Selten war der Bürgersaal im Zehlendorfer Rathaus so voll wie am Freitagabend, als das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf zum Interkulturellen Dialog eingeladen hatte. Die Stühle reichten nicht aus, um jedem Besucher einen Sitzplatz zu bieten und so saßen die, die etwas später kamen auf den Treppen oder standen an der Seite.

Es war ein aktuelles Thema, dem sich der dritte Interkulturelle Dialog widmete – den Flüchtlingen, die derzeit nach Berlin und auch dann nach Steglitz-Zehlendorf kommen. Mehr als 1.000 wird der Bezirk nach derzeitigen Berechnungen aufnehmen. Ihnen solle man die Hand reichen, sagte Bezirksbürgermeister Norbert Kopp (CDU). „Wer flieht befindet sich in einer existenziellen Notlage“, nehme Strapazen, Leid und Heimatverlust auf sich. Ihnen sollte man mit Gemeinsinn begegnen, erklärte er.

Neben dem Bezirksbürgermeister hatten noch sieben andere Menschen auf dem Podium Platz genommen, um mit den Bürgern zu diskutieren – unter anderem Staatssekretärin Barbara Loth, deren einführende Worte bereits mit einem Zwischenruf „Lüge“ aus dem Publikum quittiert wurden, Claudia Schütz vom Landesamt für Gesundheit und Soziales, das für die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge zuständig ist, Günther Schulze vom Willkommensbündnis und Martina Mauer vom Flüchtlingsrat Berlin.

Schon früh wurde klar, dass es eine sehr hitzige Diskussion werden sollte. Die Einführung mit Statements von allen auf dem Podium dauerte einigen Zuhörern zu lange, sie wollten selbst mitdiskutieren; Applaus aber auch Buhrufe und Pfiffe begleiteten viele Aussagen, Fragen und Antworten an diesem Abend. Die Zahl derer, die sich zu Wort meldeten, war lang.

Was viele Anwohner aufregte, war die schlechte Kommunikation in Bezug auf die geplanten Containerdörfer am Ostpreußendamm und dem Osteweg. Aus den Medien habe er davon erfahren, dass direkt neben der Kita seines Kindes ein solches Dorf errichtet werden soll, sagte ein Anwohner. Nicht einmal die Kita selbst habe Bescheid gewusst, beklagte der Lichterfelde und stellte Bezirk und Senat in Sachen Kommunikation eine „Sechs, setzen!“ aus. Auch der Leiter der McNair-Kita berichtete, dass er aus der Zeitung von dem Containerdorf erfahren habe. Doch das sei der falsche Weg, man müsse alle Beteiligten mit ins Boot holen und sie nicht vor vollendete Tatsachen stellen. Denn erst das schaffe Unmut.

Bezirksbürgermeister Kopp betonte, dass auch der Bezirk selbst überrascht worden sei von der Entscheidung des Senats, in Steglitz-Zehlendorf zwei Containerdörfer zu errichten.

Kritik wurde ebenfalls laut an der Konzentration von Flüchtlingen auf einer kleinen Fläche. Ausschließlich in Lichterfelde entstünden Flüchtlingsunterkünfte – was sei mit den anderen Ortsteilen wie Dahlem, Wannsee und Steglitz, wollten Zuhörer wissen. Man habe auf Grundstücke im Landesbesitz zurückgegriffen, erläuterte Schütz die Standortentscheidung, um so möglichst schnell und kostengünstig die Unterkünfte errichten zu können. Ende Februar /Anfang März 2015 soll mit dem Bau begonnen werden.

Eine Anwohnerin der Oste-McNair-Siedlung machte sich Sorgen um den Nachtschlaf der Anwohner aber auch der Flüchtlinge, wenn diese in Containern untergebracht würden. Doch diese Sorge versuchte Schütz zu nehmen, indem sie erklärte, dass man sich dort keine Bauarbeiter-Container vorstellen dürfe, sondern Leichtbaumodule, die auch für den Bau von Schulen und Kitas eingesetzt werden und auch gedämmt sind. Wie lange diese Container gebraucht würden, konnte Schütz nicht sagen. Das hänge von der weiteren Entwicklung der Flüchtlingszahlen ab. Eine Nachnutzung, etwa als Studentenunterkünfte, werde angestrebt.

Wie es mit der Beschulung aussehe, wollte ein Vater und Elternvertreter wissen. Schon jetzt seien die Schulen in Steglitz-Zehlendorf voll, es fehlten mindestens eine Grund- und eine Oberschule. Eine Schulrätin, die im Publikum saß, erklärte hingegen, dass es bisher keine Probleme gegeben habe, die Kinder unterzubringen. Es würden Willkommensklassen an verschiedenen Standorten eingerichtet. Die Lehrer stellt der Senat zur Verfügung.

Mit Buhrufen und Pfiffen wurde die Wortmeldung eines AfD-Mitgliedes quittiert, das der Meinung war, man solle Flüchtlinge auf deutsche Kosten in der Türkei oder Marokko unterbringen und erklärte, dass die Häuser neben Flüchtlingsunterkünften so an Wert verlieren würden, dass dies einer „kollektiven Enteignung“ gleichkäme – einer Aussage, der Moderator Gerald Saathoff vom Mittelhof e.V. deutlich widersprach.

Polemisch wollte ein anderer Bürger wissen, wer auf dem Podium bereit wäre, einen Flüchtling bei sich aufzunehmen. Er sah eine Grenze erreicht bei der Aufnahmefähigkeit Berlins und warf den Politikern Verantwortungslosigkeit, Angst und Feigheit vor.

Zu Wort meldeten sich auch Menschen, die Unterstützung anbieten wollten, die auf die Situation der Flüchtlinge aufmerksam machten, gegen deren Ängste unsere eigenen lächerlich seien. Die daran erinnerten, dass sicher so mancher Deutscher im Raum selbst Sohn, Tochter oder Enkel von Menschen sei, die nach Ende des Zweiten Weltkrieges flüchten mussten.

Die zusammenfassende Aussage und wohl einer der wichtigsten Sätze an diesem Abend von Gerald Saathoff ging in der Aufbruchstimmung nach gut zweistündiger Diskussion fast unter: „Die Frage ist nicht, ob wir Flüchtlinge aufnehmen, sondern wie wir sie aufnehmen“.

 (go)