Kranoldplatz, Foto von Stephan Voß

 

Im Frühjahr will Stadtrat Urban Aykal zu einer Gesprächsrunde zum Kranoldmarkt einladen. Sein Ziel: die bisher unversöhnlich gegenüber stehenden Seiten zu einem Kompromiss bewegen. Derweil steht am Ehlersplatz der Start der Bauarbeiten an. 

Gut einen Monat ist es her, dass sich die Initiative „Bündnis für einen lebendigen Kranoldplatz“ mit einem offenen Brief an die Bezirkspolitik wandte (hier zum Nachlesen). Das Anliegen des Zusammenschlusses mehrerer Bürgerinitiativen, die sich jeweils mit unterschiedlichen Schwerpunkten in Lichterfelde Ost engagieren: Ein „Runder Tisch“ mit Interessierten, Engagierten, Anwohnern, Sachkundigen und Vertretern der Bezirkspolitik solle Gestaltungsmöglichkeiten der Fläche zwischen Lankwitzer Straße, Ferdinandstraße und der Straße Am Kranoldplatz ausloten. 

In scharfem Ton warfen die für das Bündnis Unterzeichnenden, Stephan Voß und Ulrike Meyer, den Bezirksverordneten jahrzehntelange Untätigkeit vor: „Viel zu lange haben die politisch Verantwortlichen geschwiegen und nur zugesehen, wie sich die Konflikte, deren Hintergrund unterschiedliche und gleichwohl nachvollziehbare Interessen verschiedener Beteiligter an der Nutzung des Platzes sind, immer wieder aufschaukeln. Geschehen ist vor Ort nichts Wesentliches.“ 

„Nach fast 40 Jahren des Stillstandes am Kranoldplatz“ möge die Bezirkspolitik „Verantwortung  übernehmen und dafür Sorge tragen, dass die Konflikte um die Nutzung des Kranoldplatzes so gelöst werden, dass er zu dem lebendigen Zentrum von Lichterfelde wird, von dem alle Beteiligten langfristig profitieren.“ Schnellstmöglich sollten „alle Beteiligten und Verantwortlichen miteinander ins Gespräch kommen, anstatt sich auf dem und am Kranoldplatz mit Einwohneranträgen gegenseitig Konkurrenz zu machen“ (wir berichteten).  
 

Verhaltene Reaktionen bei Bezirkspolitikern 
 

Das Schreiben vom 14. November stieß bei den Adressaten auf eisiges Schweigen. „Bisher gab es keine Reaktion, noch nicht einmal eine Eingangsbestätigung“, sagt Stephan Voß.  
Auch die Stadtrand-Nachrichten wollten wissen, wie das Gesagte bei den Empfängern aufgenommen wurde.  
 
Die einzig uneingeschränkt positive Antwort kam von den Linken, die im Südwesten politisch eher ein Nischendasein führen, in der BVV hat die Partei mit nur zwei Mandaten keinen Fraktionsstatus, ihre Vertreter werden daher als fraktionslos geführt. „DIE Linke. in der BVV Steglitz-Zehlendorf begrüßt den Anwohner*innenantrag des „Bündnisses für einen lebendigen Kranoldplatz“ und unterstützt ihn voll und ganz“, sagt der Bezirksverordnete Dennis Egginger-Gonzales. Es ist das einzige „Go!“ der Antworten. 
 
Stadtrat Patrick Steinhoff (CDU) teilt mit: „Es ist zu merken, dass der Wochenmarkt auf dem Kranoldplatz für die Bürgerinnern und Bürger vor Ort eine hohe Bedeutung hat. Dieser Markt muss funktionieren. Daran werden sich alle Überlegungen für den Kranoldplatz messen lassen. Entsprechend des neuen Zentrenkonzepts des Bezirks Steglitz-Zehlendorf bleibt das Areal rund um dem Bahnhof Lichterfelde-Ost ein wichtiges Einzelhandelszentrum. Der Markt gehört dazu.“ 

Von der FDP lässt die Fraktionsvorsitzende Mathia Specht-Habbel ausrichten: „Die inhabergeführten Geschäfte und den Wochenmarkt am Kranoldplatz sehen wir von der FDP als die zwei ausschlaggebenden Standortfaktoren, die eine vielfältige und ansprechende Nahversorgung sichern, den Ort mit Leben füllen und dafür sorgen, dass Menschen gern zum Subzentrum in Lichterfelde-Ost kommen.  Mit den Partnern der Ampel-Zählgemeinschaft haben wir vereinbart, den Marktstandort Kranoldplatz zu erhalten sowie die Sicherheit und Aufenthaltsqualität zu erhöhen und auch sichere und bequem erreichbare Parkplätze beizubehalten.“ 

Die Fraktion der SPD antwortete nicht auf unsere Anfrage. 

Stadtrat Urban Aykal (Grüne) antwortet: „Letzte Woche bin ich einer Einladung mit dem Bündnis gefolgt. Ich bin generell dafür, dass man miteinander im Gespräch bleibt und plane für März 2024 eine größere Veranstaltung, bei der alle Betroffenen zusammenkommen, mit dem Ziel, die gemeinsamen Nenner hervorzuheben.“ 

Stephan Voß bestätigt ein Treffen des Bündnisses mit den Stadträten Aykal und Steinhoff am 9. November. Den offenen Brief möchte er nicht als direkte Reaktion darauf verstanden wissen, der sei schon länger in der Vorbereitung gewesen. Dennoch ist er unzufrieden. Als einzige Vereinbarung sei festgehalten worden, die Autoren der in diesem Jahr veröffenlichten TU-Studie zur Parkraumsituation rund um den Kranoldplatz einzuladen.  

„Das ist nicht nichts“, sagt Stephan Voß, „aber eben auch kein runder Tisch, den wir so dringend brauchen.“ Wenn nicht alle Beteiligten, vor allem die Markthändler, zu verbindlichen Gesprächen zusammenkämen, würde wieder nichts erreicht.  

 

Stadtrat auf der Suche nach Kompromissen 
 

In einem persönlichen Gespräch Mitte Dezember betont Urban Aykal noch einmal, wie wichtig ihm die gemeinsame Suche nach tragfähigen Lösungen ist. Der ehemalige Neuköllner Quartiersmanager verweist auf seine Kompetenz im Umgang mit Konflikten, die er auch als Büroleiter der Kreuzberger Bezirksbürgermeisterin Monika Hermann (Grüne) ausgebaut habe, und erklärt: „Es gibt immer einen Kompromiss“. In diesem Moment wirkt er zutiefst überzeugt und absolut glaubwürdig. 

Was der Stadtrat so wohl nicht sagen würde: Er muss Zeit gewinnen. Die ungeduldigen Engagierten am Kranoldplatz muss Aykal noch ein wenig hinhalten, denn der Umbau des Herrmann-Ehlers-Platzes gegenüber dem Rathaus Steglitz steht an. Hier gibt es vier Markttage: an drei Tagen ist Wochenmarkt, sonntags findet ein Flohmarkt statt. Der Umbau soll schrittweise bei laufendem Betrieb erfolgen. Was hier klappt oder auch schiefgeht, kann man als Praxiswissen auf die nächste Baustelle mitnehmen. Zufriedene Markthändler, von denen viele auch am Kranoldmarkt präsent sind, ließen sich vielleicht auf Vorschläge ein, die sie bisher rundweg ablehnen. Wie berichtet, sträuben sich die Händler in Lichterfelde Ost gegen jede Veränderung. 

 

Unterschriften zählen, Fakten sortieren 
 

Das „Bündnis für einen lebendigen Kranoldplatz“ vermeldet aktuell vorsichtigen Optimus, dass die notwendigen Unterschriften für den Einwohnerantrag zusammenkommen. Es würden weiterhin die Bürger um Zustimmung gebeten, um auf der sicheren Seite zu sein, wie Sprecher Stephan Voß betont. Im besten Fall sollen die Unterschriften im Januar dem Bezirksamt übergeben werden. Fragen, Bedenken und Irrtümer, die den Mitgliedern der Initiative bei Begegnungen mit Unterstützern, Skeptikern und Gegnern begegnet sind, wurden zusamengetragen und stehen für alle Interessierten mit teils ausführlichen Antworten auf der Webseite des Bündnisses zum Nachlesen zu Verfügung.  

 

… und schmunzeln. 
 

Gestern schickte uns Bündnissprecherin Ulrike Meyer ein Foto. Es zeigt die Bank, die das Bezirksamt am Kranoldplatz aufstellen ließ. Vertreter der Bezirkspolitik verweisen gerne auf diese Neuanschaffung, um zu zeigen, dass man nicht untätig sei. Man beachte die Aussicht: 

Eine neue Bank, hurra. | Foto: Ulrike Meyer

 

Daniela von Treuenfels