Können für eine Weile Krieg und Flucht vergessen: Beim Zirkusprojekt kommen sich ukrainische und deutsche Kinder beim Jonglieren und Balancieren näher. Foto: Gogol

Nichts lässt Kinderaugen so strahlen wie Zirkus, außer vielleicht Zirkus selbst zu machen – zu jonglieren, auf dem Drahtseil zu balancieren und dem Trapez zu schwingen. Und das ist international. Als nun die „partners Osteuropa gGmbH“ überlegte, wie man deutsche Kinder und Flüchtlingskinder aus der Don-Bas-Region, die in Charkiw Zuflucht gefunden haben, zusammenbringen kann, war es also nicht ungewöhnlich, das man da auf Zirkus kam – vor allem, weil der auch ohne Sprache funktioniert. Vor drei Tage startete nun das erste von insgesamt drei Zirkuscamps, in denen insgesamt 120 ukrainische Flüchtlingskinder und 50 Berliner Kinde gemeinsam Spaß haben sollen.

Super und spannend finden Oleg, Jaroslav und Gleb das Zirkusprojekt, vor allem weil sie nachts auch in einem Zeltlager schlafen. Die drei Jungs sind elf und zwölf Jahre alt, kommen aus Donezk und leben jetzt als Flüchtlinge in Charkiw. Teilweise können sie sich noch an den Beschuss ihrer Heimatstadt und das Bombardement erinnern. Kennengelernt haben sich die drei auf dem Bahnhof in Charkiw beziehungsweise auf der Reise nach Berlin und sind schon richtig gute Freunde geworden. Aufgeregt seien sie gewesen wegen des Zirkus, sagt Jaroslav. Das Schwierigste seien die Pantomime, findet er. Doch auf die Abschlussvorstellung freut er sich. „Ich bin mir nicht sicher, ob wir in zwei Wochen etwas Großartiges auf die Beine stellen, aber wir geben unser Bestes“, versichert der Zwölfjährige.

Viele der Flüchtlingskinder seien traumatisiert und stark verunsichert, erklärt Oliver Schruoffeneger, Managing Direkcor der „partners Osteuropa gGmbH“. Das Zirkusprojekt soll ihnen wieder Selbstvertrauen geben, sie sollen lernen, sich selbst zu behaupten, sagt er.

Die bürokratischen Hürden, um die Kinder nach Berlin zu holen, waren hoch, berichten Schruoffeneger und Viola von Cramon, ebenfalls Managing Director bei „partners Osteuropa“. Für einen Pass etwa mussten beide Eltern unterschreiben, doch manchmal gab es nicht mehr beide Elternteile. Gespräche über Visa wurden nachts per E-Mail geführt, nach 0.30 Uhr. Ausgewählt habe man die Kinder die am bedürftigsten waren, allerdings musste man auch schauen, was machbar ist, sagt Olga Pischel, die ursprünglich aus Charkiw kommt und das Projekt ehrenamtlich unterstützt.

Das Zirkustraining übernimmt der Kinder- und Jugendzirkus Cabuwazi, Deutschlands größter Kinder- und Jugendzirkus. In zwölf verschiedenen Disziplinen wird mit den Kindern geübt. Dabei gehe es vor allem um spielerische Bewegung und Spaß und nicht um Perfektion, sagt Lukas Unertl vom Zirkus Cabuwazi. Die Sprache sei zweitrangig. „Wenn man jongliert, braucht man keine Worte.“ Trotzdem gibt es bei Cabuwazi drei russischsprachige Trainer, die die Kinder unterstützen. Bis auf kleine Probleme, wie unterschiedliche Ernährungsgewohnheiten, laufe alles gut. „Wir haben uns mehr Sorgen gemacht als notwendig.

Höhepunkt jedes Durchgangs ist die Aufführung. Im Publikum sitzen dann normalerweise Eltern, Geschwister und Großeltern – doch die Familien der ukrainischen Kinder sind ja nicht hier, deshalb hoffen Schruoffeneger und von Cramon auf viele Berliner Besucher, die dafür sorgen, dass das Zelt am Aufführungstag voll wird, so dass der Auftritt für die Kinder zu einem Erlebnis wird. Der Eintritt ist übrigens frei.

Das Zirkusprojekt geht über die konkrete Hilfe für die Flüchtlingskinder hinaus. So sollen die Deutschen mehr mit der Ukraine bekannt gemacht werden.  Man wolle die Regionen in der Ostukraine stärken und ihnen zeigen, dass man sie nicht vergessen hat, sagt von Cramon. Mehr als eine Million Flüchtlinge gibt es in der Ukraine,  berichtete Oleh Mirus, Botschaftsrat der Ukraine, der für die humanitäre Hilfe aus Europa dankbar ist. „Am meisten leiden die Kinder“, sagt er, weshalb er sich über dieses Projekt sehr freut. Die Ukraine hat ein Assoziierungsabkommen mit der EU unterschrieben, für eine Annährung brauche es aber nicht nur die Regierungen, sondern Kontakte auf kommunaler Ebene. „Die Freundschaft zwischen Kindern ist ein wichtiger Grundstein für unsere Zukunft“, so Mirus.

Die „partners Osteuropa gGmbH“, die das Zikrusprojekt ins Leben gerufen hat, basiert auf der langjährigen Städtepartnerschaft des Bezirks Steglitz-Zehlendorf mit Charkiw. Die gemeinnützige GmbH will zivilgesellschaftliche kommunale Projekte unterstützen und fördern, die einen Austausch zwischen Deutschland und der Ukraine ermöglichen, zweiter Schwerpunkt ist die Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit.

Neben dem Zirkusprojekt gab und gibt es weitere Projekte zwischen Charkiw und Steglitz-Zehelendorf, wie zum Beispiel das Artist Residence Programm, dass es einem Charkiwer Künstler ermöglicht, einen Monat in Berlin zu arbeiten, eine Kooperation zwischen der Boikov Schule Charkiw und der Schulstation der 10. IS des Bezirks und die Qualifizierung und Beratung der Kinderrehabilitationsklinik in Charkiw.

Unterstützt wurde das Zirkusprojekt mit einer Förderung des Auswärtigen Amtes in Höhe von 100.000 Euro sowie von zahlreichen Einzelpersonen, die über die Plattform „better place“ spendete, aber auch Firmen und Institutionen wie zum Beispiel das Deutsche Rote Kreuz, Bio Lüske, der Zoo Berlin und das Albrecht Daniel Thaer-Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften an der Humboldt Universität unterstützten das Projekt mit Sachspenden.

Kinder aus Berlin, die am zweiten Durchgang des Zirkusprojektes, 2. bis 16. August, teilnehmen möchten, können unter schruoffeneger @partners-osteuropa.org angemeldet werden.

Die Abschlussvorstellungen finden am 1., 15. Und 29. August im Zirkuszelt hinter Jugendfreizeiteinrichtung Düppel, Lissabonallee 6, jeweils um 14 Uhr statt; der Eintritt ist frei.

(go)