Eiskalt verwandelt Huke den Strafstoß zum 2:2 (60.), Foto: Kerstin Kellner

Erfolg trotz (?) Unterzahl. Die These hat schon etwas für sich: Die Zehlendorfer Hertha gewann am Sonntagnachmittag in Strausberg nicht trotz Unterzahl, sondern weil sie ab der 55. Minute mit einem Mann weniger auf dem Feld auskommen musste. Wie man es schon häufig erlebte, setzte ein Platzverweis beim dezimierten Team Kräfte frei, forderte die Moral der Berliner heraus und war ausschlaggebend dafür, dass sie mit einem 3:2-Erfolgserlebnis nach Berlin zurückkehrten. Fast hätte man es dabei übersehen können: Ihr Torjäger Sebastian Huke hatte auch einen „kleinen“ Anteil daran – er erzielte alle drei Treffer!

Natürlich waren die Zehlendorfer gewarnt, hatten die Strausberger doch alle vier Heimspiele gewonnen. Umso ärgerlicher, dass sie auf drei ihrer Stammkräfte verzichten mussten: „Maxi“ Obst, Niclas Warwel und Marc Zellner konnten nicht ins Geschehen eingreifen, unterstützten ihr Team jedoch von der Tribüne aus. Das Selbstvertrauen der Gastgeber war deutlich zu spüren, selbstbewusst gingen sie die Partie an, und doch fiel wie aus dem Nichts der Führungstreffer: Kaan Bektas nahm sich ein Herz und traf aus gut 25 Metern in Philip Sprints rechte Ecke. Bis zur Pause blieben Torchancen Mangelware, einzig Hertha 03-Torjäger Huke hatte wenige Minuten vor der Pause das 1:1 auf dem Fuß, doch Strausbergs Schlussmann Jäschke verkürzte geschickt den Winkel und verhinderte den Ausgleich.

Aus der Kabine kamen die Zehlendorfer mit veränderter Einstellung. Trainer Alexander Arsovic schien nicht nur die richtigen Worte gefunden zu haben („Es darf nicht unser Anspruch sein, das Spiel so zu beginnen“), er brachte mit Faton Ademi auch eine zweite Sturmspitze, die sich gleich gut einführte. Ademis Flanke von der linken Seite geriet unfreiwillig von der Strausberger Abwehr zur Vorlage für Huke, der volley vollendete: 1:1 (48.). Wer glaubte, die Zehlendorfer wären dadurch unaufhaltsam auf die Siegerstraße eingebogen, wurde in den Folgeminuten eines Besseren belehrt. Beinahe im Gegenzug brachte der Berliner Abwehr-Hüne Lenny Stein den Strausberger Yannick Mastalerz zu Fall. Stein dazu hinterher: „Mein Gegenspieler zieht mich, dadurch falle ich und reiße ihn mit runter. Ich weiß nicht, ob man den Elfmeter geben muss.“ Wael Karim verwandelt zur erneuten Führung der Gastgeber – 2:1 (50.).

„Wenn man zwei Tore zu Hause schießt, sollte man wenigstens einen Punkt behalten können“, sagte Strausbergs Trainer Christof Reimann anschließend auf der Pressekonferenz. Man hätte hinzufügen können: erst recht, wenn man die letzten 35 Minuten in Überzahl agieren darf. Zehlendorfs Tempomacher Mike Ryberg war übermotiviert in einen Zweikampf mit Strausberg Torhüter Jäschke eingestiegen und wurde von Schiedsrichter Schuster (Bautzen) vom Platz verwiesen. Doch seine Mannschaftskameraden reagierten auf ihre Weise. Arsovic erklärte es so: „Das war eine Art Weckruf für uns.“.

Keine fünf Minuten nach dem Platzverweis wurde Huke im Strafraum der Gastgeber zu Fall gebracht. „Der Gefoulte sollte niemals selbst schießen“ – diese alte Fußballweisheit scheint nicht auf den Zehlendorfer Torjäger zuzutreffen. Huke verwandelte sicher zum 2:2 (60.), stärkte mit seiner Selbstsicherheit die Moral seiner Mitspieler und erhöhte gleichzeitig die Verunsicherung beim Kontrahenten.

Da überraschte es schon nicht mehr, dass die Berliner nun mehr wollten, als nur den Punkt zu sichern. Nach einem Foul an Ademi, schlug Darius Niroumand einen Freistoß von der Strafraumgrenze auf den hinteren Pfosten. Der mit nach vorn gerückte Innenverteidiger Robert Schröder schraubte sich in die Höhe, legte den Ball per Kopf zurück und Huke (wer sonst?) verwandelte mit einem perfekten Fallrückzieher zum 3:2 (70.). Eine einstudierte Kombination, die schöner nicht hätte abgeschlossen werden können. Huke krönte seine bärenstarke Leistung mit seinem dritten Treffer und sagte nach den aufregenden 90 Minuten, dass „dies zeigt, dass unsere Mannschaft intakt ist und wir ein verschworener Haufen sind“.

In den verbleibenden 20 Minuten hatten die Zehlendorfer noch zwei Möglichkeiten, die man der Kategorie 100 Prozent zuschreiben muss. Doch sowohl Ademi, der von der Mittellinie frei aufs Tor loszog und an Jäschke hängen blieb (81.), als auch Rici Bokake-Befonga (90. + 4), scheiterten. Ademi hockte nachher wie ein Häufchen Elend auf der Bank und haderte mit sich. Über die fußballerische Klasse von Ademi gibt es keinen Zweifel, doch hat das Selbstvertrauen des Stürmers gelitten. Trainer Arsovic wird den Jungen schon wieder aufbauen, auch das steht fest. Und dann kann Ademi, wenn er weiter an sich arbeitet, wieder ein wichtiger Faktor für das Zehlendorfer Offensivspiel und eine Entlastung für Huke werden.

Einen Blick auf die Tabelle wollen die Zehlendorfer weiterhin noch nicht werfen. Warum auch? Seit sie sich auf sich selbst konzentrieren, fahren sie die Erfolge ein. Wenn auch die kleine Serie von Spielen ohne Gegentore (Kapitän Schröder: „Das hat mich schon geärgert“) gerissen ist: Sie haben trotz widriger Umstände wieder Lösungen gefunden, die Partie für sich zu entscheiden. Nun stehen wichtige Tage bevor: Am Freitagabend findet die Auslosung der 3. Pokalhauptrunde statt, am Sonntag folgt das Heimspiel gegen den FC Mecklenburg-Schwerin. Es lohnt sich aber auch noch einmal, einen kleinen Blick zurückzuwerfen: 16 Punkte stehen mittlerweile auf dem Zehlendorfer Konto. Die gleiche Anzahl, wie in der Hinrunde 2015/16, die mit der Herbstmeisterschaft endete, und 16 Punkte hatten sie zum gleichen Zeitpunkt auch in der Saison 2013/14 gesammelt, an deren Ende der Aufstieg stand. Das soll keine Träumereien auslösen, nur aufzeigen, was sie bisher geleistet haben – unabhängig von ihrer Platzierung.

(ok)