Fisch und Unterschrift: Händler am Kranoldmarkt äußern ihre Sorge um ihr Geschäft und wehren sich gegen die Umgestaltung des Platzes | Foto: Daniela von Treuenfels

 

Der vehement vorgetragene Wunsch nach einer Umgestaltung des Kranoldplatzes ruft jetzt die Markthändler auf den Plan. Sie fühlen sich in die laufende Diskussion nicht einbezogen. Lange Bauarbeiten und eine Verkleinerung der Verkaufsfläche lässt sie um ihre Existenz bangen. 

Mittwoch Vormittag, ein diesiger Novembertag in Lichterfelde. Auf dem Kranoldplatz herrscht geschäftiges Treiben, die Anwohner decken sich mit Lebensmitteln ein: Von Eiern über Kartoffeln, Käse, Fleisch, Gemüse, Fisch oder Brot gibt es alles, was die frische gesunde Küche braucht. Dass die Händler in Aufruhr sind, ist erst auf den zweiten Blick zu erkennen. Auf einigen Tresen liegt ein Statement zur derzeit laufenden Unterschriftenaktion diverser lokaler Bürgerinitiativen, die eine Umgestaltung des Platzes zum Ziel hat (wir berichteten hier und hier).

Man fühle sich überrumpelt, heißt es in der Information für die Kundschaft. „Dass es zu einem Umbau kommt, ist nicht im Interesse der Markthändler*innen“, steht in dem Schreiben auf dem schlicht weißen Blatt im DinA4-Format. „Niemand der Markthändler*innen befürwortet einen Umbau. Wir möchten, dass der Platz ohne jahrelange Umbaumaßnahmen erhalten bleibt, damit der Kranoldmarkt weiterhin als florierender Wochenmarkt im Süden Berlins erhalten bleibt.“

Furcht vor Verdrängung

Und weiter: „Am Kranoldmarkt hängen die Existenzen von über 70 Familien, viele seit mehr als 40 Jahren als Händler *innen auf dem Markt aktiv. Sollte es zu Umbaumaßnahmen kommen, rechnen wir mit einer Bauphase von mindestens zwei Jahren. Da es keine geeignete Ausweichfläche für den Weiterbetrieb des Marktes gibt, wird ein langer Umbau dem Marktbetrieb nicht nur schaden, sondern ihn zerstören. Nach einem Umbau würden wir Händler*innen wieder bei „Null“ anfangen, müssten sozusagen einen neuen Markt am alten Standort wieder neu aufbauen.“ Am Ende werden die Kunden gebeten, „für den Erhalt des Kranoldmarktes und den ungehinderten Weiterbetrieb eines der umsatzstärksten und meistbesuchten Märkte Berlins zu unterschreiben.“

 

Alles Käse: Felix Heese, Geschäftsführer von „Loch an Loch“ hat die Anliegen der Händler formuliert, war aber am Mittwoch nicht anzutreffen. Foto: Daniela von Treuenfels

 

Die Initiative für diese Aufforderung kommt aus dem Team des Käsehandels „Loch an Loch“, doch am Mittwoch sind die Chefs Martin Boldt und Felix Heese nicht vor Ort. Dass ihr Anliegen geteilt wird, ist nicht zu übersehen. Viele Händler haben den Aufruf an ihre Stände gehängt oder ausgelegt, mitunter liegt auch die Unterschriftenliste der CDU Lichterfelde Ost aus, die sich gegen Veränderungen auf dem Kranoldplatz stark macht.
Dominik Kottke hat sogar einen Aufsteller aus Acryl auf seinem Verkaufstresen, damit der Zettel auch richtig zur Geltung kommt. Kottke verkauft hauptsächlich Geflügelfleisch und Eier, je nach Saison ist auch Kaninchen und Wild im Angebot. Angesprochen auf mögliche Veränderungen antwortet er aufgeschlossen und engagiert, nach und nach wohnt auch sein Team dem Gespräch bei – und alle sind sich einig: Das geht so nicht.

 

Dominik Kottke hält die Vision einer Platzverschönerung für unrealistisch. Foto: Daniela von Treuenfels

 

Ein Brunnen, Bäume und Bänke? Was für die einen eine Verheißung ist, gleichen die Geflügelhändler mit der Realität ab: „Dann sieht es aus wie am Ehlersplatz, das will niemand haben“. Mit Platzverschönerungen habe man seine Erfahrungen: Am Ende würden daraus vermüllte unansehnliche Orte, so manche Bank, die zum Verweilen gedacht war, sei irgendwann wieder abmontiert worden. „Wenn es schnell gehen würde, dann…“, merkt Dominik Kottke schließlich an. Aber man sei ja nun in Berlin… –  die Furcht vor der Dauerbaustelle sitzt tief.

Schattenboxen

Die Markthändler reden, um im passenden Bild der geflügelten Worte zu bleiben, über ungelegte Eier. „Da es noch keine Planung gibt, sind Aussagen über mögliche Bauzeiten reine Spekulation“, sagt der zuständige Verkehrsstadtrat Urban Aykal (Grüne).

Dass zwei Jahre Bauzeit viel zu hochgegriffen sind, wird an einem Vergleich deutlich: Die landeseigene Gesellschaft Grün Berlin beginnt derzeit mit der Umgestaltung des Gendarmenmarktes und informiert: „Der Platz erhält ein unterirdisches, rund fünf Kilometer langes Leitungsnetz für Strom, Wasser und Abwasser. Mit über 50 versenkbaren Trinkwasser- und Schmutzwasseranschlüssen und rund 30 unterirdischen Stromabschlüssen können Veranstaltungen künftig unabhängig von der Infrastruktur des Konzerthauses stattfinden.“ Außerdem ist ein Regenwassermanagement mit unterirdischen technischen Anlagen vorgesehen. Das Großprojekt kostet 20 Millionen Euro und soll Ende 2024, also nach eineinhalb Jahren Bauzeit, fertig sein.

Auch hinsichtlich der Forderungen des Einwohnerantrags „“Lebendiger Kranold-Markt-Platz“ scheint es Missverständnisse zu geben. Das „Bündnis für einen lebendigen Kranoldplatz“ möchte eher eine Vergrößerung der Verkaufsflächen erreichen, und keine Verkleinerung. Für konkrete Entwürfe sei ein Wettbewerb auszuloben, der auch die Frage beantworten könnte, ob und wie beispielsweise eine kindgerechte Fläche oder eine attraktive Platzmöblierung mit der Befahrbarkeit des Platzes mit langen Anhängern zu vereinbaren wären.

An diesem Mittwoch auf dem Kranoldplatz wird deutlich: Manchmal wäre es doch schlau, einfach mal miteinander zu reden.

 

Daniela von Treuenfels