb Sailstorfer in seiner niederbayerischen Heimat einige ausgediente Bushaltehäuschen, die er als bewohnbare Zimmer einrichtete. Unter  dem Titel: „Wohnen mit Verkehrsanbindung“ veranlasst die fünfteilige Arbeit  neu über das Warten, die Zeit, den Raum, das Wohnen und das Unterwegssein  nachzudenken.Seit 2010 befindet sich eine dieser Bushaltestellen mit  Wartehäuschen im Skulpturenpark des Hauses am Waldsee.

"Drei falsche Perser" sind in der Ausstellung zu sehen. Foto: Michael Sailstorfer

Mit seinen Unterwasserskulpturen unternimmt der Künstler 2007 einen Ausflug in die Stille, wie schwerelos  wirkende Unterwasserwelt und installiert dort Klassiker der Bildhauerei des 20. Jahrhunderts als wären es Fundstücke aus einem gesunkenen Schiff. Allein durch die ungewöhnliche Platzierung der Objekte werden sie zu Emotionsträgern, die  überraschen und neu über Präsentation und Bewahrung von Kunstwerken im  musealen Raum nachdenken lassen.

Sailstorfer steigert seine Arbeiten gern slapstickartig bis zum Absurden. Immer wieder fragt er nach unserem Verhältnis zu den Dingen, die uns wie selbstverständlich umgeben. Unter der Phantasie des Künstlers entfalten sie  überraschend neue Seiten, die nicht nur zum Schmunzeln, sondern zum Anders- und Weiterdenken anregen.

In der Ausstellung im Haus am Waldsee werden Arbeiten aus den vergangenen zehn Jahren zu sehen sein, die bisher kaum öffentlich gezeigt wurden. Darunter eine 2013 entstandene Konstellation mit Bohrer: Bohrköpfe in Form
von verkleinerten Skulpturen, wie zum Beispiel der Freiheitsstatue in New York, werden von einem Ausstellungsraum in den anderen getrieben. Während des Bohrvorgangs verändert sich die Gestalt der Skulptur durch den Widerstand der
Wand. Ort und Vorgang verleihen der Plastik sozusagen den letzten Schliff.

Sailstorfer bezieht sich in seinen Werken immer wieder auf die jüngere und ältere Kunstgeschichte. Vor diesem Hintergrund hat er seit Anfang der 2000er Jahre ein bedeutendes Oeuvre geschaffen, das international wahrgenommen wird  und eine eigenständige Position im zeitgenössischen Diskurs der Bildhauerei  markiert.

Zur Austellung, die bis zum 9. November im Haus am Waldsee gezeigt wird, gehört ein umfangreiches Begleitprogramm mit Führunen und Gesprächen. Zu sehen ist die Schau dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr, der Eintritt kostet sieben, ermäßigt fünf Euro.

(sn)