Der Unternehmer Wilhelm Conrad errichtete sich am Wannsee seine Villa. Foto: Wolfgang Bittner

 

Nach Wannsee zieht es die Denkmalschutzbehörde Steglitz-Zehlendorf im Januar. Dort findet sie das Denkmal des Monats: die Kolonie Wannsee mit ihren Villen, allen voran der Villa Gutmann, in der heute das Literarische Colloquium beheimatet ist.

„Am Südostufer des Sees zieht sich wie eine Dünenreihe ein natürlicher Quai entlang, der alle Vorzüge, die bei solcher Anlage in Betracht kommen können, zu vereinigen scheint. Ein trockener Untergrund, in Front der See, im Rücken der Wald, der zu gleicher Zeit von rechts und links her das nur noch von hier geöffntete Becken des Sees umspannt. Die Kahlheit der Düne selbst wird rasch verschwinden, und die dürftigen gegenüber gelegenen Westufer werden allmählich ihre Charakter verändern und eine bessere Fernsicht gewähren.“

Diese Beschreibung von Theodor Fontane war im Dezember 1861 in der Neuen Preußischen Zeitung zu lesen. Dass eines Tages hier auch das renommierte Literarische Colloquium residieren würde, konnte der Dichter, Journalist und Apotheker nicht voraussehen. Für den Unternehmer und leidenschaftlichen Segelsportler Wilhelm Conrad jedoch war diese Erkenntnis nicht neu. Er kaufte in diesen Jahren das deutlich zugänglichere Südufer am Großen und Kleinen Wannsee und begründete unter maßgeblicher Beteiligung des Preußischen Hofgärtners Gustav Meyer eine der berühmtesten Villenkolonien im Deutschen Reich.

Mit der Entwicklung des benachbarten, gut 20 Meter hohen Dünenhangs am Ostufer hingegen tat sich Prinz Friedrich Karl, Königlich Preußischer Immobilienentwickler, schwer. 1874 begann auch er, sehr opulente Wassergrundstücke zu parzellieren und mit dem Verkauf seine maue Kasse aufzufüllen. Er profitierte von dem Haltepunkt der Berlin-Potsdamer-Eisenbahn, den Conrad im selben Jahr durchsetzten konnte. Auch der als Ausflugslokal beliebte Kaiserpavillon lockte die Sommerfrischler an den See. Die betuchteren Berliner ließen sich von hier aus zu ihren neuen Refugien an Havel und Wannsee mit der Droschke weiter chauffieren.

Anders als in der Kolonie Alsen von Wilhelm Conrad aber verzichtete Friedrich Karl auf die Erstellung eines Bebauungsplans. Blieb doch das programmatische Muster stets das Gleiche: die Villa für die großbürgerliche Familie an höchster Stelle des Steilhangs über dem Ufer, der Hang als landschaftlicher Park mit zentraler Blickachse auf den Wannsee, begleitet von Pavillons, Boots- und Gewächshäusern und eine breit angelegte Vorfahrt mit begleitenden Gärtner-, Pförtner- und Personalunterkünften hinter hohen Einfriedungen zu der 1885 nach dem verstorbenen Prinzen benannten Straße, seit 1933 Am Sandwerder.

Robert Guthmann war ein sehr erfolgreicher Bauunternehmer und gründete 1883 in Rüdersdorf eine Portlandzementfabrik für die Herstellung von Fertigmörtel. Auch war er später Eigentümer der Berliner Sandsteinwerke in der Nähe von König Wusterhausen, der seinerzeit weltweit größten Kalksandsteinfabrik.

Mit dem Erwerb des heutigen Grundstückes Am Sandwerder 5 entschied sich Guthmann 1883, für seine an Tuberkulose leidende Gattin den Standort eines ehemaligen Seglertreffs in ein repräsentatives Familiendomizil zu verwandeln. Er beauftragte die eigene Firma mit dem Bau einer Villa ganz nach dem Geschmack der vornehmen Bürgerhäuser in Kurfürstendamm-Nähe.

 

Heute hat das Literarische Colloquium Berlin in der Villa seinen Sitz. Foto: Wolfgang Bittner

 

Mutmaßlich waren schon für den ersten Bauabschnitt von 1884 bis 1885 die Architekten Heinrich Joseph Kayser und Karl von Groszheim Paten des Entwurfes, Inhaber eines sehr renommierten Ateliers für Architektur und Kunstindustrie in Berlin, mit Zweigstelle in Düsseldorf. Als das Haus 13 Jahre später noch herrschaftlicher nach Süden erweitert wurde, in dem dort ein Anbau mit Innenhof, eine Gartenhalle und ein Pavillon entstanden, zur Straße hin dazu ein Wirtschaftsgebäude errichtet wurde, zeigten Kayser und von Groszheim in dem Arrangement von Naturstein- und Mauerziegelfassaden deutlich ihre stilistische Bezugnahme zu dem Haus des Architekten Hans Grisebach in der Charlottenburger Fasanenstraße.

„An der Straßenseite tritt der braunrote Backsteinbau mit hellen Sandsteinappliktationen an Sockel, Gesimsen und Fenstergewänden, in grauem Schiefer gedeckten Berliner Dach und gestuftem Segmentbogengiebeln eher zurückhaltend in Erscheinung. Das Giebelmotiv des links vorspringenden Risalits wird rechts kleiner wiederholt und betont so gemeinsam mit dem darunterliegenden, von einer Sandsteinmuschel bekrönten Obergeschossfenster und dem im Erdgeschoss vorspringenden Säulenbaldachin den Hauseingang.

Die hoch über dem Wannsee gelegene Gartenfront mit Turm, prächtigem Giebelrisalit und dreiachsiger Arkadenhalle ist anhand von Eckbossierungen und differenziert gearbeiteten Sandsteindekorationen wesentlich reicher ausgebildet. Einzigartig in seiner Gestaltung ist der quadratische Turm mit einer Aussichtsterrasse, über der sich eine luftige polygonale Säulenloggia erhebt. Hier wurden zwei Motive – das für die Architekten typische polygonale Turmgeschoss mit Glockendach und Laterne sowie das in Potsdam übliche offene Turmgeschoss – formvollendet vereinigt“, wird das Haus in der Denkmaltopographie Wannsee, herausgegeben vom Landesdenkmalamt Berlin, beschrieben.

Auch im Inneren hat sich von der Pracht dieser Jahre einiges erhalten. Es war vor allem die in der Villa Linderung von ihren Leiden findende Marie Guthmann, die sich mit der Schmückung des Hauses, insbesondere ihres liebsten Aufenthaltortes, der Seeveranda beschäftigte. Sie zeichnete florale Arabesken und Rapporte, die ihre Künstlerfreundin Marie Luise Schlieder in Wandfliesen und Schablonenmalerei umsetzte und die noch heute in der Veranda sowie im Eingangsfoyer zu sehen sind.

Man traf sich bei Guthmanns mit prominenten Nachbarn, den von Oppenheims, Wessels, Otzens und Gutschows und pflegte das gesellschaftliche Leben des Berliner Großbürgertums. Bei ihnen verkehrten Bänker, Industrielle und Künstler wie Anton von Werner, Hans Thoma oder Louis Tuaillon. Als 1898 die Villenkolonien Alsen und Wannsee mit Stolpe zu einer Landgemeinde zusammengeschlossen wurden, ließ sich Robert Guthmann zum Gemeindevorsteher wählen. Nicht zuletzt, um der weiteren Ansiedlung von Ausflugsgaststätten entgegenzuwirken.

Seit 1963 wird die Villa durch das Literarische Colloquium Berlin genutzt. Drei Jahre zuvor kam sie über eine zwischenzeitliche Hotelnutzung für US-Alliierte in das Eigentum des Landes. In den zurückliegenden  zwei Jahren wurde das Innere und Äußere der ehemaligen Villa im Auftrag des Berliner Immobilienmanagements, unter Leitung des Ingenieurbüros Leidel denkmalgerecht saniert.
 
 

Dr. Jörg Rüter, Denkmalschutzbehörde