Das Landhaus ist ein Musterbeispiel englischer Landhaus-Architektur in lichterfelde. Foto: Denkmalschutzbehörde

Ein Jahr bevor Hermann Muthesius 1904 sein berühmtestes Werk „Das Englische Haus“ publizierte, entstand in Lichterfelde eines der fortschrittlichsten Wohnhäuser seiner Zeit, das den Architekturgeist von Muthesius vorwegnahm. Es stammt von dem Regierungsbaumeister Hans Grube und wurde für den Kaufmann Albert Wenck gebaut.

Um die Jahrhundertwende wünschte man sich in der Villenkolonie Lichterfelde üblicherweise repräsentative Villen mit Stilelementen vergangener Bauepochen. Das Landhaus Wenck steht für einen Bruch mit dieser Tradition und realisiert die Prinzipien der englischen Reformbewegung. Zugunsten einer sachlichen funktionellen Entwurfshaltung distanzierte sich Grube von dem architektonischen  Konfektionswarenladen des Historismus. Seine Häuser sollten praktisch und bequem sein. Bei ihm stand der Grundriss im Vordergrund, nicht die repräsentative Fassade.
Der Regierungsbaumeister entwickelte ein Raumkonzept mit klarer Trennung von Wohn- und Wirtschaftsräumen, mit einer großen belichteten Wohndiele und einem von der Küche einsehbaren Eingangsbereich: Anforderungen, die Muthesius später in seinem Werk „Haus und Garten“ an das moderne Landhaus stellte. Der Baukörper ist klar gegliedert, die Fassaden schlicht im ländlichen Stil ohne unnötigen Zierrat gehalten. Eine wesentliche Rolle für die Fassadenkomposition spielen die großen Fensterflächen, die viel Licht in das Innere bringen, sowie das Fachwerk und die hölzernen Balkone. Der Zugang zum Garten wird mit einer Treppe erreicht. Bei jüngeren Landhäusern entfiel das Sockelgeschoss und man fand den direkten Zugang zum Garten.

Neben diesen baulichen Fortschritten war auch die technische Ausstattung der Zeit voraus: Das Haus verfügte bereits über elektrisches Licht und Zentralheizung. Hinzu kamen im Keller- und im Erdgeschoss moderne Linoleumböden.

Albert Wenck übernahm kurze Zeit später auch das Nachbargrundstück Weddigenweg 7. Die Fläche erweiterte sich auf rund 3.250 Quadratmeter, mit der er den rückwärtigen Garten vergrößerte, um hier ein Gewächshaus zu bauen, später noch eine Garage.

Die Potsdamer Straße 6 ist eines der wenigen Grundstücke dieses Formats in Lichterfelde, das nicht durch Teilungen seinen ursprünglichen Zuschnitt verloren hat. Neben der originalen Einfriedung aus einfachen Holzlatten mit kugelbekrönten Mauerwerkspfeilern sind auch noch zwei Bäume von 1903 erhalten, die aufgrund ihrer Größe und Schönheit in der Liste der Naturdenkmale geführt werden. Leider muss einer der beiden aufgrund fehlender Vitalität gefällt werden.

Kurz nach Fertigstellung des Landhauses Albert Wenck ließ sich der Bildhauer Ernst Wenck ebenfalls von Hans Grube ein solches in Charlottenburg errichten, das viele Parallelen zu Lichterfelde aufwies. Beide Häuser fanden große Beachtung und sind in zahlreichen zeitgenössischen Veröffentlichungen zu finden, unter anderem auch in dem bereits erwähnten Band „Landhaus und Garten“ von Hermann Muthesius.

Trotz Besitzerwechsel und Dachausbau ist das Haus weitgehend im Originalzustand erhalten geblieben. 2012 wurde es erneut verkauft. Es stellte sich die schwierige Frage, wie man ein mit 13 Zimmern für eine (Groß-) Familie geplantes Haus in drei abgeschlossene Wohneinheiten umbauen kann, ohne zu stark in die Struktur einzugreifen. Mithilfe des Planungsbüros Box und den engagierten Eigentümern wurde eine Lösung gefunden, mit der alle Wohnräume erhalten bleiben konnten und deren Eingriffe sich im Wesentlichen auf den Umbau des Treppenhauses beschränkten.

Bei den Arbeiten wurden spätere Veränderungen wie der Wintergarten anstelle der Loggia im Obergeschoss zurück gebaut. Wenn der als nächstes anstehende Rückbau des Blumenfensters zugunsten der bauzeitlichen Fensteraufteilung im Erdgeschoss abgeschlossen ist, bleibt nur der Wunsch, den originalen Zaun wieder instand zu setzen.

(Sabine Schmiedeke/Denkmalschutzbehörde)