Unterhaltsam und informativ war die Lesung von Dr. Gotthard Erler, der über den Weltenbummler Fontane berichtete. Foto: Gogol

Kein guter Auftakt für die Gartenlesungen in der Gottfried-Benn-Bibliothek. Der Wettergott hatte kein Einsehen und so musste die Lesung am Mittwochabend statt im Garten im Vorraum der Bibliothek stattfinden. Doch das tat der guten Stimmung keinen Abbruch. Mit einem Gläschen Wein machten es sich die vornehmlich weiblichen Zuhörer gemütlich und lauschten den amüsanten und informativen Erzählungen Dr. Gotthard Erlers, „dem Fontanekenner, wie es keinen zweiten gibt“, wie er von Wolfgang Stapp vom Freundeskreis der Bibliothek vorgestellt wurde.

Thema des Abends waren die Reisetagebücher, die Erler herausgegeben hat. Drei der 26 Heftchen wurden sogar zum ersten Mal veröffentlicht, insgesamt 200 Seiten.

Die Reisetagebücher, die auch oft als Grundlage für spätere Erzählungenn und Berichte von Fontane herangezogen wurden, zeigten „Fontane live“. Es sind persönliche Dokumente über politische Ereignisse und die Kriege.

„Hinterm Berg wohnen auch Leute“ zitierte Erlers Fontane, um über dessen Toleranz zu sprechen, über seine Zuneigung zu den Franzosen, die er keineswegs als „Erbfeinde“ betrachtete und von denen er 1871 – während des Deutsch-Französischen Krieges – als Spion verhaftet worden war. Auch den Tschechen, die in Preußen nicht beliebt waren, beschrieb er als herzliches, fröhliches Volk. Doch Erler verschwieg auch nicht, dass Fontanes Toleranz bei den Juden endete. Zwar äußerte er sich nie in seinen Romanen negativ über die Juden, doch in seinen privaten Aufzeichnungen wie den Briefen und Tagebüchern fielen zahlreiche abwertende Sätze, erzählte der Fontanekenner.

In seine Mischung aus Vortrag, Erzählung und Lesung mischte Erler geschickt Bekanntes und Unbekanntes über den großen Dichter, verband sie mit kleinen Anekdoten und Zitaten. Die Zuhörer quittierten dies mit Lachen, Beifall, Kopfnicken und manchmal auch einem erstaunten Ausruf.

Das meiste Interesse weckten wohl aber Erlers Ausführungen zur Arbeit an dem Buch. Es sei „faszinierend“ gewesen, die Original in der Hand zu haben. Das sei heute kaum noch möglich. Die Tagebücher seien alle digitalisiert. Doch das nutze einem Herausgeber manchmal nichts. Bei einem Dokument habe es zum Beispiel fünf Korrekturschichten gegeben. Da halfen nur Speziallampen. Überhaupt machte es Fontane ihnen nicht gerade leicht. So berichtete Erler, dass Fontane manchmal ein Buch von vorne beginnend beschrieb, dann von hinten mit einem anderen Thema anfing, und wenn der Platz nicht reichte, auch mal quer zwischen den bereits vorhandenen Zeilen weiterschrieb. Das sei nicht einfach gewesen zu entziffern, „aber ich würde behaupten, wir haben alles rausgekriegt“.

Eine Zehlendorferin fand den Abend „sehr informativ“. „Es spricht an, es regt an, und es ist besser als die Flimmerkiste“, lobte sie die Veranstaltung. Bereits im vergangenen Jahr sei sie begeistert gewesen von der der Lesereihe und hoffte nun, dass der Wettergott ein Einsehen habe.

Die nächste Lesung findet am 20. Juni um 19 Uhr statt. Dann heißt es „Allergnädigster König und Herr! Ich bin Euer Knecht zu Zieten“. Es liest Dr. Irina Rockel.

 (go)