Der Flur ist aufwändig mit Ornamenten geschmückt. Foto: Denkmalschutzbehörde

Ein Mietshausblock im Stil der Reformarchitektur ist für die Denkmalschutzbehörde Steglitz-Zehlendorf das Denkmal des Monats Mai.

Der Block entstand in den Jahren 1908 bis 1912  in vier Bauabschnitten entlang der Onkel-Tom-Straße zwischen Scharfe- und Pasewaldtstraße. Die Architekten Walter Hackbarth und Hugo Reim verwendeten Elemente wie sie bei Landhäusern in dieser Zeit durchaus üblich waren: helle Putzfassaden, hohe Mansarddächer, Giebeldächer über den runden Erkern, Fachwerkhölzer, große mit Sprossen geteilte Fenster. Die Straßenfront ist rhythmisch gegliedert und sehr plastisch gestaltet. Die runden Türme an den Einmündungen zur Scharfe- und Pasewaldtstraße betonen die Ecken und geben der Randbebauung gleichzeitig einen Abschluss.

Bauherr dieser Häuser war der Steinmetzmeister Wilhelm Graf. Die Graf’schen Häuser stehen seit Dezember 1991 unter Denkmalschutz. Als kleines Juwel soll hier das Treppenhaus in der Onkel-Tom-Straße 17 gewürdigt werden, dass seit kurzem wieder in seiner ursprünglichen Farbfassung zu erleben ist.

Das Treppenhaus liegt in der Mitte des Hauses und hat einen ellipsenförmigen Grundriss. Zentral in den Raum – in das sogenannte Treppenauge – wurde vor einigen Jahren ein gläserner Aufzug gesetzt. Den oberen Abschluss des Treppenhauses bildet eine konkav geschwungene Stahlglaskuppel. Ihr Ornamentglas unterstreicht die besondere Formgebung.

Als Grundlage zur Wiederherstellung der historischen Farbfassung von Vestibül und Treppenhaus diente eine restauratorische Befunduntersuchung. Studenten der Fachhochschule Potsdam unter Leitung der Diplom-Restauratorin Tjalda Eschebach führten diese durch. Gezielt wurde nach den „schreitenden Walküren“ gesucht, an die sich ein Bewohner erinnerte. Und tatsächlich wurden sie unter einem Anstrich von Anfang der 1960er Jahre entdeckt. Für ihre Freilegung durch die Restauratorinnen Elka Beutel und Maria Knackmuß schließlich stellte das Landesdenkmalamt Fördermittel zur Verfügung.

Dem Treppenhaus ist ein großzügiges Vestibül vorangestellt. Im Schachbrettmuster diagonal angeordnete dunkle und weiße Fliesen belegen die Böden im Eingangs- und Podestbereich. Diese verbindet über die gesamte Raumbreite eine achtstufige Marmortreppe. Zu beiden Seiten ist ein schlichter gerader Handlauf aus Messing montiert.

Die Wände im Eingangsbereich bilden bis zur Höhe des Podests einen Sockel mit Anstrich als mehrfarbige Marmorimitation. Die eigentlichen Wandflächen sind in Sprenkeltechnik gearbeitet, um hier eine weitere Natursteinwand zu imitieren. Kleine Pfeilervorlagen wie Pilaster und Unterzüge der Decke gliedern Wand- und Deckenflächen.

Die gerahmten Flächen, die Spiegelfelder, sind mit Malereien im oberen Bereich versehen. In den äußeren Feldern sind zwei schablonierte Frauengestalten zu sehen. Welchen Weg die Walküren wohl schreiten? Auf den beiden mittleren, deutlich größeren Feldern befinden sich Ölgemälde. Typisch für die Zeit, geprägt durch den Heimatschutzgedanken, handelt es sich bei den freigelegten Landschaftsdarstellungen um heimatliche Gefilde. Die märkische oder norddeutsche Landschaft mit einer Kate als Tagesbild und für die Nacht stehend eine Flusslandschaft mit dramatischem Himmel. Zwei umlaufende Bronzestriche geben den Bildern ihre Rahmen.

Die Künstler sind nicht bekannt. Die Darstellungen erinnern aber stark an die Seen und Wälder der Berliner Umgebung, wie sie von Walter Leistikow gemalt wurden. Der Maler könnte aber ebenso das Bild „Fischländer Katen / Dornenhaus“ von Paul Müller-Kempf gekannt haben.

Die zeit- und damit auch kostenaufwendige Freilegung wurde von den Bewohnern durchaus kritisch betrachtet, denn für das gleiche Geld hätte man möglicherweise zwei echte Bilder von Leistikow oder Hagemeister kaufen können. Dann wisse man jedenfalls, was man hat.

Auch das eigentliche Treppenhaus ist aufwendig gestaltet. Ursprünglich war der untere Wandbereich mit Stoff bespannt. Heute zeigt das Sockelpaneel eine Strukturtapete. Den Abschluss bildet eine Holzleiste, die wiederum mit begleitenden Zierbändern geschmückt ist: Mäander markieren den Treppenverlauf, unterbrochen durch schablonierte Blütenornamente, die Akzente in den Geschossen setzen und die Wohnungseingangstüren rahmen. Die hölzernen
Türen sind reich profiliert, haben im oberen Bereich Glasausschnitte und zusätzlich verglaste Oberlichte.

Florale und geometrische Formen ergänzen sich. Blütenmotive, Mäander- und Zierbänder als  Perlstabornamentik, Schablonenmalerei mit Spiralmustern oder stilisierten Blüten, in Kassetten angeordnet oder als Begleitstreifen aufgetragen. Die wiederhergestellte Gestaltung von Vestibül und Treppenhaus, ein schmuckvoller Eingangsbereich in vornehmer Eleganz gibt einen kleinen Eindruck von dem Bilderreichtum, den es in Berliner Bauten aus der Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg mannigfach gegeben hat.

(Michaele Brunk, Denkmalschutzbehörde)