Gunter Demnig mit Dr. Petra T. Fritsche und Pfarrerin Dr. Katrin Rudolph im Pfarrsprengel Steglitz-Nord bei der morgendlichen Verlegung der Stolpersteine in der Feuerbachstraße. Foto: Bavandi

Gunter Demnig mit Dr. Petra T. Fritsche und Pfarrerin Dr. Katrin Rudolph im Pfarrsprengel Steglitz-Nord bei der morgendlichen Verlegung der Stolpersteine in der Feuerbachstraße. Foto: Bavandi

Bereits seit zwanzig Jahren werden auch in Berlin Stolpersteine – zehn mal zehn Zentimeter große Betonquader mit Messingplatte und eingravierter Inschrift der Opfernamen – verlegt. Im Jahre 1993 formulierte Gunter Demnig erstmals als theoretisches Konzept die Verlegung von Gedenksteinen für Verfolgte des Nationalsozialismus in der Publikation „Größenwahn – Kunstprojekte für Europa“. Im Januar 1995 verlegte der in Berlin geborene Künstler erstmals die Gedenksteine in seiner Wohnstadt Köln.

Für die Verlegung von zehn weiteren Stolpersteinen in der Steglitzer Feuerbachstraße kam der Projektinitiator und nahm das ebenerdige Einsetzen in die Gehwege vor den Hausnummern 9, 13 und 23 persönlich vor. Am Donnerstagnachmittag fand eine Zeremonie vor dem Haus Nummer 13 in der Feuerbachstraße statt, bei der die Biografien der Menschen beschrieben wurden, derer die Steine gedenken. Sieben der Steine wurden von der Friedenauer Stolperstein-Initiative veranlasst, drei weitere von Studierenden der Freien Universität. „Die meisten Stolpersteine versucht Gunter Demnig selbst zu verlegen“, weiß Dr. Petra T. Fritsche von der Stolpersteininitiative Friedenau und Autorin des Buches „Stolpersteine – Das Gedächtnis einer Straße“.

„Der Stolperstein – und auch die Gesamtheit aller Stolpersteine – ist ein Schwarmdenkmal, weil es durch intelligentes, selbstorganisiertes Zusammenwirken der Menschen entsteht, die mein Kunstwerk angenommen haben, nachdem ich es der Öffentlichkeit übergeben hatte. Dieser Entstehungsprozess ist anarchisch – aber nicht chaotisch“, lauten einige Worte Demnigs zu Fritsches über 500 Seiten umfassendes Werk zu Gunter Demnigs Projekt, das mittlerweile in vielen europäischen Städten umgesetzt wird.

Einige der zwölf Stolpersteine, die der Künstler am Donnerstag entlang der Feuerbachstraße verlegte. Foto: Bavandi

Einige der zehn Stolpersteine, die der Künstler am Donnerstag entlang der Feuerbachstraße verlegte. Foto: Bavandi

Die Opfer, derer man mit Demnigs Steinen in der Feuerbachstraße 13 gedenken möchte, trugen die Namen Markus Klausner, Ester Klausner, Eva und Malli Klausner. Die Steine in der Feuerbachstraße 9 wurden für Lea Blimka Buck, Moses David Buck, Julius Salo Buck, Siegfried Kniebel und Minna Epstein verlegt. Für Dorothea Jacoby wurde ein Stein vor ihrem ehemaligen Wohnhaus in der Feuerbachstraße 23 eingesetzt.

Studierende der Geschichte an der Freien Universität (FU) Berlin haben sich um die Finanzierung der Steine für die Familie Buck gekümmert. Ausgang dazu war ein Projekt am Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin. „Vor etwas mehr als anderthalb Jahren haben wir begonnen, mit Studierenden die sogenannte Polenaktion, die erste Massendeportation des Nationalsozialismus in Berlin, zu erforschen“, erklärt Alina Bothe von der FU Berlin. Gemeinsam mit Professor Dr. Gertrud Pickhan hat sie eine betreffende Lehrveranstaltung durchgeführt. Mindestens 1.500 Jüdinnen und Juden polnischer Staatsangehörigkeit in Berlin und darunter auch die Familie Buck, für die am Donnerstag die Stolpersteine in der Feuerbachstraße 9 verlegt worden sind, waren davon betroffen. Die „Polenaktion“ werde oftmals nur als Vorgeschichte der Novemberprogrome betrachtet, so Bothe.

„Im Anschluss an das Seminar hat sich eine Gruppe Studierender zusammengefunden, die für ,ihre Familien’, zu denen sie recherchiert haben, Stolpersteine verlegen lassen wollten. In ganz Berlin sind etwa 25 Steine geplant, die ersten acht sind nun verlegt“, freut sich Bothe über die Entwicklung der Lehrveranstaltung. Die Kosten für einen Stein betragen rund 120 Euro. „Einige Steine werden von den Familien übernommen, für andere Steine haben die Studierenden über Crowdfunding und einen Stiftungsantrag bei der Ernst-Reuter-Gesellschaft schon einen Teil der benötigten Mittel zusammengetragen“, sagt Bothe. In einem zweiten Seminar am Historischen Institut der FU Berlin wurden die Geschichten von etwa 30 Berliner Familien von etwa 15 Studierenden recherchiert. Für den Oktober 2017 werde sogar eine Ausstellung mit dem Aktiven Museum zu diesem Thema im Centrum Judaicum geplant.

(MiBa)