Der Herrmann-Ehlersplatz soll umgebaut werden. | Foto: Daniela von Treuenfels

 

Das „Wohnzimmer der Schloßstraße“ wird ab 2025 umgebaut. Nach einem ersten Entwurf sollen im Frühjahr konkrete Planungen vorgestellt werden. 

Unten die U-Bahn, drumherum Bushaltestellen und ein Taxistand und einen Schritt weiter vierspurig organisierte Blechlawinen, von morgens bis abends. Wer Pech hat und aus Versehen an der falschen Stelle gen Himmel schaut, sieht den Kreisel, die wohl bekannteste Dauerbaustelle im Berliner Südwesten. 

„Wohnzimmer der Schloßstraße“ nennen manche dieses eingeklemmte Stückchen Fläche zwischen Stadtautobahn und dem Steglitzer Rathaus. Die gute Stube soll nun umgestaltet werden. Weil das Geld dafür da ist, sagt der zuständige Stadtrat Urban Aykal. Und weil der Platz „ziemlich kaputt ist“. 

Wir haben vor zwei Tagen nochmal nachgesehen: kaputt ist anders. Manche Baumscheibe könnte eine Erneuerung gebrauchen, ansonsten schreit hier nichts nach einer dringenden Reparatur. Es gibt ungefähr drölfzig Orte im Bezirk, die schlimmer aussehen.  

Es gibt auch keine Bürgerinitiative, kein Unternehmensnetzwerk und auch keine Anwohnerschaft, die sich mehr oder weniger lautstark für eine Veränderung stark macht. Die Initiative, das bestätigt Urban Aykal im Gespräch, geht vom Bezirksamt aus. Erste Pläne hat seine Behörde vor einigen Wochen dem Mobilitätsrat vorgestellt, das Gremium besteht aus Mitgliedern von Organisationen, Parteien und Ämtern.  

 

So sieht der Plan bisher aus: Wege, Wasserspiel, Sitzelemente und mehr Platz für Gastronomie und Marktgeschehen. | Grafik: Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf, Grünflächenamt

 

Demnach soll der Platz ein Leitsystem aus taktilen Kontaktstreifen erhalten zur besseren Orientierung für blinde und seheingeschränkte Menschen. Der Brunnen und die Hochbeete sollen verschwinden. Ein in den Boden integriertes Wasserspiel soll tagsüber außerhalb der Marktzeiten plätschern. Neue Leuchten bieten auch Stromanschlüsse für die Markthändler. Die Gastronomieflächen an der Häuserzeile werden etwas vergrößert, der Platz erhält eine Möblierung aus Bänken und Einzelsitzen. Einige Bäume werden gefällt, die verbleibenden erhalten Baumscheiben aus einer wasserdurchlässigen Schicht aus Split und Epoxitharz. 

Konzeptlos 

Eine offensichtliche Schwäche des Entwurfs ist, dass der Platz eine Insel bleibt. Zum Wohnzimmer kann man sich eine integrierte Küche (Gastronomie), ein Bad (Wasserspiele), Toilette und vielleicht ein Schlafzimmer (Hotel) vorstellen. Die Wohnung hat aber keinen Eingang, keine Nachbarwohnung und kein Treppenhaus. So enden beispielsweise die taktilen Streifen an der Bordsteinkante, das Muster wird auf der anderen Straßenseite nicht aufgegriffen. Bodenplatten, Farben, Gestaltungselemente – eine Verbindung in die Umgebung fehlt, auch in das Entréé hinein, die Schloßstraße. 

Der Mobilitätsrat weist laut Protokoll darauf hin, dass einige Dinge zum funktionierenden Ganzen fehlen. So gebe es kein Konzept für sicheres Radfahren auf der Albrechtstraße. Unklar ist bislang wohl auch, wie Taxistand, Bushaltestellen, Jelbi-Standort oder Behindertenparkplätze konkret organisiert werden. Ein Teilnehmer, so vermerkt es die Mitschrift, „vermisst eine Gesamtplanung. Die Fahrbahnen und die Fläche direkt vor dem Kreisel müssten auch mit angefasst werden. Aktuell werde hier nur eine Restfläche beplant, auf der sich so auch durch diese Planung grundsätzlich nicht viel ändern würde. Er habe Bedenken, wie mit dieser Planung die Aufenthaltsqualität verbessert werden könne.“ 

Unwichtig 

Auch wenn es auf den ersten Blick keine Dringlichkeit gibt und bei genauerer Betrachtung das große Ganze fehlt: ist das Projekt Ehlersplatz denn wichtig? Wichtiger als andere Plätze? Wichtiger als andere Orte entlang der Schloßstraße? Die Antwort lautet: Nein. Ganz und gar nicht. Im Gegenteil. 

Eine gute Grundlage für eine sachgerechte Priorisierung bietet das gerade vorgelegte Zentrenkonzept Steglitz-Zehlendorf: Eine Regionalentwicklungsgesellschaft aus Nürnberg hat in dieser kürzlich vorgelegten Studie auf 250 Seiten eine Bestandsaufnahme zum Einzelhandel in den örtlichen Zentren und Subzentren vorgelegt. Verfügbare Daten wurden ergänzt durch eine eingehende Vor-Ort-Recherche. Zu jedem Nahversorgungszentrum gibt es in der Untersuchung eine Analyse seiner Stärken und Schwächen. 

Zur Schloßstraße nennen die Autoren zuerst die Lärmbelastung und die mangelnde Aufenthaltsqualität unter der Joachim-Tiburtius-Brücke als Schwäche. Der Herrmann-Ehlers-Platz wird gar nicht erwähnt. Insgesamt spielen Märkte in der Studie so gut wie keine Rolle, lediglich ihr Vorhandensein wird (positiv) vermerkt. 

Ganz anders bewerten die Forscher die Situation im Zentrum Lichterfelde Ost. In dessen „Wohnzimmer“, dem Kranoldplatz, sehen die Experten Handlungsbedarf: die Fläche sei ein „autogeprägter Raum mit unzureichender Aufenthaltsqualität“. Insgesamt finden sich einige Punkte in der Einschätzung wieder, die auch von der Initiative „Bündnis für einen lebendigen Kranoldplatz“ bemängelt werden. 

Mutlos 

Wenn eine nachvollziehbare Priorisierung kein Kriterium ist: spielen Innovationscharakter oder  Nachhaltigkeit eine Rolle? Eher nicht. Zukunftsweisende Ideen für einen modernen Stadtplatz werden hier nur bedingt umgesetzt.  

So wird im Mobilitätsrat beispielsweise das Fehlen einer nachhaltigen Regenwassersammlung moniert. Die wasserdurchlässigen Baumscheiben sind eher kosmetischer Natur – unter Baumkronen kommt kein Regen an, schon gar nicht zwei Meter um den Stamm herum, dort ist es in der Regel am trockensten. Wer die „Testfläche“ am Taxistand genauer betrachtet, wird außerdem feststellen, dass sich die Harz-Split-Mischung bereits auflöst. 

 

Neue Baumscheibe: die wasserdurchlässige Harz-Split-Verbindung zerbröselt schon in der Testphase. | Foto: Daniela von Treuenfels

 

Lampen mit integrierter Stromversorgung oder im Boden integrierte Wasserspiele sind mittlerweile state of the art – aber hat der Ehlersplatz nicht mehr verdient? Versenkbare Poller beispielsweise könnten den Verkehr außerhalb der Lieferzeiten komplett unterbinden. Ein Platz für die Stadtgesellschaft ist zwar an sich schon eine Bühne, er braucht aber auch eine. Eine Erhebung zum Gesehen- und Gehörtwerden. Wer nicht möchte, dass sich die Leute zu jeder Tages- und Nachtzeit Gehör verschaffen, kann über eine versenkbare Fläche nachdenken. 

Und dennoch nicht zu ändern 

Neu nachdenken wäre naheliegend, ist aber nicht so einfach. Haushaltsmittel so mirnichtsdirnichts umzuschichten, das geht nicht. Das Projekt Ehlersplatz hat Jahre gebraucht bis es auf der Liste der Investitionsvorhaben gelandet ist. Urban Aykal erbt also ein Vorhaben, das er nicht selbst angestoßen hat. Es fallenzulassen, würde bedeuten, dem Finanzsenator 2,3 Millionen Euro zurückzuüberweisen. Nicht verwendete zweckgebundene Mittel darf der Bezirk nicht behalten. 

Weiter entwickelte Planungen sollen voraussichtlich im Frühjahr im Rahmen einer Informationsveranstaltung vorgestellt werden. Vorgesehen ist ein schrittweiser Umbau, damit der Wochenmarkt an Ort und Stelle verbleiben kann. 

 

Daniela von Treuenfels

 

Nur nicht nach oben schauen. | Foto: Daniela von Treuenfels